Der indonesische Staatsminister für Verwaltungsreform zu Gast

BRANDaktuell Nr. 6/2008, Dez. 2008

www.lasa-brandenburg.de/brandaktuell/Der-indonesische-Staatsminister-fuer-Verwaltungsreform-zu-Gast.433.0.html

Die papierlose Aktenführung der LASA findet Interesse aus Übersee

Anfang November besuchte der indonesische Minister für Verwaltungsreform, Taufiq Effendi, die LASA Brandenburg GmbH, um die Geschäftsführung zur innovativen Methode der elektronischen Aktenführung zu konsultieren. Mit diesem Element des E-Governments setzt die LASA auch ESF-Mittel des Landes Brandenburg um. Im Zuge der in Indonesien zurzeit laufenden Reform des Verwaltungsapparates ist dieser Besuch bereits der zweite.

brandaktuell-logo1Die Regierung der Republik Indonesien versucht seit dem Jahre 2004, das indonesische Verwaltungsverfahren zu reformieren. Das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) diente dabei als Vorlage. Doch weil die Systeme beider Länder zu unterschiedlich sind, blieben Probleme nicht aus. Eine Besonderheit des indonesischen Staatsaufbaus ist der Umstand, dass Regierung und Verwaltung nicht getrennt und unabhängig voneinander sind. In Indonesien spricht man daher von Regierungsverwaltung. Die Reform des Verwaltungsverfahrens wird vom indonesischen Ministerium für Verwaltungsreform und der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) auf Grundlage des Programms ‚Support for Good Governance‘ durchgeführt. Diese Institutionen waren es auch, die den Kontakt zu Pipit R. Kartawidjaja – einem Mitarbeiter der LASA Brandenburg GmbH – herstellten. Er wuchs in Indonesien auf und besitzt aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit in Deutschland und speziell bei der LASA einen besonders guten Überblick über beide Rechtssysteme.

Unterschiede im Verwaltungsverfahren

Pipit R. Kartawidjaja berichtet hier vor der ertsen Delegation im August mit satirischem Augenzwinkern von der elektronischen Aktenführung

Pipit R. Kartawidjaja berichtet hier vor der ersten Delegation im August mit satirischem Augenzwinkern von der elektronischen Aktenführung

Die erste Delegation, die im August die LASA besuchte, bestand aus Beamten aus verschiedenen Ministerien und einer Nichtregierungsorganisation.

Der Geschäftsführer der LASA, Kurt Beckers, hielt damals den ersten Vortrag vor den Delegierten und dem Botschafter der Republik Indonesien. Er beschrieb die Vorzüge des von der LASA bereits umgesetzten ‚E-Governments‘. So war den Gästen die Möglichkeit unbekannt, dass ein Privatrechtssubjekt, wie z. B. eine GmbH, im Auftrag des Staates staatliche Aufgaben im eigenen Namen und in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts (z. B. durch Verwaltungsakt) wahrnehmen kann. Besondere Neugier weckte die Darstellung des Verwaltungsverfahrens in vollständig elektronischer Form, das auch die Brandenburger ESF-Mittel mit einbezieht. Dies war offensichtlich auch der Anlass für den Besuch der zweiten Delegation.

In Indonesien gibt es nur Beamte und Honorarkräfte als Bedienstete der Regierungsadministration. Angestellte, die in Deutschland den größten Teil der im öffentlichen Dienst Beschäftigten darstellen, gibt es in Indonesien nicht. Indonesische Beamte müssen neben der Verfassungstreue auch Treue und Gehorsam gegenüber der Regierung schwören. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass es in Indonesien Korruptionsprozesse gab, in denen der ausführende Beamte letztlich zu einer höheren Strafe verurteilt wurde als der anweisende Vorgesetzte. Ein sogenanntes Remonstrationsrecht – das Recht, aber auch die Pflicht, jede dienstliche Handlung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und Bedenken dem Vorgesetzten gegenüber geltend zu machen -, wie es die deutsche Rechtsordnung kennt, ist in der indonesischen nicht vorgesehen. Unbekannt ist für indonesische Beamte auch eine Aktenführung, die ein Sachstandsblatt sowie Akten- bzw. Prüfvermerke enthält. Im Falle einer Gerichtsverhandlung werden Prüfvermerke rückwirkend erstellt. Auch die Akteneinsicht gibt es in Indonesien nicht.

