Stunde der Wahrheit – nicht nur für Geber

Neues Deutschland, 14. Januar 2005

Katastrophenhilfe in Südostasien bedarf eines politischen Umfeldes, das Hilfe möglich macht

Von Alex Flor, »Watch Indonesia! e.V.«

Neues-DeutschlandAls Stunde der Wahrheit wurde die zweite Geberkonferenz für die von der Flutkatastrophe betroffenen Staaten bezeichnet, die diese Woche in Genf stattfand.

Staaten rund um den Globus versuchten einander in den vergangenen zehn Tagen zu überbieten, was die Höhe ihrer Fluthilfe anging. Immer schneller drehte sich das Rad: standen die versprochenen Gelder letzte Woche noch bei 1,5 Milliarden Dollar, so wird diese Summe heute schon alleine von den Zusagen der EU übertroffen. Deutschland übernahm vergangene Woche, als es 500 Millionen Euro in Aussicht stellte, kurzfristig die Führung, wurde aber umgehend von Australien überflügelt, das 1 Million Australische Dollar bereitstellte.

Die UN zeigte sich skeptisch, ob den vollmundigen Versprechungen auch Zahlungen folgen würden. In der Vergangenheit sei dies nicht immer so gewesen, man erinnere sich an das Erdbeben im iranischen Bam vor einem Jahr. In Genf bat die UN nun um Überweisungen für Soforthilfemaßnahmen in den ersten fünf Monaten in Höhe von 997 Millionen Dollar. Sie bekam umgehend 717 Millionen und zeigte sich damit sehr zufrieden.

Tags darauf traf sich der Pariser Club, das Konsortium der Gläubiger für die zum Teil hoch verschuldeten betroffenen Staaten. Alleine Indonesien steht mit 28,5 Milliarden Dollar beim Pariser Club in der Kreide, bei einer Gesamtverschuldung von 132 Milliarden. Der Schuldendienst belastet Indonesien mit jährlich rund 3 Milliarden Dollar – fast die dreifache Summe dessen, was die Regierung in Jakarta als Bedarf für den Wiederaufbau im zerstörten Aceh veranschlagt. Deutschland und Frankreich setzten sich zwar für weitergehende Erleichterungen ein, fanden hierfür aber keine Mehrheit. So gewährte der Pariser Club drei von der Flutkatastrophe heimgesuchten Staaten zunächst für ein Jahr die Stundung ihrer Schuldendienste.

Völlig unklar ist, ob das Schuldenmoratorium auf die von Berlin angekündigten 500 Millionen Euro Hilfsgelder angerechnet wird oder ob es sich hierbei um zusätzliche Mittel handelt. Wie zu hören ist, besteht darüber auch im Bundeskabinett noch Uneinigkeit.

Überhaupt ist noch ziemlich unklar, was mit dem vielen Geld genau passieren soll. Das riesige Ausmaß der Zerstörung in Indonesien, Sri Lanka und anderen Staaten und die Not der dort lebenden Bevölkerung lassen einen enormen Hilfsbedarf erkennen. Dennoch wird die Praxis zeigen, wie schwierig es ist, diese Not mit noch so viel Geld zu lindern. Einige karitative Organisationen sind von dem Geldsegen so überwältigt, dass sie bereits den Stopp ihrer Spendenkampagnen verkünden mussten. Die Organisation »Ärzte ohne Grenzen« etwa kann nicht einfach mit doppelt so viel Geld doppelt so viele Mediziner schicken. Die Kapazitäten sind begrenzt. Längerfristig konzipierte Hilfsprojekte bergen wieder andere Risiken in sich, beispielsweise erhöhte Korruptionsanfälligkeit.

Vor allem aber bedarf es eines politischen Umfeldes, das Hilfe möglich macht. Kurz nach dem Besuch von Bundesaußenminister Fischer in Jakarta verhängte das indonesische Militär rigide Verschärfungen der Kontrolle, die zur Folge haben, dass manche Gebiete nicht mehr versorgt werden können. Ausländische Militärs, die unermüdlich per Hubschrauber Lebensmittel und Trinkwasser in entlegene Gebiete transportieren, wurden ultimativ aufgefordert, das Land bis Ende März zu verlassen, obgleich Indonesiens Streitkräfte nicht in der Lage sein werden, die entstehende Lücke zu schließen. Die Bundesregierung und Millionen deutscher Spender müssen offenbar dankbar dafür sein, wenn ihre Hilfe angenommen wird. <>


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