Holzraubbau und Brandrodung bedrohen Sumatras Urwald
Deutsche Welle: Rohstoffe, 14. Mai 2007
Profitgier und Rohstoffhunger haben den Sumatras Regenwald, der vor 100 Jahren noch fast das ganze Land bedeckte, stark dezimiert. Die lokale Bevölkerung profitiert kaum vom großen Geschäft.
Die Regenzeit hat spät begonnen in Sumatra – jetzt aber schüttet es umso heftiger. Spät abends erreicht der Jeep über endlose Schlaglochpisten das Dorf Bukit Lawang im Norden der Insel. Bukit Lawang ist der letzte Vorposten der Zivilisation am Rande des Gunung Leuser Nationalparks, der zwischen den Provinzen Aceh und Nordsumatra liegt: Die Nacht ist pechschwarz – der Boden ist durchweicht und voller Pfützen. Der Regen stürzt wie aus geöffneten Schleusen vom Himmel. Rinnsale fließen zu Sturzbächen zusammen und vereinigen sich schließlich im Fluß Bohorok, der mit wachsender Gewalt aus dem Urwald heraus donnert.
Wenige Minuten später ist das Unwetter zu Ende. Das Rauschen des Flusses wird leiser, und schon einige hundert Meter vom Ufer entfernt erwacht der Regenwald vielstimmig zum Leben. In zahllosen Pfützen, Tümpeln und Bächen melden sich die Bewohner zu Wort. Frösche und Zikaden erfüllen die Nacht mit ihrem Geschrei. Die Artenvielfalt im tropischen Regenwald Indonesiens ist einzigartig. Pflanzen, Vögel, Insekten, Reptilien – bis heute werden immer noch neue Arten entdeckt, während andere bereits vom Aussterben bedroht sind.
Am nächsten Morgen dampft der Boden in der aufgehenden Sonne. Schwüle Hitze macht sich in der kleinen Dschungel-Lodge breit, von der aus ein Trampelpfad direkt in den Urwald führt. Anton, ein erfahrener Waldläufer, führt mich in eines der letzten unberührten Waldgebiete Indonesiens.
Begegnung mit Orang Utans
Ab hier soll der geschützte Teil des Gunung Leuser Nationalparks beginnen, doch längst schon nagt die Zivilisation an seinen Rändern. Holzstümpfe ragen aus dem feuchten Gras, und an hohen weißlichen Bäumen ist unten mit Draht eine Kokosnussschale festgebunden.
Das ist Kautschuk, klärt Anton auf, schon in der Kolonialzeit vor mehr als 60 Jahren sind riesige tropische Regenwaldflächen dieser ertragreichen Pflanze gewichen. Kautschukplantagen begründeten neben Gewürzen den Reichtum der niederländischen Kolonialherren. Und noch heute ist Kautschuk ein wichtiger Exportartikel. Nach einer Stunde Fußmarsch wird der Wald dichter und dichter. Der Himmel verbirgt sich hinter riesigen Baumkronen. Der Boden ist feucht und dumpf unter unseren Schritten. In das Geschrei aus vielerlei Vogelkehlen, mischt sich das Rauschen der Blätter. Kein Wind geht, und doch bewegen sich die Äste. Auf einen Wink von Anton hin bleibe ich stehen. Wenige Meter über mir starren große braune Augen auf die unwillkommenen Besucher.
Im Gunung Leuser Nationalpark leben noch einige tausend Exemplare einer bedrohten Spezies. Der Sumatra Orang Utan ist etwas kleiner als seine Artverwandten im benachbarten Borneo. In den letzten Jahrzehnten sind die Bestände dramatisch zurückgegangen. Skrupelloser Holzraubbau hat den Menschenaffen ebenso zugesetzt wie die Unsitte, die Jungen als Haustiere zu fangen. Mittlerweile steht diese Art der Haltung von Orang Utans in Indonesien unter Strafe. Im Rehabilitationszentrum von Bukit Lawang leben heute einige der ehemaligen Gefangenen. Die Orang Utans werden wieder ausgewildert und in ihrem ursprünglichen Lebensraum angesiedelt. Ebenso wie beim Sumatra Tiger hängt ihr Überleben langfristig allerdings von der Weiterexistenz des tropischen Regenwaldes als Lebensraum ab.
Holzraubbau
In den geschützten tropischen Wäldern Indonesiens darf kein Baum gefällt werden – so steht es jedenfalls im Gesetz. Doch davon ist die Wirklichkeit weit entfernt. Jedes Jahr wird rund eine Million Hektar Regenwald in Indonesien vernichtet – pro Minute ist das umgerechnet immerhin etwa die Fläche von zweieinhalb Fußballfeldern. Das Holz landet in Säge- und Zellstoffmühlen.
