Hermes
Indonesien-Information Nr. 1 2001 (Wirtschaft)
Deutsche Bürgschaften für verseuchtes Trinkwasser
von Jasmin Fleischlad
Egal ob es sich nun um sozial und ökologisch desaströse Projekte handelt, oder um solche, die auf Vetternwirtschaft und Korruption gewachsen sind, – die Hermes-Bürgschaft ist in letzter Zeit gerade in Indonesien in Zusammenhang mit solchen Projekten in Verruf geraten. Deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisationen demonstrierten im Februar bereits vor der Hermes-Zentrale in Hamburg, einige Tage später nutzten ihre indonesischen Kollegen den Besuch von Bundespräsident Rau nach Jakarta, um ihrerseits ihren Unmut kund zu tun. Denn dass mit deutschen Steuergeldern Kinder an Krätze erkranken, weil ihr Trinkwasser mit Chlor einer durch Hermes verbürgten Papierfabrik verseucht ist, oder mit ihnen ein verlustträchtiges Kohlekraftwerk im fernen Indonesien finanziert wird, damit können deutsche Steuerzahler und Indonesier selber wohl kaum einverstanden sein. In Deutschland erreicht die Diskussion um Hermes mittlerweile eine weitere Dimension. Denn die verstärkten Forderungen nach einer durchgreifenden Hermes-Reform, die eigentlich schon lange überfällig wäre, stoßen beim Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) partout auf taube Ohren.
Die Hermes AG in Hamburg ist eine nationale Exportkreditagentur, welche gemeinsam mit PwC Deutsche Revision AG die Ausfuhrgewährleistungen der Bundesrepublik Deutschland bearbeitet. Mit ihrer Hilfe können deutsche Exporteure und Kreditinstitute ihre Käufer- und Länderrisiken aus Exportgeschäften absichern – der deutsche Steuerzahler macht’s möglich. Zuständig für die Gewährung einer Bürgschaft ist die Bundesregierung, bzw. der Interministerielle Ausschuss für Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften, kurz, IMA. Besonders bei Exportgeschäften mit Entwicklungs- oder Transformationsländern spielt die Hermes-Bürgschaft eine wichtige Rolle, da die Bundesregierung durch diese Ausfuhrgewährleistung eine Vielzahl politischer und wirtschaftlicher Risiken deckt, ohne die viele Projekte besonders in jenen Regionen vielleicht nicht realisiert werden könnten.
Problematisch wird die Vergabe von Hermes-Bürgschaften dann, wenn damit Projekte finanziert werden, die sozial und ökologisch nicht vertretbar sind, oder wenn die Bürgschaften in anderer Weise missbraucht werden. Da im Schadensfall der Staat einspringt, ist das Risiko für Banken und Unternehmen relativ gering, da fällt es nicht besonders schwer bei Projekten mit Hermesdeckung die Sicherheiten nicht an vorderste Stelle zu setzen. Bisher gibt es auch keine eindeutige Umwelt- und/oder Sozialverträglichkeitsprüfung, und auch mangelnde Transparenz wird in Deutschland beklagt. Da Hermesbürgschaften aber ein nationales Instrument sind, sollte es auch eine nationale Informationspolitik geben, wobei der steuerzahlende Bürger über die Art des Projekts und seine Folgen aufgeklärt werden sollte. Dies zumindest fordern Umwelt- und Entwicklungsorganisationen wie Urgewald und WEED sowie auch Parlamentarier von Bündnis90/Die Grünen und SPD. Das Hermes-Instrument soll keineswegs ganz abgeschafft werden, aber eine durchgreifende Reform, so die Umweltgruppen, sei unbedingt notwendig um vor Missbräuchen zu schützen, dies sei letztendlich auch im Interesse der Industrie. Obwohl die Hermes-Reform im Koalitionsvertrag von Rot-Grün verankert ist, hat sich seit Antritt der neuen Regierung nicht viel verändert. Wenn der IMA tatsächlich, wie Bundeswirtschaftsminister Müller am 5. Februar gegenüber dem Handelsblatt erklärte, seit langem Umweltaspekte im Rahmen von Einzelfallentscheidungen „sehr verantwortungsbewusst abwäge„, dann bleibt es verwunderlich warum die Vorwürfe der Verbände trotzdem gerechtfertigt scheinen. Besonders deutlich wird dies im Fall der indonesischen Zellstoffabrik PT Indah Kiat auf Sumatra.
