Mit Argusaugen beobachten Friedensgruppen indonesische Waffenkäufe in Deutschland
Frankfurter Rundschau, 24. Oktober 1995
Konferenz beleuchtet bilaterale Beziehungen und Rüstungsexporte/Menschenrechtler befürchten Einsatz importierter Waffen gegen Oppositionelle
Von Brigitte Spitz (Aachen)
Der Blick auf die Teilnehmerliste überraschte. Vertreter der Rüstungsindustrie, der indonesischen Botschaft und der Bundesregierung haben sich am Wochenende in Aachen erstmals mit deutschen und indonesischen Mitgliedern von Friedens- und Menschenrechtsgruppen an einen Tisch gesetzt, um über Menschenrechte und Rüstungsexporte zu diskutieren.
Kaum haben sich die Wogen über den Verkauf von 39 ausgemusterten Schiffen der früheren Nationalen Volksarmee (NVA) an die indonesische Marine geglättet, befürchten Teilnehmer der ökumenischen Konferenz, zu der die bischöfliche Akademie des Bistums Aachen eingeladen hatte, ein neues Waffengeschäft mit der Suharto-Regierung. Nach Informationen der Kampagne „Produzieren für das Leben, Rüstungsexporte stoppen“ möchte Indonesien deutsche Luftlandepanzer des Typs „Wiesel“ ordern. Vertreter von Friedensgruppen äußerten die Sorge, daß das indonesische Militär diese Waffen gegen die eigene Bevölkerung und in den Konfliktherden Ost-Timor und West-Papua einsetzen könnte. Die leichten Panzer könnten mit dem Flugzeug schnell verlegt werden, „sie eignen sich damit auch, um Proteste niederzuschlagen“, sagte Ute Schäfer von der Anti-Rüstungskampagne. Mit Argusaugen beobachten Friedens- und Menschenrechtsgruppen indonesische Waffeneinkäufe. Der hochverschuldete Inselstaat war nach Worten von Rainer Kahrs vom Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (Buko) von 1990 bis 1993 Spitzenreiter bei den deutschen Militärexporten in die südostasiatischen Staaten: Rüstungsgüter im Wert von rund 900 Millionen Mark seien in diesem Zeitraum geliefert worden. Im wirtschaftlich aufstrebenden Südostasien stellten hochmoderne Waffen „die neuen Machtsymbole“ dar, betonte Kahrs und zitierte den australischen Militärexperten Paul Dipp, nach dessen Einschätzung die Länder Südostasiens im Jahr 2000 mehr für Waffen ausgeben werden als die Nato. Eine bedenkliche Entwicklung, prangerten Vertreter der Menschenrechtsorganisation amnesty international, der Initiative für die Menschenrechte aller Bürgerinnen der südostasiatischen Staaten (Imbas), und „Watch Indonesia!“ an. Zum einen, weil das Geld angesichts der Armut in den Ländern besser eingesetzt werden könnte. Zum anderen stärkten im Fall von Indonesien die Rüstungsexporte das ohnehin dominierende Militär, sagte Hok An von Imbas.
Einem souveränen Staat könne man nicht vorschreiben, welche Waffen er kaufe und welche nicht, konterte Udo Ude, Bonner Vertreter der Howaldtswerke Deutsche Werft AG. Ude, dessen Werft Anfang der 80er Jahre zwei U-Boote an Indonesien verkaufte, betonte, nur durch die gewinnträchtigen Geschäfte mit Marineschiffen könnten die deutschen Werften überleben. Der Schiffsbauer wies darauf hin, daß in den vergangenen Jahren — wie im Fall der NVA-Schiffe — die Bundesregierung der Industrie beim Rüstungsexport Konkurrenz mache. Thomas Gläser vom Auswärtigen Amt rechtfertigte das NVA-Geschäft damit, daß sich Indonesien vertraglich verpflichtet habe, die Schiffe ausschließlich gegen Drogenschmuggel, Piraterie und Sicherung seiner Seewege einzusetzen. Konsequenzen, falls Indonesien sich nicht an diese Abmachung halte, seien nicht vereinbart.
Siswo Pramono, Wirtschaftsexperte und zweiter Sekretär bei der indonesischen Botschaft in Bonn, erklärte die Waffeneinkäufe seines Landes mit dessen Sicherheitsbedürfnis. Daß ausgerechnet Indonesien zum Schwerpunkt der Tagung gewählt wurde, überrascht ihn: „Unsere Militärausgaben sind nichts im Vergleich zu anderen.“ Nach seinen Angaben hat Indonesien im vergangenen Jahr nur 2,3 Milliarden US-Dollar oder 1,6 Prozent seines Bruttosozialprodukts für Verteidigung ausgegeben und liegt damit weit hinter anderen Staaten der Region. Indonesische Oppositionelle kritisieren an dieser Rechnung, daß viele Geschäfte im offiziellen Etat nicht auftauchen und über „schwarze Kassen“ finanziert werden.
Bei der Forderung nach demokratischen Reformen für sein Land, lenkte der Botschaftsvertreter ein. Als Beispiel für Indonesiens Reformbereitschaft nannte er die neugeschaffene staatliche Menschenrechtskommission. <>