Truppen bereit zur Evakuierung Osttimors
Stuttgarter Zeitung, 04. September 1999
Gewalt hält an – Wahlbeobachter beschuldigen Regierung – UN beraten über Blauhelme
JAKARTA (epd/AP). Wegen der anhaltenden Gewalt nach der Volksabstimmung in Osttimor bereiten sich Indonesiens Streitkräfte auf eine Massenevakuierung vor. Auch gestern hielten die Angriffe proindonesischer Milizen an, die eine Unabhängigkeit der Osthälfte der Insel Timor verhindern wollen. Die indonesische Armee verstärkte ihre Truppen in Osttimor um 1500 Mann. Das Ergebnis der Volksabstimmung über einen Verbleib Osttimors bei Indonesien oder eine Loslösung soll heute schon bekannt gegeben werden, drei Tage früher als geplant. An dem Referendum unter Aufsicht der UN hatten sich am Montag 98,6 Prozent der 452.000 stimmberechtigten Osttimoresen beteiligt. Es wird eine klare Mehrheit für die Unabhängigkeit erwartet.
Nach Angaben der UN-Mission in Osttimor brannten die Milizen mehrere Dörfer ab, steckten Häuser in einem Vorort der Hauptstadt Dili in Brand, sperrten den Zugang zum Flughafen und vertrieben in der Nähe von Suai rund 2.000 Menschen. In Maliana wurden seit Anfang der Woche mindestens vier einheimische UN-Mitarbeiter getötet, fünf weitere wurden gestern Abend noch vermisst. Falls sich die Situation weiter zuspitzt und es zu Flüchtlingsströmen kommt, will die Armee bis zu 200.000 Menschen, ein Viertel der Bevölkerung, evakuieren.
Nach einem Angriff auf das UN-Gelände in Maliana zogen die Vereinten Nationen ihr Personal dort vollständig ab. Weitere ausländische Journalisten, darunter das Team des britischen Rundfunksenders BBC, verließen am Freitag Osttimor. Zur Lage in der Hauptstadt Dili sagte UN-Sprecher David Wimhurst: „Die Milizen randalieren in der Stadt, und es wird nichts dafür getan, sie daran zu hindern.“ Der deutsche Wahlbeobachter Volker Stapke berichtete dagegen, in Dili sei es am Freitag weitgehend ruhig geblieben. Indonesische Militärs und Polizisten hätten für Ordnung gesorgt. Ob das Militär die Milizen wirklich steuere und stoppen könnte, sei unklar. „Die Geheimdienste mischen auf alle Fälle mit.“ Die Wahlbeobachterin Pamela Sexton berichtete, sie habe auf dem Weg von Suai nach Dili acht Straßensperren der Milizen passieren müssen. Polizisten aus ihrer Eskorte hätten „sehr freundlich“ um Durchlass gebeten.
Bei den Vereinten Nationen wird offenbar über die Entsendung von Blauhelmen nach Osttimor beraten. Bislang verfügt die UN-Mission nur über 750 unbewaffnete Zivilpolizisten und Militärberater. Am Donnerstag hatte Indonesien erstmals Bereitschaft signalisiert, eine internationale Truppe zuzulassen. Die USA, die die Entsendung einer UN-Truppe per Veto im Weltsicherheitsrat verhindern können, sind bisher dagegen. <>