Zeitschrift SUARA

Angesagt – aus der Arbeit von Watch Indonesia!

Berlin, August 2012

Suara Nr. 2/2012

Nr. 9, April 2012 – Juni 2012

 

Kultur, Identität und Politik in Indonesien

Große Resonanz fand der Vortrag von Alex Flor an der Universität Bonn am 25. April 2012. Der Vortrag gliederte sich ausgehend von der Kolonialzeit entsprechend der politisch-historischen Entwicklung Indonesiens. Flor verdeutlichte, wie schwer es einem Staat fällt, zu einer eigenen Identität zu finden, wenn sein Territorium und die Bevölkerungszusammensetzung nicht historisch gewachsen sind, sondern bis heute die einstige Fremdbestimmung widerspiegeln. Präsident Sukarno versuchte sich mit teilweise verwegenen Mitteln im »nation building«. Nachfolger Suharto sah die Bildung einer gemeinsamen Nation als vollendet an und verordnete mit diktatorischen Maßnahmen eine Einheit, die in Wirklichkeit noch nicht existierte. Die zwangsweise verdeckten Brüche traten nach Suhartos Rücktritt in umso stärkerem Ausmaße zu Tage. Offene, bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen in bestimmten Regionen, die zu Beginn der Reformära das Bild prägten, scheinen einstweilen überwunden zu sein. Gleichwohl verschärfen sich Konflikte, die auf eine zunehmend an religiösen Moralvorstellungen orientierte Gesellschaft in ganz Indonesien zu resultieren scheinen.
Das Manuskript des Vortrages kann beim Autor (flor@watchindonesia.org) angefordert werden.

Menschenrechte – immer noch eine Aufgabe für die Kirche!

Menschenrechte_KircheMit der Absicht die Menschenrechtsarbeit der verschiedenen Werke der evangelischen Kirche stärker zu bündeln, wurde von der EKD, Brot für die Welt, dem Diakonischen Werk und der VEM die Plattform Menschenrechte gegründet. Eine hochkarätig besetzte Tagung im Haus Villigst in Schwerte am 26./27. April stellte die Auftaktveranstaltung der Plattform dar. Von Watch Indonesia! waren zwei VertreterInnen eingeladen. Gemeinsam mit Sonja Parera-Hummel (VEM) gab Alex Flor den Input zum Workshop »Religionsfreiheit am Beispiel Indonesien«. Anhand der aus unterschiedlichen Perspektiven eingebrachten Beispiele ergab sich große Übereinstimmung darüber, dass insbesondere religiöse Minderheiten, Atheisten, aber auch christliche Kirchen zunehmend unter Druck geraten und häufig zu Opfern von Menschenrechtsverletzungen werden. Übereinstimmung bestand aber auch dahingehend, dass sich ein zunehmender Fundamentalismus keineswegs auf den Islam beschränkt. Diskutiert wurde folglich u.a. darüber, ob Religion grundsätzlich als Problem anzusehen sei oder nicht auch Chancen und Potenziale zur Überwindung von Konflikten beinhaltet.

In den Workshop »wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte« (WSK) führte Dr. Martin Quack von Brot für die Welt mit einer Übersicht über Handlungsstränge kirchlicher Organisationen ein. Marianne Klute von Watch Indonesia!, die zugleich das West-Papua-Netzwerk vertrat, zeigte anhand von Karten, Fotos und Daten die aktuelle Bedrohung der WSK-Rechte am Beispiel Papuas auf. Basierend auf den beiden Einstiegsreferaten entwickelten die TeilnehmerInnen ein Mapping der Verletzung von WSK-Menschenrechten. Speziell die Landrechtsproblematik durch die zunehmende Ausbeutung der Naturressourcen kristallisierte sich in der Diskussion als drängendstes Problem heraus, der sich verantwortungsvolle kirchliche Entwicklungsarbeit stellen muss. Ergebnis des Workshops waren Empfehlungen an die kirchliche Arbeit.

Tagungsdokumentation:

Jochen Motte, Theodor Rathgeber [Hrsg.]
Menschenrechte – immer noch eine Aufgabe für die Kirche
ISBN 978-3-938180-28-0

Social Problems and Human Rights in Papua«

Die Indonesische Gesellschaft für die Glaubensfreiheit in Berlin veranstaltete am 29. Mai eine Podiumsdiskussion mit Vertretern des Volksvertretungsrates der Papua (Majelis Rakyat Papua, MRP). Zielpublikum war die in Berlin lebende indonesische Gemeinschaft, die sich mit dem Thema Papua oftmals noch schwer tut. Die gesamte Veranstaltung fand daher in indonesischer Sprache statt. Als Vertreter von Watch Indonesia! war Alex Flor als Diskutant aufs Podium geladen. Warum auch immer konnten oder wollten die Podiumsgäste aus Papua zu den angesprochenen Themen jedoch nicht ernsthaft Stellung nehmen. Sie reagierten ausweichend oder redeten schlicht am Thema vorbei. Viele BesucherInnen zeigten sich enttäuscht. 

Veranstaltungen bei Watch Indonesia!