Bei der PT Indah Kiat Pulp and Paper Corporation handelt es sich um einen indonesischen Besteller aus der Papierindustrie, der, unter anderem, auch in Deutschland Maschinen zur Papierherstellung bzw. Verarbeitung einkauft. Die Hermes AG hat für den Export dieser Maschinen mehrere Ausfuhrgewährleistungen erlassen. Nach Aussagen des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) werden Antragsstellern seit April 1998 gezielte Fragen zur Umweltrelevanz vorgelegt. So würde u.a. nach dem Umfeld des Projektes gefragt werden, nach Umweltauflagen durch das Bestellerland und deren Einhaltung, nach dem Vorhandensein einer Umweltverträglichkeitspüfung und nach der Einhaltung bestimmter Standards. Tatsache ist, dass sich deutsche Firmen und die Hermes AG am indonesischen Zellstoffboom (seit 1987 hat sich die Papierproduktion dort mehr als versiebenfacht) zwar kräftig beteiligt haben, es aber anscheinend völlig ausreichte, wenn die jeweiligen Lieferfirmen eine Umweltverträglichkeit behaupteten, ohne dass dies vor Ort überprüft wurde. Laut WEED haben die Überkapazitäten im Zellstoffsektor mittlerweile zur Vertreibung von Dorfbewohnern geführt, zur großflächigen Abholzung unberührter Regenwälder, sowie zur Vergiftung des Trinkwassers von nahezu einer Million Menschen. Dazu kommt, dass das Abwasser der Zellstofffabriken zu massiven Haut- und Atemwegserkrankungen in den stromabwärts gelegenen Dörfern geführt hat. Untermauert wird dies auch durch einen Film, der im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit gedreht wurde. Bei der Tagung zum Thema „Hermes-Reform“, an der NROs, Kirchen, der BDI und Abgeordnete gleichermaßen teilnahmen, diente der Film als Einstieg und eine überarbeitete Fassung wurde vom ARD-Magazin Report am 19. Februar gesendet. Report resümiert: „Ein ökologisches und soziales Desaster in Indonesien, eine Zellulose, die nur als billiges Massenprodukt Absatz findet und das deutsche Wirtschaftsministerium, dass nach wie vor alles in Ordnung findet.“
Gleichzeitig ist schriftlich dokumentiert, dass die PT Indah Kiat ausschließlich Tropenhölzer als Rohstoff für die Zellstoffproduktion benutzt. Beim Ausbau der Fabrik auf eine Produktion von 3 Mio. jato (Jahrestonnen) Zellulose spielten die von Hermes verbürgten deutschen Lieferungen eine entscheidende Rolle. Die finnischen Exportkreditversicherer, welche zumindest 1997 noch zu einem Großteil an der indonesischen Papierfabrik mitbeteiligt waren, haben inzwischen erste Konsequenzen aus den in letzter Zeit massiver werdenden sozialen und ökologischen Protesten vor Ort gezogen: als ersten Schritt haben sie eine Evaluierung der ökologischen Risiken der Zellstoffproduktion in Auftrag gegeben. Bis dahin verzichten sie auf die Verbürgung von Lieferungen in diesem Bereich. Mittlerweile hat die PT Indah Kiat laut Recherche der Filmautorin Inge Altemeier Konkurs gemeldet – bei den mit insgesamt 1,4 Milliarden DM verbürgten Zellstofffabriken (davon entfallen ca. 547 Mio. DM auf die PT Indah Kiat) haben sich die ersten Schadensfälle in Höhe von 27,1 Millionen DM ergeben und Hermes muss dafür bürgen.
Ähnliches Pech ereilte Hermes auch im Fall des Kohlekraftwerks Paiton II in Ost-Java. Schon im November 2000 geriet das Großprojekt des Siemens-Konzerns mit dem staatlichen indonesischen Stromkonzern PLN in die Schlagzeilen. Das Projekt, an dem auch Suhartos Sohn Bambang Trihatmodjo über den Bimantara-Konzern zu 15% Prozent beteiligt war, sei anscheinend „ein Auswuchs der korrupten Gebräuche des Suharto-Clans gewesen„, aber auch Siemens und die damalige Regierung Kohl sind auf das Geschäft eingestiegen /Der Spiegel, 29.05.2000/. Wohl nicht die einzigen, die gerne von Suhartos Faible für überdimensionierte aber prestigeträchtige Projekte profitieren wollten, ohne dabei die Konsequenzen zu bedenken. Wie der SPIEGEL im Mai 2000 berichtete, sollte die PLN den Siemens-Strom eigentlich über einen Zeitraum von 30 Jahren übernehmen und verkaufen, doch mangels Kapazitäten im Übertragungsnetz könnten im Moment sowieso nur 15 Prozent der vereinbarten Leistung abgenommen werden. Und selbst dieser Strom ist im Prinzip überflüssig, denn die PLN-eigenen Kraftwerke, die zudem billigeren Strom produzieren, sind selber nicht einmal ausgelastet. Siemens steht also vor einem Pleiteprojekt, die erhofften Stromerträge fließen nicht, da Indonesien den Strom nicht benötigt. Der ohnehin hochverschuldete indonesische Staat müsste eigentlich für die Zahlungsverpflichtungen der PLN aufkommen, doch Suharto hatte vorgebeugt und durch ein besonderes Dekret sichergestellt, dass der Staat keine Garantien dafür zu übernehmen brauchte. Anders in Deutschland, denn hier hat die Bundesregierung gebürgt: Die Siemens AG hat für ihren Lieferanteil eine Hermes-Bürgschaft in Höhe von 494 Mio. US$ erhalten. Die deutsche Gesamtverpflichtung für das Projekt Paiton II beläuft sich gegenwärtig auf ca. 1,6 Mrd. DM. Inzwischen ist es der Bundesregierung gelungen die drohenden Entschädigungszahlungen aus dem Bundeshaushalt abzuwenden. Weiterhin hofft sie, dass die indonesische Regierung auch zu einer langfristigen Lösung bereit ist. Außenminister Fischer soll bei seiner Reise nach Indonesien im November 2000 deutlich darauf hingewiesen haben, dass davon letztendlich auch die Glaubwürdigkeit der indonesischen Regierung und das Vertrauen ausländischer Investoren abhängt.
