Alternativer Nobelpreis für den indonesischen Menschenrechtsanwalt Munir: Ein Zeichen gegen Willkür und Gewalt
Berlin, den o5. Oktober 2000
Wir freuen uns, dass der alternative Nobelpreis in diesem Jahr dem engagierten indonesischen Menschenrechtler und Rechtsanwalt Munir verliehen worden ist. Damit hat das Preiskomitee ein wichtiges Zeichen gegen die Willkür und die unaufhörlichen Gewaltakte des indonesischen Militärs gesetzt, die den empfindlichen Prozess der Demokratisierung Indonesiens massiv bedrohen.
Munir ist einer der angesehensten Menschenrechtler Indonesiens, Rechtsanwalt der bekannten Rechtshilfeorganisation LBH (Lembaga Bantuan Hukum). 1998 gründete er die Kommission für Verschwundene und Opfer der Gewalt, KONTRAS. In einem letzten Aufbäumen ließ die damalige Suharto-Regierung Dutzende von Aktivisten durch militärischen Sondereinheiten entführen. Von einigen fehlt noch immer jegliche Spur. Hauptsächlich den genauen Recherche von KONTRAS ist zu verdanken, dass die indonesische Armee weithin als schlimmer Menschenrechtsverletzer erkannt wurde.
Nach dem erzwungenen Rücktritt Suhartos stieg Munir nicht in die aktive Politik ein. Vielmehr legte er seinen Finger immer wieder auf Unrecht und undemokratische Machenschaften. Während Habibies Übergangsregierung war er Mitglied des Unabhängigen Wahlbeobachtungskomitees KIPP bei den Parlamentswahlen im Juni 1999.
Indonesien kommt nicht zur Ruhe, Gewalt und blutige Konflikte erschüttern das Inselreich von Aceh bis West-Papua, von den Molukken bis an die Grenze von Ost-Timor. KONTRAS ist heute längst zu einer breiten Bewegung gewachsen und unterhält Büros im ganzen Land. KONTRAS recherchiert Hintergründe, sammelt Beweise und dokumentiert Menschenrechtsverletzungen, kümmert sich um die Opfer, prangert Misstände an und setzt sich für eine Gesetzgebung und politische Maßnahmen ein, die Machtübergriffe und Gewaltanwendungen seitens der Staates verhindern. Hierzu zählt insbesondere, den Teufelskreis der Straflosigkeit zu beenden, dessen sich das Militär in Indonesien bislang erfreut – ein mutiges Unterfangen.
Als Reaktion auf den internationalen Druck angesichts von Massaker und Vertreibungen in Ost-Timor während und nach des Referendums im August 1999, verbunden mit der Androhung, ein Internationales Tribunal einzurichten, setzte die indonesische Menschenrechtskommission KOMNAS HAM ein Untersuchungsteam (KPP HAM) ein, dem auch Rechtsanwalt Munir angehört. In ihrem Bericht nennt die Kommission eine Reihe von Verantwortlichen, darunter hochrangige Angehörige des indonesischen Militärs. KPP HAM sprach sich für die Einrichtung eines nationalen Menschenrechtsgerichtshofes aus. Doch auf der kürzlich von der Staatsanwaltschaft veröffentlichen Liste der Anzuklagenden fehlen wichtige Milizenführer wie auch Mitglieder der Führungselite im indonesischen Militär.
„Unsere Möglichkeiten, Verantwortliche vor Gericht zu bringen, schrumpfen in dem Maße wie die internationale Aufmerksamkeit nachläßt“, so Munir bei seinem Besuch in Deutschland auf Einladung von Watch Indonesia! im Juli diesen Jahres. Munir plädiert angesichts der fruchtlosen Bemühungen der indonesischen Justiz, die wirklichen Täter und Verantwortlichen zu benennen und vor Gericht zu bringen, inzwischen entschieden für die Einrichtung eines Internationalen Tribunals.
Seit dem Ausbruch des Konflikts auf den Molukken im Januar 1999 ist KONTRAS auch auf den Gewürzinseln präsent. Unaufhörlich macht die Organisation darauf aufmerksam, dass es sich nicht um einen ethnischen oder religiösen Konflikt handelt, sondern dass vielmehr Provokateure des Militärs oder Suharto-naher Kreise die Unruhen entfachen und für politische Zwecke ausnutzen. Munir warnte schon früh davor, dass die Gewalt auf den Molukken eskalieren wird.
Auch in der krisengeschüttelten Provinz Aceh in Nord-Sumatra, wo Tausende von Menschen auf der Flucht sind und die Gewalt bislang auch nicht durch die so genannte humanitäre Pause, einen Waffenstillstand zwischen der indonesischen Regierung und der bewaffneten Unabhängigkeitsbewegung GAM, eingedämmt werden konnte, engagiert sich KONTRAS. Mitglieder von humanitären Hilfsorganisationen und Menschenrechtsorganisationen werden in ihrer Arbeit dort massiv bedroht. Vor 4 Wochen fand man in Medan die Leiche des Menschenrechtsanwalt Jafar Siddiq Hamzah. Auch heute bezahlen Menschenrechtler in Indonesien für ihren Einsatz mit dem Leben.
Der alternative Nobelpreis ist nicht die einzige Anerkennung für die Arbeit Munirs. Schon Ende 1998 empfing er in Jakarta den bedeutenden Yap Thiam Hien Menschenrechtspreis.
Wir verbinden mit dem alternativen Nobelpreis die Hoffnung, dass die Bemühungen des engagierten Menschenrechtsanwalts und seiner MitstreiterInnen, die vielfältigen Menschenrechtsverletzungen, die von der Regierung der „Neuen Ordnung“, ihren Streitkräften und von diesen ausgehaltenen Milizen in Indonesien und Ost-Timor begangen wurden, aufzuklären und die Täter vor Gericht zu bringen, jetzt deutlicher international unterstützt werden. Nur die Aufarbeitung der Vergangenheit kann dazu beitragen, zukünftigem Unrecht Einhalt zu gebieten Insbesondere hoffen wir, dass die internationale Aufmerksamkeit dazu beitragen mag, die Menschenrechtsaktivisten vor Terror und Gewaltanwendung zu schützen.