Mehr als 100 Tote bei Massaker auf den Molukken

Berliner Zeitung, 21. Juni 2000

Eine halbe Million Menschen auf der Flucht vor Unruhen

Hinnerk Berlekamp, epd

BerlinerZeitung JAKARTA, 20. Juni. Bei Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen auf der indonesischen Molukken-Insel Halmahera sind mehr als hundert Menschen getötet worden. Mehrere tausend bewaffnete Angreifer hätten am Montagmorgen das christliche Dorf Duma überfallen, berichtete die Tageszeitung „Jakarta Post“ am Dienstag. Mehr als 70 Menschen seien verletzt und eine unbekannte Zahl von Frauen und Kindern entführt worden. Ein Militärsprecher bezifferte die Zahl der Toten auf 114, Kirchenvertreter sprachen sogar von 165 getöteten Dorfbewohnern. Rund 300 Häuser wurden zerstört.

Die Angreifer, offenbar islamische Extremisten, seien mit selbst gebastelten Bomben, Macheten und Schnellfeuergewehren bewaffnet gewesen, berichtete der britische Rundfunksender BBC. Als nach einer Stunde ein Militärbataillon anrückte, seien sie geflüchtet. Erst Ende Mai waren bei einem Überfall auf das Dorf mehrere Einwohner getötet worden.

Pfarrer erklärten, die islamische Miliz „Laskar Jihad“ sei für den Überfall auf Duma verantwortlich. Rund 3.000 Angehörige der Miliz hatten im April in der Nähe von Jakarta eine paramilitärische Ausbildung erhalten. Weder das Trainingslager noch die Abreise der Milizionäre auf die Molukken seien von Armee und Polizei behindert worden, berichtete die Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia.

Komplizenschaft der Armee

Die christlichen Kirchen in Indonesien verdächtigen die Sicherheitskräfte der Komplizenschaft mit den Gewalttätern. Der zuständige Wehrbezirks-Kommandeur, Brigadegeneral Max Tamaela, hatte Ende Mai bestätigt, dass die „Laskar Jihad“ bei ihren oft mit Schnellbooten ausgeführten Angriffen auf christliche Dörfer auf Halmahera von „Schurken“ aus den Reihen der Streitkräfte unterstützt werden.

Seit dem Ausbruch der bewaffneten Kämpfe zwischen Christen und Muslimen Anfang 1999 sind auf den Molukken mindestens 3.000 Menschen getötet worden. Die Regierung in Jakarta teilte am Dienstag mit, gegenwärtig lebten 486 797 Menschen, die wegen der Unruhen aus der Region geflohen seien, in Flüchtlingslagern. Weitere 11.65 Flüchtlinge seien bereits in anderen Landesteilen angesiedelt worden.

Die Spannungen auf den Molukken haben nicht zuletzt wirtschaftliche Ursachen. Die ursprünglich auf den Inseln ansässige und seinerzeit von den niederländischen Kolonialbehörden christianisierte Bevölkerung sieht sich bedrängt durch zugewanderte Muslime, die ihr den Boden streitig machen. Jakarta hatte die Binnenmigration jahrzehntelang unterstützt, um der Übervölkerung vor allem der Insel Java entgegenzutreten und zugleich die Kontrolle auch der Peripherie des Inselreichs durch die Zentralregierung zu verstärken. (hb./epd, AFP)


Tags: , , , , , ,


Share