„Islam und Rechtsstaat. Zwischen Scharia und Säkularisierung“
15. September 2007
Fachkonferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Zentrum moderner Orient, am 6. September 2007 in Berlin.
von Samia Dinkelaker
Was bedeutet Gerechtigkeit im Islam? In welcher Beziehung stehen moderne Verfassungen und Religion in ‚islamischen Staaten’? Ist es grundsätzlich denkbar, dass die Scharia-Gesetze so gestaltbar sind, dass sie der Gegenwart angemessen sind? Das waren nur einige der sehr grundsätzlichen Fragen, die auf der Fachkonferenz „Islam und Rechtsstaat. Zwischen Scharia und Säkularisierung“ aufgeworfen wurden.
Die Antworten: Es gibt einen modernen muslimischen Diskurs über Gerechtigkeit, der teilweise auch an säkulare Debatten anschlussfähig ist. Religiöse Begründungen von Politik in modernen Verfassungen können dazu benutzt werden, Grundrechte einzuschränken. Andererseits sind auch europäische demokratische Staaten wie Norwegen religiös begründet. Welche Konsequenzen die Anwendung der Scharia bedeutet, ist schwer zu sagen, handelt es sich doch immer um bestimmte Auslegungen (fiqh) der Quellentexte und wird der Scharia-Diskurs oftmals politisch benutzt. Grundsätzlich ist es aber denkbar, Scharia-Gesetze so auszulegen, dass sie dem aktuellen Kontext entsprechen – allerdings nur, wenn Schriftquellen kontextualisiert werden.
Dass Religion oft politisiert wird, und dass es unmöglich sei, von dem Islam zu sprechen, waren Worte, mit denen z.B. Prof. Dr. Ende und Dr. Farish Ahmad-Noor an die europäische Zuhörerschaft appellierten, denn hierzulande wird häufig die ganze Vielfalt islamischer Theologie, Geschichtsschreibung und Theologie über einen Kamm geschoren.
In der Diskussion um die zunehmende Bedeutung des Islam und seinem Anspruch auf Gestaltung des öffentlichen Lebens in modern verfassten Gesellschaften stand nicht nur der Nahe Osten im Vordergrund, der meistens im Zentrum von medialen wie auch wissenschaftlichen Debatten steht. Zwei der Konferenzbeiträge gingen auf die Situation in Malaysia und Indonesien ein. Prof. Dr. Masykuri Abdillah, Professor für islamische Theologie und Philosophie sowie Vorsitzender des National Boards der Nahdlatul Ulama (der größten islamischen Vereinigung Indonesiens und weltweit), stellte Indonesiens Pancasila als Beispiel dafür vor, dass es einen Weg zwischen Säkularisierung und Scharia gebe. In Indonesien gelte die Scharia zum Beispiel im Familienrecht, die indonesische Verfassung erkenne aber andere Religionen gleichwertig an und schütze Minderheitenrechte. Er plädierte für die Möglichkeit des Kompromisses zwischen demokratischen Werten und den Idealen des Islam.
Die Professorin und Frauenrechtlerin Norani Othman sprach die konkrete Situation für eine multiethnische Gesellschaft wie Malaysia an, die aus der Globalisierung des Islam und den autoritären Zügen des malaysischen Staates resultieren. Die Arabisierung des malaysischen Islam hätte beispielsweise eine Patriarchalisierung von Geschlechterbeziehungen in Malaysia zur Folge gehabt. Norani Othmans Plädoyer galt der Trennung von Religion und Politik. Allerdings bedeute Säkularismus im Zeitalter der Globalisierung für sie nicht, die religiöse Identität vieler MalaysierInnen aufzugeben. <>