Binnen weniger Jahrzehnte verschwanden 90 Prozent des Regenwalds auf Sumatra. Dabei fiel ein großer Teil der wertvollen tropischen Edelhölzer dem Rohstoffbedarf der Papier- und Zellstoffindustrie zum Opfer. Mit dem Wald starb das umliegende Ökosystem durch Vergiftung der Flüsse.
Die Umweltkatastrophe von Bukit Lawang
Chlorhaltige Abwässer haben ein paar hundert Kilometer südwestlich von Bukit Lawang ganze Flüsse vergiftet. Doch auch Bukit Lawang ist von Umweltschäden gezeichnet: Vor gut drei Jahren machte das kleine verschlafene Dorf weltweit Schlagzeilen. Über Nacht war eine riesige Flutwelle aus Wasser, Schlamm und Unmengen von Holz über das Dorf hereingebrochen. Die Welle riss Häuser und Bäume mit sich und begrub unter Holz-, Schutt und Geröll hunderte von Menschen.
Umweltschützer rekonstruieren, was in Bukit Lawang geschehen ist. Oberhalb des Dorfes, mitten im Nationalpark, muss es ein Wasserreservoir gegeben haben, indem illegal gefälltes Tropenholz gelagert wurde. Wegen ungewöhnlich starker Regenfälle brach dann der künstliche Damm.
Das kleine Dorf hat sich von dem Schlag nicht erholt. Die wichtigste Erwerbsquelle, der Tourismus, ist seitdem versiegt. Die Welle der Hilfsbereitschaft ist abgeklungen, denn Katastrophen wie diese gehören mittlerweile zum traurigen Alltag in Indonesien. Sintflutartige Überschwemmungen in Aceh, Hochwasser in Jakarta, Erdrutsche in verschiedenen Orten auf Java – all dies hat in erster Linie eine Ursache: die Vernichtung der Wasser speichernden Wälder.
Plantagenwirtschaft in Sumatra
Die Straße zurück in die Provinzhauptstadt Medan führt an schier endlosen Plantagen vorbei. Kilometer um Kilometer säumen Kautschukbäume- und Ölpalmen die Schlaglochpiste. In Reih und Glied stehen die Bäume. Dazwischen wächst kaum etwas. Auf einem kleinen Marktflecken werden große Bündel einer schmutzig grauen Substanz zu einer riesigen Waage geschleppt, Rohkautschuk.
Auch wenn mit Leib und Seele gefeilscht wird – reich wird keiner der barfüßigen Kautschuksammler, die ihre Ernte auf dem Markt von Bohorok feilbieten. Ob Kautschuksammler, illegale Holzfäller oder kleine Plantagenarbeiter: Das große Geschäft mit Indonesiens Rohstoffen machen andere. 70 Prozent des gesamten indonesischen Einkommens wird in Sumatra verdient – hauptsächlich durch die Ausbeutung seiner natürlichen Reichtümer wie Öl, Mineralien, Gas, Kautschuk, Kaffee, Palmöl und vor allem Holz. Die lokale Bevölkerung profitiert davon kaum.
Kritik von Umweltschützern
Nach acht Stunden erreichen wir endlich die Provinzhauptstadt Medan. Mitten auf der zentralen Kreuzung der Stadt steht ein großes Messgerät. Auf einer Tafel darunter wird in riesigen Lettern der Grad der Luftverschmutzung angezeigt.
Lexie Bessie, erfahrener Lokalreporter einer kleinen Tageszeitung, erklärt, was mit dieser Aufklärungsaktion erreicht werden soll: „Die Wälder werden illegal abgeholzt. Und als Folge davon geschehen dann Katastrophen. Jetzt bemüht sich die Regierung schon, der Bevölkerung ein Bewusstsein zu vermitteln für die Bedeutung des Waldes, damit der Wald nicht nach Belieben gefällt wird.“
Illegale Geschäfte mit tropischen Hölzern beobachtet er als Reporter seit langem. Das Geschäft floriert – aber für ihn ist es schwer die Hintermänner auszumachen. Meist geht es nach dem weltweit bekannten Prinzip „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“, meint er.
Voller Zorn beobachtet er jedes Jahr aufs Neue, wie sich der Himmel über seiner Heimatstadt durch zahllose Waldbrände verdüstert. Insbesondere in der Provinz Riau in Westsumatra, einer Hochburg der Papier und Zelluloseproduktion, brennen die Wälder – sei es um illegales Abholzen zu verschleiern oder um dem Wald neue Flächen für weitere lukrative Plantagen abzuringen.
