Friedenshoffnungen über Trümmern

epd, 28. Dezember 2004

Aus der schwer zerstörten indonesischen Bürgerkriegsprovinz Aceh kommen apokalyptische Bilder

Von Elvira Treffinger (epd)

epdFrankfurt a.M. (epd). Der BBC-Reporterin fehlten die Worte für die Stille und den Geruch des Todes über den Ruinen. «Die wunderschöne Hauptmoschee ist fast das einzige Gebäude, das unbeschädigt ist», berichtete die Britin Rachel Harvey am Dienstag aus der Provinzhauptstadt Banda Aceh im Norden der indonesischen Insel Sumatra. Ihre Fernsehbilder zeigten ein weißes Gebäude mit Kuppeldächern, das inmitten einer Trümmerlandschaft steht.

Die Journalistin gehörte zu den ersten Ausländern, die in die schwer zerstörte Provinz gelangten. In Aceh herrscht Bürgerkrieg. Die Provinz ist seit anderthalb Jahren abgeriegelt. «Überall liegen Leichen verstreut», so die BBC-Reporterin.

Wegen seiner Nähe zum Epizentrum des Seebebens wurde Aceh von einem Erdbeben und von Flutwellen getroffen. Die Regierung gab die Zahl der Toten am Dienstag mit 19.000 an. Sie wird wohl weiter steigen. Die «Jakarta Post» schrieb von apokalyptischen Szenen, wie Überlebende in der Tropenhitze Massengräber für die verwesenden Leichen aushoben.

Das ganze Ausmaß der Zerstörung in Aceh ist noch unbekannt. Viele Gebiete sind nicht zugänglich, die Telefonnetze brachen zusammen. Ein Team von «Ärzte ohne Grenzen» reiste am Dienstag nach Banda Aceh. Die Regierung entschied schließlich, die Provinz für ausländische Helfer und Journalisten zu öffnen.

Die BBC-Reporterin beobachtete erste einheimische Hilfsaktionen, «ein Tropfen im Ozean». Es fehle an Wasser, Lebensmitteln, Medizin, Treibstoff. Der Ort Meulaboh wurde nach Armeeangaben zu 80 Prozent zerstört.

Inmitten der Verwüstung keimen Friedenshoffnungen. Die Armee und die Rebellen der Unabhängigkeitsbewegung «Freies Aceh» verkündeten wegen der Not eine Waffenruhe – aber unabhängig voneinander, das Misstrauen sitzt tief. Der Militärchef von Aceh, General Endriartono Sutarto, warnte denn auch die Rebellen, die Situation nicht auszunutzen. Die Armee hat mindestens 377 Angehörige durch die Katastrophe verloren.

Auch Marianne Klute von der Menschenrechtsorganisation «Watch Indonesia» in Berlin hofft, dass die Waffen in Aceh schweigen. Noch an Weihnachten habe die Armee Rebellen erschossen, zur gleichen Zeit, als das Erdbeben kam, sagte sie dem epd. Mindestenst 12.000 Menschen starben in dem Konflikt in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

«Ein Pluspunkt ist, dass die Armee gut ausgebildet und in Hilfseinsätzen erfahren ist», erläutert Klute. Allerdings könnte das jetzige Durcheinander von den Konfliktparteien auch für Racheakte genutzt werden. Im Mai 2003 hatte das Militär nach dem Scheitern eines Friedensprozess eine neue Offensive gestartet. Die Regierung setzte auf einen militärischen Sieg über die Rebellen, verhängte den Ausnahmezustand und riegelte die Provinz ab.

Mit 55.000 Quadratkilometern ist Aceh etwas größer als Niedersachsen. Die 4,3 Millionen Einwohner bilden eine strenggläubige Minderheit unter den indonesischen Muslimen. Aceh gilt als «Veranda von Mekka», weil der Islam diese Region zuerst erreichte. Das einstige Sultanat ist reich an Erdöl, Erdgas, Holz, Kautschuk, Kaffee und Palmöl. Von den Erlösen fließt nur ein Bruchteil in die Region.

Die Benachteiligung und die Brutalität des indonesischen Militärs sind Hauptgründe des blutigen Konflikts. 1976 nahm die «Bewegung Freies Aceh» (Gerakan Aceh Merdeka) den bewaffneten Kampf für die Unabhängigkeit auf. Das Militär antwortete vor allem in den 90er Jahren mit harter Gewalt, auch gegen Zivilisten. Ein Referendum über die Unabhängigkeit lehnte die Regierung strikt ab. (14056/28.12.2004)


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