Der lange Arm der Diktatur
taz, 10. März 1997
Indonesisches Generalkonsulat in Berlin verweigert kritischem Studenten den Paß
Regimekritische Indonesier bekommen jetzt den Druck ihrer Regierung auch in Berlin zu spüren. Das indonesische Generalkonsulat in Pankow verweigert einem indonesischen Studenten die Verlängerung seines Passes. Der Student hatte bei einem politischen Prozeß als Entlastungszeuge für den oppositionellen Wissenschaftler Sri-Bintang ausgesagt.
Der Wirtschaftswissenschaftler Sri-Bintang Pamungkas ist vergangene Woche in der indonesischen Hauptstadt Jakarta verhaftet worden. Ihm wird wegen einer kritischen Rede an der Technischen Universität im April 1995 – während des Besuchs von Indonesiens Präsident Suharto – Subversion vorgeworfen. Mit der Verweigerung der Passes soll der studentische Entlastungszeuge gezwungen werden, sich von politischen Aktivitäten zu distanzieren. Andernfalls drohen ihm die Ausbürgerung oder erzwungene Rückkehr nach Indonesien. Als der 24jährige Iwan Setiabudi Anfang Februar im Generalkonsulat seinen Paß routinemäßig verlängern wollte, wurde er zum Vizekonsul Oberstleutnant Aryono zitiert. Der befragte ihn nach seinen Aktivitäten als Vorstandsmitglied der indonesischen Studentenvereinigung PPI, seiner Rolle als Entlastungszeuge im Prozeß gegen Sri-Bintang Pamungkas und seiner Teilnahme an einer Demonstration vor dem Konsulat im vergangenen Jahr. Anlaß war der gegen Demonstranten verhängte Schießbefehl in der indonesischen Hauptstadt Jakarta. In der Partnerstadt Berlins war es Ende Juli zu schweren Unruhen gekommen, nachdem Sicherheitskräfte das Hauptquartier der Opposition gestürmt hatten.
„Der Vizekonsul wollte mich verhören“, so Iwan, der seit 1992 an der TU studiert. Der Diplomat habe ihn als Staatsfeind bezeichnet und ihm einen Bogen mit 14 Suggestivfragen vorgelegt. Als er sich weigerte, die Fragen zu beantworten, habe der Vizekonsul ihn gefragt, warum er nicht bei amnesty international einen Paß beantrage. Nach Angaben der Bürgerrechtsorganisation Watch Indonesia ist Aryono der höchste Geheimdienstler im Berliner Konsulat. Gegenüber Iwan bezeichnete er die beiden Menschenrechtsorganisationen als „Feinde Indonesiens“ und forderte ihn auf, nicht mit diesen zusammenzuarbeiten. Auch nach einem weiteren Termin am 19. Februar mit dem Generalkonsul Indra Damanik bekam der Student seinen Paß nicht verlängert. Ihm sei wieder der Fragebogen vorgelegt worden. Das Generalkonsulat war zu keiner Stellungnahme bereit.
„Der Vizekonsul will offenbar ein Exempel statuieren, um die 800 indonesischen Studenten in Berlin einzuschüchtern“, vermutet Rolf Weiß von Watch Indonesia. Nach Einschätzung der Organisation versucht das Konsulat den Druck zu verschärfen. Denn Ende Mai wird in Indonesien gewählt. Dabei geht es um die Weichenstellung für die Zeit nach Suharto.
Sven Hansen