Zahlenrätsel um deutsche Panzerlieferungen nach Indonesien
Information und Analyse, 31. Oktober 2012
von Alex Flor
Der Panzer „Leopard Revolution“ wurde für den Straßenkampf modifiziert
Laut Meldungen der Deutschen Presseagentur (dpa) liegt die Zahl der nach Indonesien zu liefernden Leopard-Panzer deutscher Herkunft höher als bisher bekannt. War bislang „nur“ von 100, bzw. später von 103 Leoparden die Rede, so meldete dpa am 29. Oktober 2012, dass in Jakarta am 7. November eine Absichtserklärung über den Kauf von 130 Panzern dieses Typs unterzeichnet werden solle. Als Partner des Waffendeals wurde der Hersteller Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) genannt.
Zahlreiche deutsche Pressemedien griffen diese Meldung auf. Dafür gebührt der dpa unser Dank, denn kleine Nichtregierungsorganisationen wie Watch Indonesia! tun sich schwer damit, Nachrichten über Rüstungslieferungen nach, bzw. Menschenrechtsverletzungen in Indonesien in die Medien zu lancieren.
Schade ist nur, dass eine so bedeutende Agentur wie dpa offenbar nicht ausreichend prüft, ob die von ihr verbreiteten Nachrichten auch den Tatsachen entsprechen. Die in vielen Zeitungen verbreitete Sensationsmeldung von gestern scheint nämlich lediglich das Ergebnis eines Zahlendrehers zu sein. Bereits vor Wochen berichtete Watch Indonesia!, dass Indonesien in Deutschland 103 (statt wie zuvor genannt 100) Leopard-Panzer zu kaufen sucht (s. www.watchindonesia.org/13917/deutsche-panzer-fuer-indonesien?lang=de).
Wem auch immer die Unaufmerksamkeit geschuldet sein mag: laut unserer Quellen ist weiterhin von 103 und nicht von 130 Leopard-Panzern die Rede. So schrieb das seriöse indonesische Nachrichtenportal TEMPO (www.tempo.co) gestern, am 30. Oktober 2012, Indonesien werde für einen Gesamtpreis von 287 Mio. US$ (217 Mio. €) 40 Panzer des Typs Leopard 2A4, 63 Panzer des Typs Leopard 2 Revolution, 10 Leopard-Bergungspanzer sowie 50 Schützenpanzer des Typs Marder 1A3 kaufen. Die Ankunft jeweils eines Prototyps des Leopard 2A4 sowie des Leopard 2 Revolution werden noch diese Woche erwartet – pünktlich zur Vorführung auf der Waffenmesse „Defence Expo“, die vom 7.-10. November stattfinden soll.
Während dessen enträtselte die Financial Times Deutschland das Dementi des Leopard-Produzenten KMW, dessen Sprecher Kurt Braatz gegenüber der dpa erklärte: „Krauss-Maffei Wegmann liefert keine Panzer nach Indonesien“. Die Financial Times Deutschland recherchierte, dass die Panzerlieferung durch Rheinmetall, und nicht durch den Hersteller KMW erfolgen soll. Watch Indonesia! hatte unter Berufung auf indonesische Tageszeitungen bereits am 20. September 2012 berichtet, dass das indonesische Verteidigungsministerium mit dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall in Verhandlungen stehe.
(www.watchindonesia.org/13917/deutsche-panzer-fuer-indonesien?lang=de).Mittlerweile korrigierte auch die dpa ihre Zahlen. Nach neuester dpa-Lesart handele es sich nun „stattdessen um 100 Leopard- und 50 Marder-Panzer, sowie sieben weitere Panzer, die als Rettungsgeräte eingesetzt werden.“ Weiter heißt es: „Bei den Leopard-Panzern geht es nach indonesischen Angaben teilweise um den Mitte der 80er Jahre entwickelten Typ 2A4, der von Rheinmetall modernisiert wurde und nun unter dem Namen «MBT Revolution» verkauft wird. Die Modernisierung diente unter anderem dazu, die Eignung des 2A4 für den Straßenkampf zu verbessern.“ (dpa, 30.10.2012)
Straßenkampf?
Lesen wir noch mal in Ruhe: 63 der 103 zu exportierenden Leopard-Panzer werden dem von der Firma Rheinmetall „für den Straßenkampf verbesserten“ Typ Leopard Revolution angehören. Anlässlich des Staatsbesuches von Bundeskanzlerin Merkel im Juli dieses Jahres erklärte der Staatspräsident Indonesiens, Susilo Bambang Yudhoyono, „dass sein Land Rüstungsgüter nur für ein stehendes Heer brauche, um die Region weiterhin stabil zu halten. Sein Land habe nie Panzer oder Hubschrauber gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt und werde dies auch nicht tun.“ (dapd, 10.7.2012)
Dem letzten Weißbuch der indonesischen Streitkräfte (TNI) sind keine äußeren Bedrohungen zu entnehmen, die in einem Straßenkampf enden könnten. Solange die Rolle des indonesischen Militärs nicht eindeutig auf die Landesverteidigung beschränkt ist, muss zu jeder Zeit damit gerechnet werden, dass deutsche Panzer auch gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden. Wozu sonst sollten „für den Straßenkampf verbesserte“ Panzer nützlich sein?
Insbesondere in den beiden Provinzen Papua und Westpapua sind Menschenrechtsverletzungen durch das indonesische Militär nach wie vor an der Tagesordnung, berichtete Markus Haluk, ein prominenter Menschenrechtsverteidiger aus Papua, dieser Tage im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung von Watch Indonesia!. Er begrüßte nachdrücklich die deutlichen Worte der Bundesregierung vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Die in diesem Forum geäußerten Fragen und Empfehlungen Deutschlands an die Regierung Indonesiens seien mutig und richtig gewesen.
Vor diesem Hintergrund zeigten die geplanten Rüstungslieferungen jedoch eine kaum nachvollziehbare Doppelgesichtigkeit der Bundesregierung. Markus Haluk verweist ein weiteres Mal auf die prekäre Menschenrechtssituation in Papua: „Deutschland wird durch Waffenlieferungen mitverantwortlich.“