Wir müssen unser Konsumverhalten ändern
Brot im Tank, 03. September 2009
http://www.brotimtank.org/
Während Palmöl in Europa häufig als nachhaltiger und klimafreundlicher Rohstoff für Agrotreibstoffe gefeiert wird, leidet ein Teil der indonesischen Bevölkerung stark unter den sich ausbreitenden Plantagen. Unser Konsumverhalten muss sich ändern, sagt die Indonesien-Expertin Marianne Klute.
Europa importiert zunehmend Palmöl aus Indonesien zur Produktion von Agrotreibstoffen. Lösen wir unsere Energieprobleme auf Kosten der indonesischen Bevölkerung?
Marianne Klute: Ja, eindeutig. Besonders die Bevölkerung bestimmter Inseln leidet sehr. Drei Viertel der Plantagen sind auf Sumatra. Auch Kalimantan und Papua sind Zielgebiete der Palmölindustrie. Die Menschen, die in diesen Regionen leben, leiden unter den ökologischen und sozialen Auswirkungen am meisten. Um Platz für Plantagen zu schaffen, wurden und werden Wälder abgeholzt und Menschen vertrieben. Viele Leute sind ihres Landes beraubt worden.
Spielt der Export von Palmöl eine wichtige Rolle für die Wirtschaft?
Auf jeden Fall. Vor dem Biodiesel-Boom lag der Palmölexport bei sechs Prozent vom Gesamtexportvolumen. Auch damals wurde also schon eine bedeutende Menge exportiert. Ab 2006 beziehungsweise ab Anfang 2007wurde die Nachfrage nach Agrotreibstoffen immer lauter. Seitdem hat sich die totale Menge des Exportes grob verdoppelt.
Hat die Landbevölkerung eine Chance, an der wachsenden Wirtschaft teilzuhaben?
Im Allgemeinen ist sie davon ausgeschlossen. Die Investitionen, die benötigt werden, um eine Plantage anzulegen, sind hoch. Daher lohnt sich der Agroindustriezweig nur im Grossmassstab. In diesem Bereich sind fast ausschliesslich Grossunternehmen und Konzerne zu finden.
Können die Kleinbauern vom Palmölboom profitieren?
In Indonesien setzt die Regierung zu diesem Zweck auf das Modell der„Kern-Plasma-Plantage“ oder „Nucleus-Plasma-Plantage“. Doch das Modell scheitert oft und die Regierung favorisiert es nicht mehr.
Wie funktioniert dieses Modell?
Im Normalfall wird bei der Planung einer Plantage von oben einfach eine Fläche bestimmt und die Menschen, die auf dieser leben, müssen ihr Land unentgeltlich abgeben. Die Unternehmen legen eine grosse Kernplantage an, den Nucleus. Sie sollen die Randgebiete vorbereitet und mit Ölpalmen bepflanzt an Kleinbauern übergeben. Das sind die Plasmaplantagen. Beim angesprochenen Modell sollen die Bauern, je nach Gegend, einen bis sieben Hektar zurückbekommen. Diese sollen sie dann bewirtschaften. Nach unseren Beobachtungen ist viel Betrug damit verbunden. Die meisten Versprechungen sind nie eingehalten worden.
Die meisten Kleinbauern, die schliesslich sogenannte „Smallholder“ einer Plasmaplantage werden, bekommen eine Fläche von zwei Hektar Land. Da die Böden zu unfruchtbar sind, kann damit nirgendwo eine Familie ernährt werden. Der Lebensstandard dieser Kleinbauern verschlechtert sich in den meisten Fällen. Die Plasma-Plantagen sind meist am Rande der Grossplantagen angesiedelt und den Bauern stehen keine Transportmittel zur Verfügung. Die Ernten fallen oft gering aus, da die Bauern kein Geld für Dünger haben und nicht viel über den Umgang mit der fremden Pflanze wissen. Die geernteten Früchte müssen an das Unternehmen geliefert werden, was nur selten funktioniert. Zu geringe Ernten und zu kleine Fruchtbestände werden wiederum von den Mühlen abgelehnt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass nur wenige Bauern als Palmölbauern zufrieden sind. Die wenigen Ausnahmen, die ich kenne, sind schon seit längerer Zeit involviert und haben seither mehr Land dazu gewonnen. Sie arbeiten nicht mit zwei Hektar, sondern haben 15 oder 30 Hektar Land zur Verfügung.
