Palmölsiegel auf dem Prüfstand
Information und Analyse, 30. Oktober 2018
Ein paar Einkaufshilfen von Watch Indonesia!
Flyerserie zu nachhaltigem Palmöl
von Alex Flor
Wer kennt das nicht? Ich stehe im Supermarkt und möchte ein Glas Honig kaufen. Das Regal mit den veganen Produkten konnte ich schon mal übergehen. Ich bin kein Veganer. Und bis ich einsehen werde, dass Imkerei ebenso ablehnungswürdig ist wie die Massentierhaltung von Schweinen oder Hühnern bedarf es noch einiger Stunden gezielter Überzeugungsarbeit.
Ich möchte Honig kaufen. Zum Frühstück will ich keinen Zwiebelpastetenaufstrich auf meinem Brot, sondern Honig. Oder Marmelade. Aber da ist möglicherweise Gelatine drin, gewonnen aus Schweineknochen. Für VeganerInnen wie auch für fromme Muslime und Muslima tabu alias »haram« (islamisch unrein).
Ich bin weder Veganer, noch Muslim. Ich kenne keine Ernährungstabus. Ich leide auch nicht unter Allergien oder anderen Unverträglichkeiten, die mich darin einschränken würden bestimmte Nahrungsmittel zu genießen. Ich kann und darf alles essen und trinken, wonach mir gelüstet. Und ich bin dankbar für dieses Privileg.
Doch ich bin auch ein verantwortungsbewusster Konsument. Ich möchte durch meinen morgendliches Honigbrot weder dazu beitragen, dass Umwelt und Klima geschädigt werden, noch dass Menschen unter Hungerlöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen dafür schuften müssen, damit der Preis eines Glases Honig in meinem Supermarkt eine bestimmte Preisschwelle nicht überschreitet.
Ich bin dankbar für ein weiteres Privileg, das ich genießen darf: denn ich gehöre zur Einkommensmittelklasse. Ein Euro mehr für ein Glas Honig gefährdet nicht mein monatliches Auskommen. Ich kann es mir leisten und bin bereit diesen einen Euro oder noch einen mehr für ein Glas Honig zu bezahlen, wenn ich mir dadurch das Gefühl erkaufen darf, etwas Gutes getan zu haben. Für die Umwelt, für die Menschen, für unser aller Zukunft!
Dennoch stehe ich immer noch ratlos vor dem Honigregal und sehe mir die Sorten und Marken an. Die Wahl der Sorte ist für mich zweitrangig. Blüten von dieser oder jener Pflanze? Egal. Honig ist immer süß und meistens lecker. Als verantwortungsbewusstem Konsumenten sind mir andere Kriterien wichtiger. Eine Marke schmückt sich mit einem Biosiegel. Das soll mir signalisieren, dass die Felder, auf denen die fleißigen Bienen diesen Honig gesammelt haben, ohne Pestizide bewirtschaftet werden. Dieser Bio-Honig stammt aus einem Land in Südamerika. Das Glas daneben trägt ein Fair Trade-Siegel. Das Herkunftsland ist ein Staat in Mittelamerika. Fair Trade heißt wohl, die ArbeiterInnen werden halbwegs vernünftig bezahlt, haben Zugang zu Krankenversorgung und Urlaubsanspruch und dergleichen mehr. Ob der fair gehandelte Honig auch »Bio« ist, verrät das Label nicht. Das daneben stehende dritte Glas verspricht ein Produkt »aus der Region« zu sein. Aus Brandenburg. Ich überlege: Bezahlung und soziale Sicherung sollten in Deutschland in aller Regel besser geregelt und kontrolliert sein als in Süd- oder Mittelamerika. Der kurze Transportweg des »Produkts aus der Region« ist ein weiterer Pluspunkt, denn er mindert den Energieverbrauch und somit die Klimabelastung. Aber wenn der Honig aus Brandenburg »Bio« wäre, dann würde es wohl sicher draufstehen? Tut es aber nicht. Zudem geht das Gerücht um, dass der Inhaber der Firma ein Mitglied der AfD sei. Das geht freilich gar nicht!
Andererseits: was weiß ich über die politische Einstellung der GenossenschafterInnen des Betriebes in Mittelamerika? Es entspricht reinem Wunschdenken, dass sie offener und fortschrittlicher eingestellt sind als der Imker in Brandenburg. Ich verfüge über keinerlei Kenntnisse darüber, dass es tatsächlich so ist, und ich selbst werde es wohl nie nachprüfen können.
Während all diese Gedanken durch meinen Kopf schießen, stehe ich noch immer ratlos vor dem Honigregal. Ich habe zu wenig Kenntnisse über die einzelnen Produkte und deren Siegel. Ich fühle mich nicht in der Lage, eine verantwortliche Kaufentscheidung zu treffen. Mit welchem Glas Honig ich durch die Kasse gehen werde, wird möglicherweise zur spontanen Zufallsentscheidung. Nicht ausgeschlossen, dass ich mich letztlich einfach für das billigste Produkt im Angebot entscheiden werde.
