Rücknahme der Zusagen von Rüstungslieferungen
07. Dezember 1998
DIE GRUPPEN DER INDONESIEN-ARBEITSGEMEINSCHAFT:
Watch Indonesia!
Buko – Stoppt den Rüstungsexport! Buchtstraße 14/15, 28195 Bremen, Tel: 0421-326045
IMBAS – Initiative für die Menschenrechte in den ASEAN-Staaten Postfach 600422, 60334 Frankfurt, Tel: 069-4304988
Kampagne “Produzieren für das Leben – Rüstungsexporte stoppen” Bismarckring 3, 65183 Wiesbaden, Tel: 0611-9102350Watch Indonesia!, Buko – Stoppt den Rüstungsexport, IMBAS und die Kampagne „Produzieren für das Leben- Rüstungsexporte stoppen“ fordern die Rücknahme der Zusagen von Rüstungslieferungen gegenüber Indonesien anläßlich des 23. Jahrestages der indonesischen Invasion in Osttimor.
Anläßlich des Jahrestages der indonesischen Invasion in Osttimor, heute vor 23 Jahren, möchten wir die Bundesregierung daran erinnern, daß immer noch Zusagen von Rüstungslieferungen gegenüber Indonesien bestehen. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese umgehend zurückzunehmen und sich für eine friedliche Lösung des Osttimor Konfliktes und für Reformen, Demokratisierung und die Achtung der Menschenrechte in Indonesien einzusetzen.
Nachdem die deutsche Außenpolitik jahrelang zur Unrechtssituation in Indonesien und Osttimor durch die Lieferung von Waffen beigetragen hat, erwarten wir, daß sich diese Politik nicht wiederholt – gerade angesichts der erschreckenden Verbrechen der Streitkräfte, die ans Tageslicht gekommen sind.
Statt Waffen zu liefern gilt es nach Kräften den Prozeß der Demokratisierung zu fördern und Übergriffe des Militärs und Menschenrechtsverletzungen deutlich zu verurteilen. „Unsere Regierung sollte sich gegenüber der indonesischen Regierung für all diejenigen einsetzen, die sich am Aufbau einer Zivilgesellschaft beteiligen“, so Monika Schlicher, Sprecherin von Watch Indonesia!. „Diese Menschen sind in Gefahr und werden in ihrer Arbeit behindert durch Einschüchterung und Terror seitens des Militärs und ihrer bezahlten Helfershelfer.“
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich stärker für eine friedliche Lösung des Osttimor-Konfliktes einzusetzen. Wir erwarten, daß Sie sich gegenüber der indonesischen Regierung einsetzen für
– das Selbstbestimmungsrecht der OsttimoresInnen;
– die Freilassung der politische Gefangenen, insbesondere auch für die Freilassung des osttimoresischen Widerstandsführers, Xanana Gusmão und für dessen Beteiligung an Gesprächen zur Lösung des Konfliktes;
– und für einen transparenten Abzug der Streitkräfte unter internationaler Beobachtung. Dem Abzug der Spezialtruppe Kopassus sollte Priorität eingeräumt werden, so wie dies in den Empfehlungen des EU-Troika Berichtes vom 23. Juli 1998, Ergebnis eines Besuches von EU-Botschaftern in Osttimor vom 27.-30 Juni 1998, festgeschrieben ist.
Rückfragen an: Dr. Monika Schlicher, Watch Indonesia!, Andrea Kolling, Buko – Stoppt den Rüstungsexport, Tel: 0421-326045
Hintergrund
Trotz der schweren Menschenrechtsverletzungen in Indonesien und trotz der völkerrechtswidrigen Besetzung Osttimors genehmigte die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl zahlreiche Rüstungslieferungen.
Von 1986 bis 1996 wurden nach eigenen Angaben 680 Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter nach Indonesien erteilt. Nach unserem Wissen sind derzeit die Lieferungen von U-Booten, Patrouillenbooten und Kleinpanzern vom Typ Wiesel genehmigt. Nach den USA und Großbritannien ist Deutschland drittgrößter Waffenlieferant für Indonesien.
Damit ignorierte die Bundesregierung einen Beschluß der Versammlung der Westeuropäischen Union (WEU) vom Juni 1993. In diesem werden unter Bezug auf die Lage in Osttimor die Mitglieder aufgefordert, ein Waffenembargo gegenüber Indonesien zu verhängen und unverzüglich militärische Abkommen und militärische Hilfe auszusetzen.
Auch über zahlreiche Resolutionen des Europaparlamentes setzte sich die Bundesregierung hinweg.
Nicht zuletzt ignorierte sie die Proteste und Bedenken zahlreicher besorgter Bürgerinnen und Bürger, Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Politik, der evangelischen und katholischen Kirche, von Menschenrechts- und Friedensorganisationen und nicht zuletzt der Gruppen der Indonesien-AG, die sich in den letzten Jahren immer wieder gegen Rüstungslieferungen nach Indonesien und für eine aktive Menschenrechtspolitik ausgesprochen haben.