Generell bedeuten Ölpalmen für die dort lebenden Menschen aber Verarmung. Sie verlieren ihre Lebensgrundlage, den Wald und ihre Gärten. Das Einkommen aus Palmöl ist schwankend. Viele verzweifeln, wenn die Preise fallen oder die Ernten ausbleiben.
Wie ist die Haltung der indigenen Bevölkerung zu den Palmölplantagen?
Das kommt auf die Situation und die Region an. Auf Kalimantan, Sumatra und Papua ist der Wald zum grossen Teil verschwunden und die Bevölkerung, die vom Wald gelebt hat, leidet. Sie ist verarmt und hat ihre traditionelle Lebensweise verloren. Einkommen und Ernährungssicherheit fehlen. Wenn ein Konzern eine Plantage anlegen will, gibt es generell zwei Tendenzen in der Bevölkerung: Wenn die Bevölkerung nicht weiss, was auf sie zukommt, ist sie voller Hoffnung. Die Menschen erhoffen sich einen Anschluss an die Moderne. Anders ist es bei denjenigen, die bereits Erfahrungen mit den Plantagen gemacht haben. Sie wehren sich häufig und leisten regen Widerstand. Es finden beispielsweise Gespräche mit Unternehmen und Politikern, Proteste und Demonstrationen statt. Wenn diese Versuche nicht fruchten, kann es auch zur Eskalation kommen. Manchmal erntet ein ganzes Dorf eine Plantage ab, oder zumindest den Teil davon, der auf ihrem eigenen Land errichtet worden ist. Meist wurden die Menschen einfach aus ihren Dörfern verdrängt und gezwungen, viele Kilometer weiterzuziehen und dort ein neues Dorf zu gründen. Den Smallholdern werden häufig leere Versprechungen gemacht. Sie warten oft Jahrzehnte lang auf die versprochenen Ölpalmen und gehen leer aus. Dies erzeugt eine riesige Wut über die Ungerechtigkeit und über die Gewissheit, betrogen worden zusein. Die Bevölkerung verliert ihr Land und den Wald. Der Wald hat für sie eine ganz andere Bedeutung als für uns. Sie sehen den Wald als ihre Mutter oder die Brust, die sie nährt an. Daher ist es verständlich, dass sie ihr Land unter keinen Umständen abgeben wollen. Diese Entscheidung liegt allerdings nicht in ihrer Macht.
Wie reagieren die Unternehmen auf den Widerstand der Bevölkerung?
Mir sind viele Fälle bekannt, bei denen das Unternehmen die Polizei ruft. Manchmal haben sie auch schon von Anfang an Polizei oder Militär als Sicherheitskräfte an ihrer Seite. Diese greifen die Leute mit Waffen an, verprügeln und verjagen sie. Es gibt eine Menge Palmöl-Smallholders, die wegen Widerstands im Gefängnis gelandet sind.
Also ist der Widerstand aussichtslos?
Das denke ich nicht. Der Widerstand ist ja relativ neu. Während der Suharto-Diktatur, die erst vor elf Jahren zu Ende war, wurde die Bevölkerung immer massiv unterdrückt. Seitdem hat sich einiges geändert. Natürlich dauert es eine gewisse Zeit, bis die Bevölkerung, die teilweise keine Schulbildung hat, ein Bewusstsein für ihre Rechte entwickelt. Ihnen muss klar werden, welche Aufgaben der Staat zu erfüllen hat. Der Widerstand in den letzten Jahren hat nicht nur aufgrund der Expansion der Palmölplantagen, sondern auch durch die Demokratisierung und Dezentralisierung extrem zugenommen. Wenn zwei oder drei Fälle des Widerstands erfolgreich sind, macht das anderen Mut. Auch wir wollen dazu einen Beitrag leisten: Wir haben viel über Palmöl geschrieben, veröffentlicht und Informationsarbeit geleistet. Es gab jede Menge Konferenzen, doch das hat die Entwicklung der Palmölindustrie nicht gebremst. Der Widerstand vor Ort hingegen bremst auf jeden Fall. Widerstand zu leisten ist zwar hart für die Leute, aber nicht hoffnungslos.