Ich habe nicht ewig Zeit, über ein Glas Honig nachzudenken. Ich brauche ja auch noch Klopapier. Und wow! Welche Vielfalt des Angebots erwartet mich auch vor diesem Regal!
Hier gibt es Klopapier, mit Siegel für chlorfreie Bleichung, Klopapier aus 100% Altpapier, Klopapier aus ungenutztem Restholz der deutschen Forstwirtschaft, ressourcensparendes zweilagiges Klopapier und andere Sorten mehr.
»Scheiß drauf!« – sorry für den Ausdruck. Aber welche KonsumentIn wäre aufgrund solcher Produktinformationen in der Lage, eine verantwortungsbewusste Kaufentscheidung zu treffen? Und wenn wir uns notgedrungen/notbedürftig schon in der Fäkalsprache wiederfinden: die Empfehlung weniger zu scheißen ist sicher kein hilfreicher Ausweg aus der Umwelt- und Ressourcenkrise, mit welcher wir uns derzeit konfrontiert sehen.
Welche Entscheidungshilfe geben mir als KonsumentIn die unterschiedlichen Produktsiegel in Bezug auf Palmöl?
Viele VerbraucherInnen suchen nach Antworten auf Fragen wie diese:
»Ich bin keine Umweltaktivistin. Aber die Orang Utans tun mir leid. Ich bin im Beruf sehr eingespannt und kaufe daher häufig Fertiggerichte zum kurzen Aufwärmen in der Mikrowelle. Wie stelle ich fest, ob diese Gerichte Palmöl enthalten?«
»Ich möchte nicht dazu beitragen, den Regenwald abzuholzen. Ich weiß um die Rolle der Palmölindustrie. Wie kann ich mich davor schützen, durch meine Kaufentscheidung dieser Industrie in die Hände zu spielen?«
»Palmöl ist zweifelsohne ein fantastisches Produkt. Nuss-Nougat-Cremes auf Palmölbasis gibt es seit Jahrzehnten. Doch woher rührt der massive Anstieg der Nachfrage in den letzten Jahren? Der höhere Konsum an Nuss-Nougat-Cremes kann dies unmöglich begründen.«
»Welche Produktsiegel geben mir einen sicheren Hinweis darauf, dass ich durch den Kauf eines Lippenstiftes, nicht die Abholzung des Regenwalds befördere?«
Wir haben leider nicht auf all diese Fragen passende Antworten. Falls in Lebensmitteln Palmöl enthalten ist, muss dies mittlerweile immerhin auf der Verpackung ausgewiesen sein: »enthält Palmfette oder Palmöl«. Älteren KonsumentInnen sei empfohlen im Supermarkt eine Lesebrille oder eine Lupe dabei zu haben, um diesen Hinweis auf einigen Verpackungen im Kleingedruckten finden zu können.
Für Kosmetikprodukte wie Lippenstift und Shampoo gibt es eine solche Kennzeichnungspflicht bislang leider ebenso wenig wie für den wichtigen Bereich der Zumischung zu Kraftstoffen. Wer sein Auto an der Tankstelle mit »Biodiesel« betankt, mag der Auffassung sein, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Er/sie hat keinerlei Information darüber, wie viel Palmöl sich in dem »Biodiesel« befindet und aus welchen Quellen es stammt.
Unsere Flyerserie
Mit der beiliegenden Serie von Infoblättern (Flyern) möchten wir versuchen, wenigstens ein paar Antworten auf diese offen bleibenden Fragen im Lebensmittelbereich zu liefern. Befriedigende Antworten wird es dennoch kaum geben, denn das Ergebnis unserer Recherchen ist, dass es nur in Randbereichen Firmen gibt, welche Umweltaspekte und Arbeitsrechte gleichermaßen beachten und entsprechend (glaubwürdig) zertifizieren lassen.
Gerne möchten wir Sie dazu auffordern, die anliegenden Flyer herunterzuladen und weiterzuverbreiten. Auf Wunsch senden wir Ihnen auch gerne kostenlos gedruckte Exemplare zur Verwendung in Ihrem Bekanntenkreis, auf Veranstaltungen oder Infotischen zu. Unsere Umweltreferentin, Josephine Sahner, steht Ihnen zudem gerne als Sprecherin auf Ihren Veranstaltungen zur Verfügung.
Dank an Flora Hartmann, die als unbezahlte Praktikantin maßgeblich zum Zustandekommen dieser Flyer-Serie beigetragen hat.
Die Flyerserie umfasst bislang vier Blätter:
- Übersichtsflyer: Nachhaltiges Palmöl – Was Nachhaltigkeitssiegel uns versprechen
- Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO)
- Biosiegel der Europäischen Union
- Palmöl aus fairem und bioverträglichem Anbau (Faires Biopalmöl)
Gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des