Die deutsche Regierung hat Suharto und seine Militärs jahrelang durch die Rüstungslieferungen politisch gestützt. Diese unkritische Außenpolitik, die einseitig und kurzsichtig auf Wirtschaftsbeziehungen setzte, hat dazu beigetragen, daß sich die Machtstrukturen und der Machtmißbrauch der Regierung Suharto verfestigen konnte.
Nach dem Rücktritt von Suharto kommen nun mehr und mehr der Greueltaten des Militärs ans Tageslicht:
Oppositionelle wurden von der Spezialeinheit Kopassus verschleppt, gefoltert, schwer traumatisiert wieder freigelassen oder getötet. Leiter dieser Einheit war der Schwiegersohn Suhartos, General Prabowo, der von der GSG9 ausgebildet wurde. Er ist zwar inzwischen wegen dieser Vorfälle aus der Armee entlassen worden, nichtsdestotrotz ehrenhaft. Ob er sich vor einem Militärgericht oder gar vor einem Zivilgericht für seine Taten verantworten muß, ist noch offen.
Ein offizieller Bericht bestätigt, was Menschenrechtsgruppen schon lange vermutet haben: die Unruhen im letzten Mai, bei denen mehr als 1.200 Menschen umgekommen sind, waren maßgeblich vom Militär geschürt. Bei diesen Unruhen kam es zu systematischen Vergewaltigung von zumeist chinesischstämmigen Frauen und Mädchen. Niemand mußte sich bislang dafür vor Gericht verantworten.
In Aceh, einer Provinz an der Nordspitze Sumatras, führt das Militär seit 9 Jahren Operationen gegen ‚Separatisten‘ durch. Jetzt wurden Massengräber entdeckt; mehrere 1000 Menschen sind Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden. Auch hier finden wir wieder die gleichen Muster der Gewalt. Systematische Vergewaltigung wurde auch hier als Mittel der Kriegführung eingesetzt mit dem Ziel, die Bevölkerung einzuschüchtern, zu erniedrigen und zu terrorisieren. Einige mutige Frauen wagten es dem noch immer übermächtigen Repressionsapparat des Militärs zum Trotz, auszusagen. Die systematische Vergewaltigung von Frauen und Mädchen als Mittel der Kriegführung, Folter, Verschwindenlassen, Terror und Einschüchterung gehören seit 23 Jahren zum leidvollen Alltag der Menschen in Osttimor. Es gibt kaum eine Familie, die keine Opfer zu beklagen hat. Was ost-timoresische AktivistInnen und nicht zuletzt auch Friedensnobelpreisträger Bischof Belo immer wieder betont haben, wurde nun unlängst durch den damaligen Gouverneur von Osttimor, Mario Carrascalão bestätigt: nach dem Santa-Cruz Massaker (12. November 1991) sind ca. weitere 150 OsttimoresInnen vom Militär ermordet und in Massengräbern verscharrt worden.
Der von Präsident Habibie groß inszenierte Truppenabzug war eine Farce. Wie offizielle Armeedokumente, an deren Authentizität kein Zweifel besteht, belegen, ist die Anzahl der Truppen in Osttimor etwa doppelt so hoch, wie von indonesischer Seite bislang zugegeben. Die Truppenstärke wurde seit letztem Jahr sogar noch erhöht, wobei 40 Prozent der Truppen Kampfverbänden zuzurechnen sind. Des weiteren belegen die Papiere, daß paramilitärische Gruppen, die als sogenannte Integrationsbefürworter bei Demonstrationen zum Einsatz kommen, vom indonesischen Militär bezahlt, ausgerüstet und trainierte werden und unter ihrem Kommando agieren. Während die indonesische Regierung auf diplomatischen Parkett mit ihrem Vorschlag, Osttimor einen Autonomiestatus zu gewähren, Gesprächsbereitschaft signalisiert, halten in Osttimor Unterdrückung und Terror unvermindert an.
Am 13. November ging die Polizei, die in Indonesien Teil des Militärs ist, mit scharfer Munition gegen demonstrierende Studentinnen vor. 14 StudentInnen wurden erschossen, zahlreiche weitere schwer verletzt. Längst greift das Militär wieder zu alten Mitteln zurück.
Das Ansehen des indonesischen Militärs in angesichts der zahlreichen Verbrechen in der Bevölkerung ist schwer angeschlagen. Die Menschen fordern die Aufklärung und Ausarbeitung der Menschenrechtsverletzungen, die Bestrafung der Verantwortlichen und politische Maßnahmen, die helfen sollen, Machtübergriffe und Gewaltanwendungen des Staates zu verhindern.
Hierzu gehört auch die Hauptforderung der Reformkräfte, daß das Militär sich von seiner Doppelfunktion (Dwifungsi) verabschiedet, die ihm neben der Landesverteidigung auch einen politische Auftrag erteilt. Solange das Militär die beherrschende politische Kraft in Indonesien ist, wird es weiterhin zu Machtmißbrauch und Machtübergriffen kommen und Reformen werden keine Früchte tragen.