Können die Land- und Indigenenrechte eingefordert werden?
Theoretisch gibt es die Möglichkeit, das zu tun. Aber in der Praxis erweist es sich als äusserst schwierig. Im Gesetz sind die Rechte der Indigenen verankert. Die Umsetzung in die Praxis ist aber ein anderes Kapitel. In Indonesien herrschte 32 Jahre lang die Diktatur unter Suharto. In diesem zentralistischen Staat war es unmöglich, Anspruch auf Landrechte zu erheben. Seit die Diktatur vorbei ist, hat sich vielverändert. Verwaltung und Bürokratie befinden sich in einem Dezentralisierungsprozess. Die Distrikte und Provinzen haben seitdem das Recht zu bestimmen, was traditionelles Land ist und was nicht. Der Prozess ist allerdings sehr komplex. Will ein Palmölunternehmen beispielsweise eine Plantage auf Kalimantan errichten, dann wird die erste Entscheidung in Jakarta getroffen. Von dort geht es dann überverschiedene Instanzen, verschiedene Ministerien, Provinz und auch Distrikt. Die letztendliche Zustimmung liegt beim Distrikt. Dann müssten die Landrechte eigentlich geklärt sein. Theoretisch. In der Praxis gelingt das nur in sehr wenigen Fällen. Es kommt unter anderem darauf an, ob der Distriktvorsteher und die Beamten nicht bestochen wurden und willens sind, die Bevölkerung zu unterstützen.
Unter welchen Bedingungen leben und arbeiten die Menschen auf den Grossplantagen?
Häufig arbeiten dort landlose, zugewanderte Bauern. Aber auch einige arme lokale Bauern finden auf den Grossplantagen Arbeit. Zugewanderte Arbeiter leben in Siedlungen innerhalb der Plantage. Bei der Arbeit auf der Plantage sind sie der unerträglichen Hitze ausgesetzt. Gifte werden auf den Plantagen so gut wie nur von Frauen gespritzt. Diese tragen keine Schutzkleidung. Auf den Plantagen werden auch etliche Kinder beschäftigt. Im Monat verdienen die Arbeiter je nach Plantage 60 bis 90Euro. Dies ist auch für indonesische Verhältnisse sehr wenig. Wie das Gehalt in der Praxis aussieht, ist schwer zu sagen, da manche Plantagenbetreiber einfach nicht bezahlen oder Essensgeld und anderes vom Gehalt abziehen.
Was wäre die Aufgabe der Politik in Indonesien?
Es wäre wichtig, die Expansion zumindest zeitweise zu stoppen. Die Regierung muss die Hausaufgaben erfüllen, die ein gesundes Staatswesen zu erfüllen hat. Dazu gehört vor allem, für die Bürger da zu sein. Fast die Hälfte der indonesischen Bevölkerung ist in extremer Weise von ihrem Land abhängig. Der Staat hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Menschen ihre Rechte als Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen können. Ein Anfang wäre die Anerkennung von Indigenen-Rechten. Wichtig ist auch, dass überlieferte und Gemeinde- Landnutzungsrechte einklagbar werden. Im Moment ist es allerdings so, dass gerade auf der rechtlichen Ebene im Sinne der Wirtschaftsglobalisierung Erleichterungen für Investorengeschaffen werden. Im Sinne der Menschen passiert dies nicht. Da läuft eindeutig etwas schief.
