Hilfe mit Auflagen
neue bildpost Nr. 3, 13. Januar 2005
Militär und Korruption behindern Arbeit in Aceh
Von MATTHIAS NÜCKEL
„Die Katastrophe hat die indonesische Regierung gezwungen, die Provinz zu öffnen. Hilfsorganisationen wurden nach Aceh gelassen. Das könnte eine neue Chance für die Menschenrechtspolitik sein“, meint Marianne Klute von Watch Indonesia. Die Zukunft von Aceh nach der Tsunami-Welle ist für die in Berlin ansässige Menschenrechtsorganisation für Indonesien mit Hoffnungen und Befürchtungen verbunden.
Daß die internationale Gemeinschaft in Aceh präsent ist – nicht zuletzt auch durch die US-Armee und die Bundeswehr – weckt Hoffnungen. Zudem sind mit Aceh viele internationale Interessen verbunden. Die Amerikaner hätten ein Interesse daran, daß die strategisch wichtige Straße von Malakka offen sei, betont Klute. Und in Aceh gebe es Gasvorkommen. So sei auch Esso in Aceh präsent.
Auf der anderen Seite allerdings fürchtet Watch Indonesia, daß das indonesische Militär das Chaos nutzen könne, um verstärkt Jagd auf Separatisten zu machen. „Auch in den letzten Tagen hat es Kämpfe gegeben“, so Marianne Klute. Zudem habe das Militär die Hälfte seines Personals nach eigenen Angaben nicht für die Katastrophenhilfe abgestellt.
Aceh hat eine lange Geschichte von Krieg und Isolation hinter sich. In der nördlichsten der indonesischen Provinzen im Norden der Insel Sumatra gab es immer wieder Unabhängigkeitsbestrebungen. Während der Kolonialzeit kämpfen die Aceher gegen die Holländer, dann gegen die Japaner. Auch nach der Unabhängigkeit Indonesiens hielten die Kämpfe an. 1953 kam es in Aceh zur Proklamation eines Staates. Ein fast zehn Jahre dauernder Krieg war die Folge, obwohl Aceh schon 1957 einen Sonderstatus als Provinz erhielt.
1976 proklamierte eine Gruppe um den Aceher Tiro erneut die Unabhängigkeit der Provinz. Jakarta reagierte hart, das indonesische Militär griff ein und zerschlug die Bewegung. Tiro mußte ins Ausland fliehen. Die Separatisten wurden staatsgefährdend genannt und gingen in den Untergrund. Dort bekamen sie weiterhin Zulauf und verübten von ihren Verstecken aus Anschläge und Morde. Bei Wahlen gewinnt bis heute immer die islamische Partei, was sonst nirgendwo in Indonesien der Fall ist.
1989 bis 1999 war Aceh erneut militärisches Operationsgebiet. Das Militär ging hart gegen Aufständische vor. Nach einem kurzen Rückzug ging das Militär schnell wieder in die Provinz, um Separatisten zu bekämpfen. Von Mai 2003 bis Mai 2004 galt der militärische Notstand. Entwicklungshilfeorganisationen mußten die Provinz verlassen.
Durch die Flut sind sie nun wieder da. Doch das Militär ist ebenfalls noch vor Ort. So gibt es trotz der überwältigenden Soforthilfe Probleme bei der Verteilung. Von der ohnehin geringen Infrastruktur an Straßen und Brücken sei vieles zerstört worden, berichtet Marianne Klute. Zum anderen behindere das Militär die Verteilung der Güter. „Das Militär verteilt, was auf dem militärischen Flughafen in Banda Aceh ankommt, und es verlangt Gebühren“, sagt die Mitarbeiterin von Watch Indonesia.
Daß die Militärs eine solche Macht ausüben können, liegt an deren Struktur in Indonesien. Das Militär ist ein Staat im Staat. „Der Militärhaushalt wird nur zu 30 Prozent aus dem Staatsbudget bestritten, der Rest ist Eigenfinanzierung“, sagt Klute. So habe das Militär eigene Unternehmen und sei an anderen Firmen beteiligt. Es verlange Abgaben und sei auch in illegale Geschäfte wie den Drogenhandel verwickelt.
Internationale Hilfe für den Wiederaufbau in Indonesien sollte deshalb nach Meinung von Watch Indonesia mit Auflagen verbunden sein. Dazu gehörten die Kontrolle des Militärhaushaltes, weitere Demokratisierung und der Kampf gegen Korruption. <>