Am 21. Mai war Itan Kussaritano von der Umweltorganisation Mitra Lingkungan Hidup Kalimantan Tenggah bei uns zu Gast. Itan kam auf Einladung von Urgewald nach Deutschland, um auf die enormen Schäden durch den Kohlebergbau in Kalimantan aufmerksam zu machen. Zusammen mit Urgewald setzt er sich gegenüber Finanzinstituten wie Commerzbank und Allianz Versicherung dafür ein, dass diese mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Anleihen und Aktien an dem Bergbauunternehmen BHP Billiton abstoßen, denn »mit ihrer Unterstützung ermöglichen sie die Umweltzerstörung«, sagte Itan.
Umweltschäden, Vertreibungen, soziale Umwälzungen und Landrechtsprobleme in Kalimantan seien im Vergleich zur Palmölproblematik oder der Gold- und Kupfermine Freeport in Papua noch unzureichend dokumentiert und beachtet. »Wir stehen hier erst am Anfang, und wir reden über Minen, über die in Indonesien nicht öffentlich geredet werden darf. Viele Konzessionen für Palmölplantagen überlappen sich mit Konzessionen zum Kohlebergbau. Wir treffen auf die immer gleichen, mächtigen Konzerne.«

Mit 20 Gästen gut besucht war unsere Filmveranstaltung »The Women and the Generals« (Maj Wechselman, Schweden, 2011) am 29. Mai. Der bewegende Film gibt den Opfern der Suharto-Diktatur eine Stimme und ein Gesicht. Er führt in ein Altersheim der besonderen Art in Jakarta. Hier leben 22 Frauen, die zusammen gerechnet 211 Jahre im Gefängnis verbracht haben – alle ohne Gerichtsverfahren. Die Frauen stehen stellvertretend für Hunderttausende vermeintlicher und tatsächlicher Kommunisten, die zwischen 1965 und 1968 inhaftiert wurden.

Anett Keller, die die Bewohnerinnen des »65er Altersheimes« porträtierte, berichtete im Anschluss an den Film über aktuelle Entwicklungen bzgl. des Untersuchungsberichtes der Nationalen Menschenrechtskommission (Komnas HAM) und eine in Aussicht gestellte Entschuldigung des Präsidenten. Von einem innergesellschaftlichen Aussöhnungsprozess ist Indonesien noch weit entfernt und es braucht noch viele Schritte, um diese dunkle Periode zu enttabuisieren. Dazu ist es nach wie vor notwendig, auch international mehr Öffentlichkeit für das Thema zu schaffen.

Am 2. Juli besuchte uns Bosman Batubara von der NGO Lafadl, die sich um die Opfer des von der Bergbaufirma Lapindo ausgelösten »Schlammvulkans« in Ostjava kümmert und berichtete über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe des Falles. 

Teilnahme an Veranstaltungen

Am 10. Mai besuchten wir die Veranstaltung des Deutschen Instituts für Menschenrechte »Ein umkämpftes Menschenrecht: Die Religionsfreiheit im Kontext der Vereinten Nationen« mit Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Prägnant brachte Bielefeldt die Probleme der Religionsfreiheit und die aktuellen Eskalationen in Indonesien auf den Punkt. Indonesien stehe ganz oben auf der Liste der Länder, denen er einen Besuch abstatten möchte. Dazu benötige er allerdings eine Einladung der Regierung von Indonesien, die ihm bislang nicht erteilt wurde.

In vielen Ländern ist die Zivilgesellschaft ein wichtiger Akteur für Demokratisierungs- und Veränderungsprozesse geworden. Gleichfalls sieht sie sich in einer Reihe von Staaten zunehmend Einschränkungen bis hin zu Kriminalisierung ausgesetzt, heißt es im Positionspapier der Fachgruppe Zivilgesellschaft der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE). Die Fachgruppe hatte am 12. und 13. Juni in Berlin zur Tagung »Handlungsräume werden der Zivilgesellschaft nicht geschenkt: Strategien zu ihrer Stärkung« geladen, um mit Fachpublikum ihre Handlungsempfehlungen zu diskutieren. Monika Schlicher beteiligte sich an der Arbeitsgruppe zum Schutz von  Menschenrechtsverteidigern.

Alex Flor besuchte am 13. Juni den Asien-Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag unter dem Titel »Asiens neue Gestaltungsmächte – Werte, Wirtschaft, Weltordnung«, auf dem Experten aus Politik, Wirtschaft und Medien ein Konzeptpapier zur neuen Asienstrategie der Fraktion zur Diskussion vorgestellt wurde. Prominenter Gastredner auf der Veranstaltung war Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle.
http://veranstaltungen.cducsu.de/veranstaltungen/asiens-neue-gestaltungsmaechte-werte-wirtschaft-weltordnung
http://www.asienhaus.de/public/archiv/2012-Hansen_CDUCSU-Asienstrategie.pdf

Das Mauerpark Institut Berlin e.V.  lud am 13. Juni ein zum Vortrag »Transnationale Solidarität aus der Sicht indonesischer sozialer Bewegungen und Gewerkschaften« von Anwar ‚Sastro‘ Ma’ruf, Vorsitzender der Working People’s Association, Indonesien. Alex Flor folgte der Einladung und traf sich am folgenden Tag zusammen mit weiteren Mitgliedern von Watch Indonesia!  mit Sastro zu einem vertiefenden Gespräch.


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