Die Diktatur gehört zwar der Vergangenheit an und es findet ein Prozess der Demokratisierung statt, doch dieser läuft parallel zum Prozess der wirtschaftlichen Globalisierung. Mit dem Ziel, Indonesien für Investoren weiter zu öffnen wird vom Ausland massiver Druck auf Indonesien ausgeübt. Die Folge ist, dass es mittlerweile schon einige neue Gesetze und Erlasse gibt, die ausländischen, aber auch einheimischen Investoren die Landnahme erleichtern. Darin sehe ich eine grosse Gefahr für die Menschenrechte. Speziell diejenigen, die ohnehin einen schwachen Stand haben, sind gefährdet. Es muss verhindert werden, dass Menschen, die über traditionelle Landnutzungsrechte verfügen, beim Fortschreiten der Palmölindustrie untergehen. Das muss in Indonesien, also auf nationaler Ebene, aber auch auf internationaler Ebene geregelt werden.
Sollten sich Industriestaaten einmischen?
Das ist auf jeden Fall notwendig und passiert auch bereits. Um ein Beispiel zu nennen: Die deutsche Regierung hat Projekte und Programme in Indonesien, beispielsweise im Bereich der Dezentralisierung. In den Bereichen Governance und Demokratisierung wird also schon einiges geleistet. Die stärkere Kraft ist aber unser Konsum. Das sagen auch unsere indonesischen Partner, Bauern, aber auch Fachleute und Wissenschaftler. Wenn der Konsum so hoch bleibt und wir diesen hohen Bedarf weiterhin decken wollen, können die Probleme nicht gelöst werden. Da kann man sich noch so sehr anstrengen. Die indonesischen Partner weisen mit dem Finger auf uns: Wir und unser hoher Konsum sind schuld.
Um unser Konsumverhalten zu ändern, müsste wohl erst ein Bewusstseinswandel in der Bevölkerung vor sich gehen.
Allerdings. Aber wir sehen diese Probleme nicht oder wollen sie nicht sehen. Ich denke, wenn wir uns nicht ändern wollen, werden wir schliesslich dazu gezwungen werden. Die Entwicklungen produzieren in den Palmölerzeugerländern eine Palette an Problemen, die auf uns umschlagen könnten: Darunter fallen sowohl Umweltprobleme, da wir den Wald abholzen, den Wasserhaushalt verändern und zur Klimaerwärmung beitragen, als auch soziale Probleme. Ich bin überzeugt davon, dass wir diese Probleme innerhalb der nächsten Generation zu spüren bekommen werden und sie uns zum Umdenken zwingen.
Wann und unter welchen Umständen begann die Anpflanzung von Ölpalmen in Indonesien?
Während der holländischen Kolonialzeit, etwa in den 20er Jahren, wurden die ersten Ölpalmen aus Afrika nach Indonesien gebracht. Von der richtigen Palmölindustrie kann man aber erst seit etwa 30 Jahren sprechen. Früher gab es fast nur staatliche Plantagen, die aus ehemaligen holländischen Plantagen hervorgegangen waren. Vor dem Palmöl-Boom waren eine halbe Million Hektar Land von Plantagen bedeckt. 1984 stieg die Nachfrage massiv. Das billige Palmöl wurde zu einem wichtigen Rohstoff der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie. In den 80er Jahren wurde das Transportwesen ausgebaut, was den Export erleichterte. Die ersten Grossplantagen stammen aus dieser Zeit. Während die Anzahl der staatlichen Plantagen etwa gleich blieb, gab es immer mehr private Plantagen. Die Konzerne nutzten die Plantagen und die Agroindustrie aber auch oft als Vorwand, um an Holz zu gelangen. Viele Waldsegmente wurden abgeholzt, ohne dass danach Plantagen auf der Fläche angelegt wurden. 22bis 28 Millionen Hektar Land sind davon betroffen.
Was sind die Hauptkonflikte, die gelöst werden müssen?
Es gibt drei grosse Bereiche: Erstens, Konflikte um existierende Plantagen. Die Bevölkerung musste Land abgeben und leistet heute zunehmend Widerstand. Ökologische Probleme, wie das Sinken des Grundwasserspiegels oder die Wasserverunreinigung und auch die Nahrungsmittelfrage fallen in diesen Themenbereich. Die alten Konflikte müssen hier gelöst werden. Unter anderem müssen die Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden. Sie müssen endlich ihre Versprechen halten.
