Drei Jahre Haft für den Ex-Gouverneur

Neues Deutschland, 16.08.2002

Menschenrechtsverbände kritisieren milde Urteile

Von Monika Schlicher und Alex Flor

Neues-DeutschlandIn Jakarta wurden die ersten Urteile des Ad-hoc-Menschenrechtstribunals zu Osttimor gefällt. Nur der frühere Gouverneur Abilio José Osorio Soares muss für drei Jahre ins Gefängnis. Sechs Sicherheitsoffiziere wurden freigesprochen.

Mit Spannung hatte man die ersten Urteile in den Prozessen wegen der 1999 in Osttimor begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen erwartet. Doch alle Hoffnungen der Menschenrechtler sind enttäuscht worden. Der Ex-Polizeichef Timbul Silaen konnte sich gestern zusammen mit fünf weiteren Sicherheitsoffizieren über einen Freispruch freuen. Bloß Soares, der Ex-Gouverneur der Inselhälfte, deren Bevölkerung sich eindeutig für die Unabhängigkeit entschieden hat, wurde am Mittwoch verurteilt. Das Tribunal in Jakarta sprach ihn schuldig, nichts gegen vier Massaker unternommen zu haben. Mit drei Jahren Haft kam er aber glimpflich davon.

Bereits in der Anklageschrift gegen Soares machte der Staatsanwalt deutlich, dass sie keineswegs dazu beitragen wollte, die 25-jährige Gewaltherrschaft Indonesiens in Osttimor zu hinterfragen. Ihr gefordertes Strafmaß von zehneinhalb Jahren überstieg das gesetzliche Mindeststrafmaß von zehn Jahren um lediglich sechs Monate und kann daher übersetzt werden mit „wir befinden auf irgendwie schuldig“. Die Eskalation der Gewalt vor und nach dem Referendum 1999, die vom indonesischen Militär geplant und mittels der vom Militär ausgerüsteten Milizen begangen wurde, hat die Anklage als bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien dargestellt – eine Interpretation, der das Gericht folgte. Dass es sich mit seinem Urteil auf einen Mittelweg eingelassen hat, grenzt an offenen Gesetzesbruch. Wenn es nach Recht und Gesetz gegangen wäre, hätte Soares entweder freigesprochen werden oder aber zu einer Haftstrafe von zehn oder mehr Jahren verurteilt werden müssen.

Wie es in der Begründung hieß, habe ein Brief des Präsidenten von Osttimor, Xanana Gusmão, zu dem milden Urteil beigetragen. Xanana hat das Gericht – wohl im Interesse gut nachbarschaftlicher Beziehungen zu Indonesien – aufgefordert, von einer harten Bestrafung des Angeklagten abzusehen. Als Osttimorer sei Soares bereits zur Genüge damit bestraft, jetzt im Exil leben zu müssen, erklärte der Präsident. Er selbst war von Indonesien zu 20 Jahren Haft verurteilt worden, von denen er sieben Jahre in einem Gefängnis in Jakarta absitzen musste. Das Gericht nahm seine Argumentation dankbar auf und erklärte, ein hartes Urteil sei dem angestrebten Versöhnungsprozess nicht dienlich. Die Bildung einer zu diesem Zwecke vorgesehenen Wahrheitskommission lässt jedoch auf sich warten.

Doch Soares war keineswegs das kleine Rädchen im Getriebe, als das er sich im Prozess darzustellen versuchte. Eine aktive Mitwirkung des Gouverneurs bei der Aufstellung der Milizen, die auf dem Hof seines Gouverneurspalastes in Dili vereidigt wurden, wäre wohl leicht zu beweisen gewesen, wenn die Behörden dies versucht hätten. Schon vor der Invasion 1975 setzte er als Führer einer pro-indonesischen Splitterpartei auf Einschüchterung durch pro-indonesische Milizen. Ein neutrales Verhalten von Soares darf auch im Falle des Angriffs auf das Anwesen von Manuel Carrascalão, dem Leiter der Versöhnungsbewegung zur Einigung des osttimorischen Volkes bezweifelt werden. Bei dem Überfall wurden laut Anklage 1999 mindestens 12 Menschen getötet.

Die Wahrheit wurde nun politischen Interessen geopfert, die von dem Militär und den nach wie vor starken nationalistischen Kräften Indonesiens vertreten werden. Dass die Forderung vieler Menschenrechtsorganisationen nach einem internationalen Tribunal nicht durchzusetzen war, erweist sich im Nachhinein als Fehler. Für die Opfer der Gewalt in Osttimor sind die Urteile ein Schlag ins Gesicht.<>


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