Die Schulungen fanden überwiegend in der LASA statt. Die anschließenden Diskussionen wurden von Pipit R. Kartawidjaja geleitet, der auch die Darstellung der elektronischen Aktenführung an seinem Telearbeitsplatz übernahm.

Außerdem besuchte die Delegation auch die InvestitionsBank des Landes Brandenburg und die Fachhochschule der Polizei.

Ergebnisse

Kurt Beckers, Geschäftsführer der LASA, Winfried Alber, Staatssekretär im MASGF, und der indonesische Minister Taufiq Effendi

Kurt Beckers, Geschäftsführer der LASA, Winfried Alber, Staatssekretär im MASGF, und der indonesische Minister Taufiq Effendi

Die Delegierten zeigten sich überaus zufrieden mit dem ersten Besuch. Noch während des Aufenthalts in Deutschland bat das indonesische Ministerium für Verwaltungsreform die LASA um weitere Konsultationsmöglichkeiten für Delegationen. Diesen Wunsch konnten die Geschäftsführer der LASA schon sehr bald erfüllen. Am 7. November 2008 besuchte der indonesische Minister für Verwaltungsreform, Taufiq Effendi, zusammen mit einer siebenköpfigen Delegation die LASA. Winfrid Alber, Staatssekretär im Brandenburger Arbeitsministerium, bedankte sich für das Interesse des indonesischen Ministers und erläuterte die Aufgaben der LASA, die diese im Auftrag verschiedener Ministerien zu lösen hat. Den Minister interessierten vor allem die Erfahrungen, die bei der Durchsetzung des Verwaltungsverfahrensgesetzes in der Bundesrepublik gesammelt wurden. Dazu standen Kurt Beckers und einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LASA wieder Rede und Antwort. In der LASA wollte der Minister vor allem die neuen Formen der Dienstleistungen, die die LASA für mehrere Brandenburger Ministerien erfüllt, kennenlernen. Mit der Darstellung des elektronischen Verfahrens von der Antragstellung über die Bescheiderstellung bis hin zur Verwendungsnachweisprüfung ohne Medienbruch konnte der Minister auch davon überzeugt werden, dass das Ziel der LASA vom ‚papierlosen Büro‘ realistische Züge annimmt.

Pipit R. Kartawidjaja und Henning Vetter,
LASA Brandenburg GmbH



Eine indonesische Delegation zu Gast bei der LASA

Vorgeschichte

Die Republik Indonesien versucht seit dem Jahre 2004, das indonesische Verwaltungsverfahren zu reformieren. Im Zuge dieser Bestrebungen wurde eine Gesetzesvorlage formuliert, die dem deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ähnelt.

Es hat sich jedoch dabei herausgestellt, dass die bloße Übersetzung und Übernahme eines Gesetzestextes Probleme mit sich bringen, wenn nicht ähnliche Voraussetzungen etwa im Staatsaufbau und der Arbeitsweise der Verwaltung in dem Staat, aus dem das Gesetz stammt und dem Staat, der das Gesetz übernehmen will, herrschen. Eine Besonderheit des indonesischen Staatsaufbaus ist der Umstand, dass Regierung und Verwaltung nicht getrennt und unabhängig voneinander sind. In Indonesien spricht man daher von Regierungsverwaltung. Die Konsequenz dieser Konstellation wird an folgendem Vorfall deutlich. Im Jahre 2005 gewährte Australien 42 Flüchtlingen aus Papua – eine indonesische Provinz – Asyl. Dies führte zu Unstimmigkeiten zwischen Indonesien und Australien. Die australische Regierung erklärte, dass die Gewährung von Asyl Sache der Einwanderungsbehörde sei und die Regierung auf deren Entscheidung keinen Einfluss habe. Die indonesische Regierung schenkte diesem Vortrag keinen Glauben, da ihr die Trennung zwischen Regierung und Verwaltung nicht geläufig war. Für sie war die Gewährung des Asyls daher letztlich eine Entscheidung der Regierung.