Und während man noch der jungen Demokratie in Indonesien Unterstützung zusichert, mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit fordert, so Torsten Engelhardt in seinem Artikel „Freunde auf immer und ewig“ vom letzten November, übt die Bundesregierung Druck auf die indonesische Regierung aus, um ihrerseits den Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen zu müssen /Financial Times Deutschland, 24.11.2000/. Hok An, Sprecher der in Frankfurt ansässigen Menschenrechtsorganisation IMBAS bringt die Dinge auf den Punkt: „Die Wahrheit ist, dass sie [die Industrienationen] aus einem armen Land Geld herauspressen wollen…“ /Der Spiegel, 29.05.2000/.
Projekte wie Paiton II und PT Indah Kiat sind nicht gerade förderlich für das Image der Bundesregierung, einmal mehr zeigt sich, dass mit der Hermes-Bürgschaft nur allzu leichtfertig umgegangen wird. Die Konfliktpotenziale, die die Hermes-Bürgschaft in letzter Zeit, und nicht nur im Fall Indonesien in Misskredit gebracht haben, sind vielfältig. Und weil es schließlich um staatliche Förderung geht, und weil der Steuerzahler immer wieder tief in die Tasche greifen muss, so die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Angelika Köster-Loßack, ist es nur legitim, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und das Hermes-System an neue Rahmenbedingungen anzupassen /Frankfurter Rundschau, 08.03.2001/. Einlenkend zeigte sich in dieser Hinsicht sogar der Hauptgeschäftsführer des BDI. Gegenüber dem Handelsblatt erklärte er am 26.1.2001, es spreche nichts dagegen, künftig die Umweltstandards der Weltbank als Maßstab der Beurteilung zu nehmen, zumal deutsche Firmen ohnehin zu jenen gehörten, die fortgeschrittene Umwelttechnik anböten. Auch gegen größere Transparenz spreche eigentlich nichts, es sei sogar wichtig, rechtzeitig die Öffentlichkeit zu informieren. Politische Widerstände könnten sonst eine Entscheidung erheblich verzögern. Trotzdem geriet der „Umweltleitfaden„, den das BMWi Anfang des Jahres präsentierte, eher zu einem „Umweltverhinderungsleitfaden„, wie Barbara Unmüssig von WEED es ausdrückte, da er sich hauptsächlich durch ein hohes Maß an Unverbindlichkeit auszeichnet. Während die USA schon seit Mitte der 90er Jahre strengere Standards als die der Weltbank verwenden, verbindliche Prüfverfahren und die Einstellung von Informationen ins Internet praktizieren, heißt es aus dem Wirtschaftministerium noch immer, es werde keine festen Umweltvorschriften für Hermes geben. Hermes sei ausschließlich ein Instrument zur Exportförderung und höhere Umwelt- und Sozialstandards würden das Hermes-Instrument bürokratisch überfrachten und gerade für den Mittelstand unbrauchbar machen. Das Argument, dass die Hermes-Exportgarantien ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Exportförderung zu sehen sind, ist nicht haltbar. Zur nachhaltigen Erhaltung von politischer und sozialer Stabilität in den Bestellerländern ist es nämlich auch erforderlich, dass nur umwelt- und sozialverträgliche Projekte finanziert werden. Dies ist letztendlich auch im Interesse der Industrie und der Garanten, da Umwelt- und Sozialkatastrophen zunehmend zu bedeutenden Risikofaktoren im Hinblick auf die finanzielle Überlebensfähigkeit von Projekten werden /Angelika Köster-Loßack, Frankfurter Rundschau, 08.03.2001/. <>