Ramos-Horta und die Gewalt
Neues Deutschland, 06. März 2003
Von Alex Flor
José Ramos-Horta, Außenminister Osttimors, drückt gerne auf die Tränendrüse. Die Hälfte seines jüngsten Kommentars zum Irakkonflikt in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« handelt von seinem persönlichen Schicksal – von den Brüdern und Schwestern, die der Gewaltherrschaft Indonesiens über Osttimor zum Opfer fielen. Auch die US-Amerikaner hatten sich an ihrem Tod schuldig gemacht. Eine Rakete, abgeschossen aus einem von den USA gelieferten Flugzeug, zerfetzte Ramos-Hortas jüngere Schwester.
Aber nach Ansicht des Friedensnobelpreisträgers haben die USA und alle anderen Staaten, die jahrzehntelang die indonesische Herrschaft über Osttimor stützten oder zumindest duldeten, »alle ihre Fehler wettgemacht«. Der Einsatz der internationalen Friedenstruppe INTERFET brachte Osttimor die Unabhängigkeit. Doch die hat enge Grenzen. Osttimor ist wie kaum ein anderes Land abhängig von internationaler Hilfe. Kritik an ehemaligen Unterstützern der Besatzungsmacht wie Australien oder den USA scheint sich daher zu verbieten.
Es ist eine undankbare Rolle, die José Ramos-Horta und sein Präsident Xanana Gusmão zu spielen haben. Als die von der UNO assistierte Staatsanwaltschaft ihres eigenen Landes vor wenigen Tagen Anklage gegen hohe Militärs Indonesiens wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen von 1999 erhob, beeilten sich Horta und Gusmão, sich von der Anklage zu distanzieren. Horta reiste umgehend nach Jakarta, um die Wogen zu glätten. Aber ist es wirklich nötig, sich in vorauseilendem Gehorsam selbst da anzubiedern, wo man gar nicht um seine Meinung gefragt ist?
Noch im November sprach Horta in Berlin von der äußerst geringen Rolle, die Osttimor in der Welt spielen könne. Doch nun will er die Millionen zählende Friedensbewegung in aller Welt zensieren: die Drohung mit Gewalt sei notwendig und schon »die Debatte [darum] schwächt das Mittel«.
Mit dieser Anbiederung an die USA setzt Ramos-Horta einmal mehr die Sympathien ehemaliger Mitstreiter aus der Solidaritätsbewegung in vielen Ländern der Welt aufs Spiel. Der dieser Bewegung entwachsene junge Staatsmann mag diesen Preis für bezahlbar halten. Fraglich bleibt jedoch, ob der große Häuptling im Weißen Haus überhaupt Notiz von seinem ergebenen Anhänger nimmt. <>