Denny Purba, Rechtsanwalt und Umweltaktivist aus Medan, sieht ganz konkret Verantwortliche für die Regenwaldzerstörung: „Das ist das organisierte Verbrechen. Wer sind die Leute, die das große Geld machen? Das sind natürlich die, die Unternehmen besitzen, dann die die Macht haben und natürlich die, die das ganze Unternehmen bewachen und absichern. Diese drei Parteien sind es, die die Zerstörung der Regenwälder in Sumatra verursacht haben.“
Dass europäische Verbraucher sich inzwischen beim Einkauf von Möbeln und Parkettböden auf Zertifikate verlassen, die belegen, dass es sich nicht um geschützte Hölzer handelt, kann der Jurist nicht verstehen. Ein gefälschtes Zertifikate könne man an jeder Straßenecke kaufen oder sehr leicht über Bestechungsgelder bekommen, dafür gebe es genügend Beweise. „Ohne klare gesetzliche Regelungen ist das sehr schwer zu beurteilen, ob Holz aus geschützten Wäldern kommt oder nicht.“
Kaum Überlebenschancen für den Nationalpark
Inzwischen zeichnet sich eine weitere Bedrohung für den letzten verbliebenen Regenwald auf Sumatra ab: der stark gestiegene Bedarf an Bauholz. Nichtregierungsorganisationen wollten mehr als 120.000 Häuser für die Tsunami Opfer bauen, berichtet Denny Purba. Das setze die Regierung unter Druck. Sie habe inzwischen schon fünf Konzessionen ausgestellt, um diese Bedürfnisse zu erfüllen, eine zusätzliche Gefahr für den Leuser-Nationalpark. „Die einzige Lösung wäre massive Unterstützung, um das Holz außerhalb Sumatras zu beschaffen, damit es nicht aus dem Regenwald geholt wird.“
Der World Wide Fund for Nature (WWF) sieht kaum eine Zukunft für den tropischen Regenwald Sumatras. Schon in wenigen Jahren, so die düstere Prognose der Umweltschutzorganisation, wird er völlig vernichtet sein – und mit ihm seine einzigartige Flora und Fauna.
Gefahr durch Biodiesel
Ausgerechnet eine vordergründig ökologisch erscheinende Entwicklung könnte die Zerstörung des Regenwaldes noch beschleunigen. Indonesien schickt sich an, weltgrößter Produzent von Biodiesel zu werden. Das rohstoffhungrige China will in Indonesien die größte Biodieselfabrikation der Welt aufbauen. Das, fürchtet die deutsche Indonesien-Expertin Marianne Klute, wird den Regenwäldern den Rest geben: „Für Indonesien bedeutet der Biodiesel Boom in erster Linie Investitionen in Mega-Dimensionen.“ Die Umwandlung von Millionen von Hektar von Regenwald in riesige Monokulturen aber habe vielfältige, kaum abschätzbare sozialen Folgen.
Besonders tragisch dabei ist, dass der in Europa als besonders umweltfreundlich angesehene Biodiesel vor Ort jede positive Umweltbilanz ins Gegenteil verkehrt. Wenn neue Flächen für Ölpalmen geschaffen werden, geschieht das meist durch Brandrodung. Und dabei wird mehr Kohlendioxid freigesetzt, als je mit dem umweltfreundlichen Treibstoff eingespart werden kann. Und wenig spricht dafür, dass für die neuen Plantagen bereits gerodete Flächen genutzt werden.
An der Rodung lässt sich mehrfach verdienen, erklärt Marianne Klute. Zunächst an dem teuren Tropenholz, das sich noch immer gut verkaufen lässt, zweitens an den weniger teuren Hölzern, die an die Papier- und Zellstoffindustrien geliefert werden, und im dritten Schritt, indem man das degradierte Land wieder aufforstet. „Dann ist man auch wieder in der Lage, Gelder aus dem Wiederaufforstungsfonds zu bekommen. Also es gibt eine Möglichkeit, mehrfach am Land zu verdienen, indem man es entwaldet, entforstet und degradiert.“
Für die Menschen in Nordsumatra hat sich der Reichtum an Rohstoffen noch stets als Fluch und nicht als Segen erwiesen, und daran wird sich wenig ändern, bis der letzte Baum gefällt ist. Seit Beginn der Kolonialisierung Indonesiens vor einem halben Jahrtausend machen andere das Geschäft mit den immensen Natur- und Bodenschätzen. Für die meisten Einheimischen bleibt lediglich die Rolle des Tagelöhners.
Sybille Golte-Schröder (spe)