Der zweite Aspekt ist der der 22 bis 28 Millionen Hektar abgeholzten Landes, auf dem keine Plantagen entstanden sind. Das bringt derzeit die meisten Probleme mit sich. Die Bevölkerung begreift, dass ihr Unrecht getan wurde und will ihr Land zurück.
Der dritte Konfliktbereich sind die Expansionspläne. Vor dem Agrotreibstoff-Boom gab es Plantagen auf sechs Millionen Hektar Landfläche. Seit zwei Jahren gibt es um zwei Millionen Hektar mehr. Weitere 20 Millionen Hektar sind geplant. Es soll zudem Jatropha und Zuckerrohr angebaut werden. Die Unternehmen wollen neue Flächen erschliessen.
Wie kann den Konflikten begegnet werden?
Die Aufgabe von ausländischen Regierungen und internationalen Communities wäre es, das Land zu schützen. Wir als Nichtregierungsorganisation versuchen das. Wir wollen uns auf die drei angesprochenen Bereiche konzentrieren. Wir arbeiten an Waldschutzprojekten mit, beschäftigen uns mit Landrechten und versuchen, die Bevölkerung über Alternativen informieren. Diese gibt es zum Beispiel in den Bereichen Landwirtschaft, gemeinschaftliche Landnutzung, dem Kennenlernen von neuen Pflanzen und dem Zugang zu Märkten.
Viele Menschen haben sich nicht mit dem Verlust ihres Landes und Waldes abgefunden. Kommen für diese Teile der Bevölkerung Alternativen überhaupt in Frage?
Ich bin eine Zeit lang durch Indonesien gefahren und haben mit den Leuten gesprochen. Die meisten Betroffenen sagten, dass eine denkbare Alternative der Anbau von Kautschuk sei. Dies verwunderte mich doch sehr. Doch es ist so, dass die Menschen schon Erfahrung mit Kautschuk haben. Kautschukfelder sind ausserdem mit Wäldern vergleichbar. Zudem verdirbt die Ernte nicht, wenn sie nicht verkauft werden kann. Die Menschen sind also schon offen für Alternativen. Das Problem ist, dass sie kaum über solche informiert sind.
Wie sieht die allgemeine Umweltsituation in Indonesien aus?
Das ist ein sehr grosses Kapitel. Dazu gehört auch die tägliche Umweltverschmutzung, die sich auf den Alltag der Bevölkerung auswirkt. Diese beinhaltet Luftverschmutzung, Abfall und Müll, Herbizide und Pestizide in Lebensmitteln und Wasserverunreinigungen. Auch die Landwirtschaft trägt durch ihre Dünger zur schlechten Umweltsituationbei. Da Indonesien ein sehr grosses Land ist, ist die Umweltsituation von Region zu Region verschieden. Besonders in den großen Städten sind durch Verkehr und Urbanisierung alle Formen von Verschmutzung zu finden. Das Ausmass ist für uns Europäer kaum vorstellbar. Es gibt keine geregelte Abfall- und Abwasserentsorgung. Zur Alltagsverschmutzung kommt der Müll der Industrien. Diese verseuchen in weitaus höherem Masse als bei uns Wasser und Umwelt. Ausserhalb der Städte hat die große Papier- und Zellstoffindustrie ihren Sitz. Die Fabriken leiten alle ihre Abwässer in die Flüsse ab. Auch Substanzen wie das Chlor, das zum Bleichen verwendet wird, gelangen ins Wasser und in die Luft.
Inwiefern wirken sich die Biokraftstoffrichtlinien der EU auf Indonesien aus?