Die Reform des Verwaltungsverfahrens wird vom indonesischen Ministerium für Verwaltungsreform und der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Form des Programms „Support for Good Governance“ durchgeführt bzw. begleitet. Diese Institutionen waren es auch, die den Kontakt zu Pipit R. Kartawidjaja – einem langjährigen Mitarbeiter der LASA Brandenburg GmbH, aufgewachsen in Indonesien – herstellten und ihn bei der Aufklärung über den Inhalt der Gesetzesvorlage sowie bestimmter Rechtsbegriffe beteiligten. Der Anlass für diese Einbeziehung war die Veröffentlichung eines Buches durch Herrn Kartawidjaja mit dem Titel „Regierung ist kein Staat“. In dem Buch befasst er sich rechtsvergleichend mit dem Thema Staat und Regierung in Deutschland und Indonesien. Während einer Vortragsreihe in Indonesien im Jahre 2007 schlug Herr Kartawidjaja vor, eine Delegation nach Potsdam zu senden, um das deutsche Verwaltungsverfahren in Form eines Praktikums bei der LASA zu studieren. Dieser Vorschlag fand Anklang und wurde im Sommer 2008 realisiert.

Der Besuch

Die fünfköpfige Delegation bestand aus zwei hochrangigen Beamten aus dem Ministerium für Verwaltungsreform, zwei hochrangigen Beamten aus dem Nationalinstitut für öffentliche Administration sowie einem Vertreter einer Nichtregierungsorganisation, deren Ziel die Herstellung einer „guten und sauberen Regierung“ ist.

Am 25.08.2008 hielt der Geschäftsführer der LASA Herr Beckers den ersten Vortrag vor den Delegierten und dem Botschafter der Republik Indonesien. Dieser Vortrag hatte die Darstellung der LASA als beliehenes Unternehmen und vor allem die Vorzüge des von der LASA bereits umgesetzten „e-Government“ zum Inhalt. Die Möglichkeit, dass ein Privatrechtssubjekt also beispielsweise eine GmbH im Auftrag des Staates staatliche Aufgaben im eigenen Namen und in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts (z.B. durch Verwaltungsakt) wahrnehmen kann, war den Mitgliedern der Delegation bis dahin unbekannt. Auch die Möglichkeit der Durchführung des Verwaltungsverfahrens in vollständig elektronischer Form war für die Gesandten neu und erweckte deren besondere Neugier.

In den darauf folgenden Wochen wurde die Delegation unter anderem zu den Themen Gewaltenteilung, Behördenbegriff, Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst sowie besonderen Aspekten des VwVfG geschult.

In Indonesien kennt man nur Beamte und Honorarkräfte als Bedienstete der Regierungsadministration. Angestellte, die in Deutschland den größten Teil der im öffentlichen Dienst Beschäftigten darstellen, gibt es in Indonesien dagegen nicht. Indonesische Beamte müssen weiterhin, neben der Verfassungstreue auch Treue und Gehorsam gegenüber der Regierung schwören. Dieser Schwur bringt es jedoch leider auch mit sich, dass wenn ein Minister einem Beamten etwa befiehlt, eine Schwarzkasse einzurichten, dieser den freilich meist mündlich erteilten Befehl befolgen muss. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass es in Indonesien eine Reihe von Korruptionsprozessen gab, in denen der ausführende Beamte letztlich zu einer höheren Strafe verurteilt wurde als der Vorgesetzte. Ein so genanntes Remonstrationsrecht – das Recht aber auch die Pflicht, jede dienstliche Handlung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und Bedenken dem Vorgesetzten gegenüber geltend zu machen – wie es die deutsche Rechtsordnung kennt, ist in der indonesischen somit nicht vorgesehen.

Ungewohnt ist für indonesische Beamte weiterhin eine Aktenführung, die ein Sachstandsblatt, sowie Akten- bzw. Prüfvermerke enthält. In Indonesien werden solche grundsätzlich nicht angefertigt. Im Falle einer Gerichtsverhandlung werden Prüfvermerke rückwirkend erstellt. Auch die Akteneinsicht wird in Deutschland und Indonesien unterschiedlich gehandhabt. Sollten doch Akten- bzw. Prüfvermerke oder Notizen des Vorgesetzten angefertigt worden sein, werden diese dem Antragsteller in Indonesien nicht zugänglich gemacht, da diese dem „Staatsgeheimnis“ unterliegen. Die Schulungen fanden überwiegend in den Räumlichkeiten der LASA statt. Die anschließenden überaus zeitintensiven Diskussionen wurden von Herrn Kartawidjaja geleitet, der auch die Darstellung der elektronischen Aktenführung an seinem Telearbeitsplatz übernahm.

