Osttimor: USA gaben grünes Licht für Invasion
Neues Deutschland, 12. Dezember 2001
Archivmaterial belastet Ford und Kissinger
Von Thomas Klein
Lange wurde es nur vermutet, jetzt ist es beweisen: Vor 26 Jahren gaben die USA Jakarta grünes Licht für die Besetzung Osttimors. Schon seit vielen Jahren wird vor allem in Portugal immer wieder behauptet, dass die die 1975 in die Unabhängigkeit entlassene Kolonie Osttimor nur mit Rückendeckung der USA noch im selben Jahr vom indonesischem Militär okkupiert worden sei. Ein Vorwurf, den der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger stets zurückwies. Nun aber belegt bislang geheim gehaltenes Archivmaterial, das vom National Security Archive an der George Washington Universität veröffentlicht wurde: Nur einen Tag vor der Invasion trafen der damalige US-Präsident Gerald Ford und Kissinger in der indonesischen Hauptstadt Jakarta mit dem von 1965 bis 1998 herrschenden General Suharto zusammen. Für Monika Schlicher, Sprecherin von »Watch Indonesia!« sind die nun aufgetauchten Beweise keine Überraschung. »Seit vielen Jahren thematisieren Menschenrechts- und Solidaritätsgruppen Verflechtungen US-amerikanischer Stellen mit Despoten und Militärs, sei es bei dem Putsch in Chile, der Besetzung Osttimors oder anderswo«, so Schlicher auf Anfrage des ND. Bisher habe es zum Teil nur an den endgültigen Beweisen gefehlt. Brisant sei jedoch, dass Ford und Kissinger den indonesischen Diktator ausdrücklich gebeten haben sollen, mit der Besetzung Osttimors so lange zu warten, bis sie wieder aus Jakarta abgereist seien. Das war am 7. Dezember 1975 der Fall. Suhartos Truppen okkupierten die ehemalige portugiesische Kolonie, in der die Befreiungsbewegung Fretilin kurz zuvor die Unabhängigkeit proklamiert hatte. Diese linke Bewegung war bei einer Wahl, die Ende 1975 noch unter portugiesischer Leitung stattfand, klar als Sieger hervorgegangen und rief am 28. November die »Demokratische Republik Osttimor« aus. Diese sollte aber nur zehn Tage existieren. Nachdem Suharto grünes Licht der USA erhalten hatte (Devise: kein zweites Kuba) liquidierten seine Soldaten die Fretilin-Führung und übten in den Jahren danach eine grausame Terrorherrschaft aus. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen fiel ihr ein Drittel der ehemals 700.000-köpfigen Bevölkerung zum Opfer. Der letzte Funkspruch der Demokratischen Republik, der am 7. Dezember in Australien aufgefangen wurde, war ein Ruf nach internationaler Hilfe: »Das indonesische Militär hat uns umzingelt. Sie töten Frauen und Kinder in den Straßen. Sie töten ohne Unterschied. Wir werden alle ermordet. Unternehmt etwas. Helft uns!« Doch da war das Schicksal der Fretilin-Regierung bereits besiegelt. Eine von einer linken Regierung regierte Republik Osttimor durfte es nach dem Willen Jakartas und Washingtons nicht geben. <>