In einem extrem hohen Mass! Indonesiens Regierung reagierte sofort auf die neuen Richtlinien. Es war klar, dass der Biokraftstoff zum großen Teil nicht aus europäischen Ländern kommen kann. Indonesien rechnete sich sofort aus, woher das Öl kommen könnte und machte Pläne, die Plantagen zu erweitern. Malaysia und Indonesien befriedigen heute fast90 Prozent des globalen Bedarfs. In Malaysia ist das ganze Land voller Plantagen. In Indonesien gibt es noch viel „Potential“, da das Land so groß ist. Indonesien strebt es an, der größte Palmölexporteur der Welt zu werden.
Wie sieht die derzeitige Arbeit von Watch Indonesia! e.V. aus?
In Deutschland betreiben wir viel Lobbyarbeit, veröffentlichen Artikel und halten auf Anfragen Vorlesungen und Vorträge. In Indonesien arbeiten wir intensiv mit NGOs zusammen und unterstützen bestimmte Kampagnen. Wir haben ein Projekt, welches indirekt mit Palmöl zu tun hat. Es geht darin um Konfliktlösungen. Die Konflikte in Indonesien haben ja auch stark mit der Abholzung der Regenwaldes und den Landrechten zu tun. Es geht dabei um offene Konflikte, beispielsweise zwischen Regierungen und Unternehmen, aber auch um horizontale Konflikte innerhalb der Gesellschaft, die sich daraus ergeben. Wir wollen diese auf eine andere Ebene bringen, mit der Regierung, der Bevölkerung und den Unternehmen ins Gespräch kommen und friedliche Lösungen erarbeiten.
Was war Ihre Motivation, sich für Umwelt- und Menschrechtsprobleme einzusetzen und bei Watch Indonesia! tätig zu werden?
Ich habe lange in Indonesien gelebt. Schließlich habe ich angefangen, mit Watch Indonesia! zu korrespondieren und Artikel zu schreiben. Seit10 Jahren bin ich aus Indonesien zurück und die NGO bot sich als eine Art Neuorientierung an. Anfangs wusste ich nicht, was nach dem Leben in Indonesien kommt, doch ich bekam von Anfang an viele Anfragen für Vorträge, Vorlesungen und Trainings zu allen möglichen Themen.
Wie wird es ihrer Meinung nach in Zukunft mit der Palmölindustrie weitergehen?
Palmöl wird auch in ein paar Jahren noch eine Rolle spielen, aber erneuerbare Energien wie Wind, Sonne oder Wasser werden aufholen. Palmöl wird weiterhin konsumiert werden, aber als Rohstoff für Energie wird es weniger bedeutsam sein. Palmöl dient sozusagen als Lückenbüsser, bis die anderen Alternativen entwickelt sind. Im Gegensatz zu seinen Nachbarstaaten setzt Indonesien kaum auf andere Projekte.
Mir tut das in der Seele weh. Für eine einzige Generation lang soll der restliche Tropenwald den Ölpalmen zum Opfer fallen. Die letzten Indigenenkulturen werden „monokulturiert“. Und das, obwohl das Land nach der ersten Generation nicht mehr genutzt werden kann. Alles was dann bleibt, ist Wüste. Dieses Wissen ist unerträglich. Denn dafür haben die Menschen ihr Land verloren. Das ist ein grosses Problem. Ein Kollege aus Indonesien sagte einmal etwas, dass ich sehr treffend finde: Indonesien ist der Garten, in dem alles gepflanzt wird, China ist die Küche, in der es verarbeitet wird und die Industriestaaten sind die Verbraucher. In 20 bis 30 Jahren wird Indonesien seine Ressourcen Land und Wald aber aufgebraucht haben. Der Garten ist dann zerstört. <>
Zur Person: Marianne Klute, von Beruf Chemikerin, ist Mitglied der Nichtregierungsorganisation Watch Indonesia! e.V.. Sie wuchs in Westfalen auf und lebte viele Jahre lang in Indonesien. Heute wohnt und arbeitet sie in Berlin. Marianne Klutes Kerngebiet ist Umwelt und aktuell das Thema Agrotreibstoffe. Die Organisation Watch Indonesia! e.V. ist eine Arbeitsgruppe für Demokratie, Menschenrechte und Umweltschutz in Indonesien und Osttimor.