Um der Delegation während ihres vierwöchigen Aufenthaltes etwas Abwechslung zu bieten, wurden neben der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten in Berlin und Brandenburg auch der Besuch der InvestitionsBank des Landes Brandenburg sowie der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg organisiert. In Letzterer dozierte Herr Prof. Dr. Kirchhoff über die rechtmäßige Ausübung von Ermessen. Die indonesische Gesetzesvorlage enthält ebenso wie das deutsche VwVfG Vorschriften zur Ermessensausübung. Die Besonderheit des indonesisches Entwurfes ist der Gebrauch des Wortes „diskresi“, welches mit „freies Ermessen“ übersetzt werden kann. Dies ist jedoch der Grund dafür, dass Kritiker der Vorlage Willkürakte der Regierungsverwaltung befürchten. In der Fachhochschule der Polizei erfuhren die Delegierten, dass im deutschen Verwaltungsverfahren der Ausübung von Ermessen Grenzen gesetzt werden und im öffentlichen Dienst Beschäftigte keineswegs entscheiden können, wie es ihnen beliebt.

Die Delegierten zeigten sich überaus zufrieden mit dem Praktikum. Noch während des Aufenthalts der Delegation in Deutschland ereilte die LASA die Anfrage des indonesischen Ministeriums für Verwaltungsreform, ob die LASA bereit wäre, auch eine zweite oder dritte Delegation in Empfang zu nehmen. Auf die Zustimmung der LASA hin bleibt nur zu hoffen, dass die folgende Abordnung nächstes Jahr nicht den Zeitraum August bzw. September wählt. In diese Monate würde der islamische Fastenmonat Ramadan fallen. Da der überwiegende Teil der Delegierten muslimischen Glaubens war, nahmen die anderen Mitglieder und Herr Kartawidjaja auf diese Rücksicht. Keine Zurückhaltung hingegen mussten die MitarbeiterInnen der LASA zeigen, als auf die freundliche Einladung des Botschafters der Republik Indonesien auf einem kleinen Abschiedsfest schmackhafte indonesische Häppchen gereicht wurden. Dazu wurde noch neben der Überreichung von Gastgeschenken das Land in einem Videovortrag vorgestellt und ein indonesischer Tanz aufgeführt. Derzeit wartet das indonesische Kabinett auf die Zustimmung des Präsidenten, damit die Gesetzesvorlage dem Parlament vorgelegt werden kann. Der Präsident zögert jedoch, da er zum einen seine Kompetenzen beschnitten sieht. Zum anderen enthält die Vorlage anders als das deutsche VwVfG spezielle Regelungen zu Sanktionen. Nach diesen muss der Amtsinhaber, der einen Verwaltungsakt erlassen hat, bis zum Ablauf eines Jahres nach der Pensionierung mit Strafe rechnen, falls der Verwaltungsakt fehlerhaft ist. Zu den Amtsinhabern gehören der Präsident, der Minister, der Abteilungsleiter usw.

Soweit der indonesische Präsident seine Zustimmung erteilt, bedeutet dies jedoch nicht, dass das Gesetz zügig verabschiedet wird und auch zur Anwendung kommt. Der Grund dafür sind die vielen Hürden, die ein Gesetz in Indonesien nehmen muss, bis es letztlich angewandt werden kann. Zunächst bedarf ein solches Gesetz einer Regierungsverordnung, danach eines Ministerbeschlusses und letztlich eines Staatssekretär- oder Ministerialdirigentenbeschlusses. Diese Rechtsakte beinhalten Regelungen, die wohl am ehesten mit deutschen Verwaltungsvorschriften vergleichbar sind. Kommt der Prozess an irgendeiner Stelle ins Stocken, wird das Gesetz keine Anwendung finden. Durch den gestreckten zeitlichen Ablauf kommt es daher insbesondere im Rahmen eines Regierungswechsels häufig dazu, dass der Umsetzungsprozess abgebrochen wird.

Wir wollen es hoffen, dass dem Gesetzentwurf ein solches Schicksal erspart bleibt.

Pipit R. Kartawidjaja
Henning Vetter


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