Singapurs Hausmädchen erhalten Unterricht gegen Hochhaus-Stürze
20. Februar 2004
Von Alex Flor
Die folgende – auch von anderen Agenturen verbreitete – Meldung stellt die Tatsachen leider etwas verkürzt dar. Immerhin wird erwähnt, dass in den letzten Jahren ca. 100 Haushaltshilfen aus Indonesien in Singapur den Tod fanden. Die Todesursache war fast immer die selbe: Sturz aus dem Hochhaus. Ein normales Risiko beim Wäscheaufhängen? Dann sollte man annehmen dürfen, dass auch etliche singapuresische Hausfrauen, die ihre Wäsche selbst aufhängen müssen, dieses Schicksal erleiden.
„Wie man nicht aus dem Fenster fällt“ (Überschrift in der heutigen Ausgabe der Berliner Zeitung) sollte weniger ein Thema für Nachhilfekurse als vielmehr Anlass kriminalistischer Untersuchungen sein. Indonesische NGOs und Gewerkschaften klagen seit langem über die Arbeits- und Lebensbedingungen ins Ausland verschickter Haushaltshilfen. Hunderttausende Dienstmädchen arbeiten in den Golfstaaten, in Malaysia, Taiwan, Hongkong, Singapur und anderswo, alleine in Singapur wird ihre Zahl auf etwa 40.000 geschätzt. Probleme werden aus allen diesen Staaten gemeldet – nicht zuletzt aus Indonesien selbst, wo heimkehrende Haushaltshilfen oft um ihr Erspartes beraubt werden. Mit der Zahl „tödlicher Arbeitsunfälle“ nimmt Singapur jedoch einen traurigen Spitzenplatz ein. NGOs, die sich um das Schicksal der Arbeitsmigrantinnen kümmern, vermuten, dass es sich in den wenigsten Fällen um Unfälle handelt, sondern vielmehr um Mord bzw. Selbstmord aus Verzweiflung über die sklavenhaftähnlichen Lebensbedingungen. Immerhin 22 Arbeitgeber wurden zwischen Januar 2001 und Juni 2003 von Gerichten in Singapur wegen Misshandlung ihrer Hausangestellten zu Gefängnisstrafen verurteilt.Der indonesische Staat und viele Familien sind dringend auf die Devisen angewiesen, die die Haushaltshilfen im Ausland erwirtschaften. Allzu lange wurde deshalb über deren Schicksal geschwiegen. Selbst die Ein- und Ausreise am Flughafen Jakarta wird mit äußerster Diskretion abgewickelt. Um Touristen und Geschäftsreisende nicht zu irritieren, werden die Haushaltshilfen an Terminal 3 abgefertigt – fernab der beiden Terminals für den regulären Reiseverkehr.
Jetzt sollen Ausreisen nach Singapur nur noch über die Insel Batam erfolgen, wo auch die Kurse im Wäscheaufhängen und die Prüfung rudimentärer Sprachkenntnisse erfolgen soll. Eine völlig unzureichende Maßnahme, aber immerhin Anzeichen dafür, dass in beiden betroffenen Staaten zumindest die von den NGOs vorgebrachten Klagen über die bestehenden Verhältnisse vernommen wurden.
Schade eigentlich, dass die Presse erst durch kuriose Schlagzeilen wie „Unterricht gegen Hochhaus-Stürze“ aufmerksam wird. Hundert Tote in fünf Jahren sind für sich genommen offenbar keine Meldung wert. <>
Tiroler Tageszeitung, 20. Februar 2004
Singapurs Hausmädchen erhalten Unterricht gegen Hochhaus-Stürze
Nach fast hundert Todesfällen seit 1999
Singapur (APA) – In Singapur werden Hausmädchen jetzt in speziellen Kursen darin unterwiesen, wie sie Stürze aus Hochhäusern vermeiden können. Nachdem seit 1999 fast 100 aus Indonesien stammende Hausmädchen beim Fensterputzen oder Wäscheaufhängen in den Tod stürzten, sollen die Schulungen ab April für alle neuen Hausangestellten in dem Stadtstaat Pflicht sein, wie die „Straits Times“ am Donnerstag berichtete.
Den Frauen wird in den Kursen unter anderem beigebracht, die vor den Fenstern angebrachten Bambusgerüste zum Wäschetrocknen nicht zu überladen und sich beim Putzen nicht aus dem Fenster oder vom Balkon zu lehnen. Ein drastisches Video zeigt den zerschmetterten Körper eines zu Tode gestürzten Dienstmädchens und die Warnung: „Pass auf, dass dir das nicht passiert.“
Die meisten Singapurer leben in Hochhaus-Apartments. Rund 140.000 Dienstmädchen arbeiten in dem Stadtstaat – die meisten von ihnen stammen aus armen Dörfern in Indonesien oder auf den Philippinen und haben nie zuvor in einem Hochhaus gewohnt. <>