Presseerklaerung

Watch Indonesia! fordert transparente und lückenlose Aufklärung des Mordes an Munir

Presseerklärung 15. November 2004

Foto: Monika Schlicher


Unser Freund und Kollege Munir, der wohl bekannteste Menschenrechtsaktivist Indonesiens, wurde vergiftet. Er starb qualvoll im Flugzeug auf dem Weg von Jakarta nach Amsterdam. Die Gewissheit über die Ursache seines Todes hat uns mehr als zwei Monate nach seinem Ableben ein zweites Mal tief erschüttert.

Spekulationen über einen unnatürlichen Tod kursierten von Anbeginn. Trotz des Wissens um zahlreiche frühere Anschläge auf Munirs Leib und Leben konnten und wollten wir das Undenkbare nicht denken. Es war nicht zuletzt Munir selbst, der uns immer wieder davon berichtete, welcher Beliebtheit sich Verschwörungstheorien in Indonesien erfreuen und welche zerstörerische Wirkung diese entfalten können. Es ist umso schwerer zu ertragen, dass der Autopsiebericht nun die Spekulationen um die Ursache von Munirs Tod bestätigt. Solange der Fall nicht lückenlos und zweifelsfrei aufgeklärt ist und die Täter nicht verurteilt sind, stehen neuerlichen Spekulationen Tür und Tor offen. Wahrscheinlich war genau dies das Interesse des Täters bzw. der Täter. Nicht nur unter Menschenrechtsverteidigern wird sich neue Angst breit machen.

Erinnerungen werden wach an mysteriöse Todesfälle der letzten Jahre: So starb im Juli 2001 der als integer und tatendurstig angesehene Generalstaatsanwalt Baharuddin Lopa völlig unerwartet auf einer Pilgerreise in Saudi Arabien. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Die indonesischen Behörden wünschten ausdrücklich keine Autopsie und ließen Lopas Leiche umgehend nach Hause überführen.

Weniger als zwei Monate nach Baharuddin Lopa verstarb ebenso plötzlich Generalleutnant Agus Wirahadikusumah an Herzversagen, wie es offiziell hieß. Der 49-Jährige galt als DER reformorientierte General schlechthin, auf den sich viele Hoffnungen stützten. Innerhalb des Militärs hatte er sich jedoch durch Aufdeckung eines Korruptionsskandals Feinde gemacht. Etwa ein Jahr vor seinem mysteriösen Tod war er auf eine einflusslose Schreibtischposition versetzt worden.

Keine Zweifel ließ dagegen der Mord an Richter Syaifuddin Kartasasita offen. Er wurde im Juli 2001 in Jakarta von bezahlten Auftragskillern auf offener Straße erschossen. Kartasasita hatte es gewagt, Tommy Mandala Putra, den Sohn des früheren Diktators Suharto, zu einer mittleren Haftstrafe wegen Korruption zu verurteilen.

Bei aller Unterschiedlichkeit im Detail transportieren alle vier genannten Todesfälle dieselbe Botschaft: Wer sich in Indonesien darum bemüht, die Wahrheit über Menschenrechtsverletzungen oder korrupte Machenschaften ans Licht zu bringen, lebt gefährlich. Es steht zu befürchten, dass diese Einsicht auch die Ermittlungen im Fall Munir beeinflussen wird.

Die lange Dauer zwischen Abschluss der forensischen Untersuchungen in den Niederlanden und der Bekanntmachung des Autopsieberichtes wirft Fragen auf. Die Untersuchungen an der Leiche des Dienstag, den 7. September 2004, Ermordeten waren nach wenigen Tagen abgeschlossen. Schon am darauf folgenden Wochenende konnten Munirs sterbliche Überreste nach Indonesien überführt und dort beigesetzt werden. Das Ergebnis muss also bereits damals festgestanden haben. Ist die seither verstrichene Zeit auf ermittlungstaktische Gründe zurück zu führen oder wurde sie für diplomatische Abstimmungen zwischen den Behörden der Niederlande und Indonesiens genutzt?

Suciwati, die Witwe Munirs, erhielt bis heute keine Kopie des Berichtes ausgehändigt, obgleich sie mehrfach ihren Anspruch darauf bekräftigte, diesen als erste zu erhalten. Es ist viel verlangt, den Behörden uneingeschränktes Vertrauen entgegenzubringen, wenn man die Annahme zugrunde legt, bei dem Mord könnten staatliche Organe wie beispielsweise das Militär ihre Finger im Spiel gehabt haben.

Tatsächlich drängt sich der Verdacht geradezu auf, dass die Tat von Angehörigen des Militärs begangen oder in Auftrag gegeben wurde. Wer sonst hätte ein Motiv gehabt, Munir vor den Augen hunderter Passagiere im Flugzeug sterben zu lassen? Dies und die sicherlich einkalkulierte Feststellung der Todesursache durch die Behörden eines allgemein als glaubwürdig geltenden Staates scheinen Hinweis darauf zu geben, dass die Tat als Mord – und somit als Warnung für andere – erkennbar sein sollte.

Andererseits ist ein solches Szenario so nahe liegend, dass schon alleine deshalb Zweifel angebracht sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit den sich aufdrängenden Verdächtigungen in Richtung Militär eine falsche Fährte gelegt werden sollte.

Die lückenlose und transparente Aufklärung sowie die strafrechtliche Ahndung der Tat werden zu einem ersten Lackmustest für die Ernsthaftigkeit und Fähigkeit der neuen Regierung unter Präsident Susilo Bambang Yudhoyono in ihrem erklärten Bestreben nach mehr Rechtsstaatlichkeit werden. Wir gehen davon aus, dass sich die führenden Politiker Indonesiens dieser Verantwortung bewusst sind. Präsident Yudhoyono hat Berichten zufolge bereits aus Kairo angeordnet, das Ergebnis des Autopsieberichts in transparenter Weise weiterzuverfolgen.

Wir rufen die indonesische Regierung auf, eine lückenlose, zweifelsfreie Aufklärung des Mordes an Munir sicherzustellen.

Munir war in Deutschland mehrfach Gast von politischen Stiftungen, Hilfswerken, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen. Er traf sich zu Gesprächen mit deutschen Staatsministern, Abgeordneten, Ministerialbeamten, Gerichtspräsidenten, Diplomaten und Medienvertretern. An sie alle appellieren wir, gegenüber der Regierung Indonesiens die Bedeutung der Aufklärung des Mordes an Munir zu unterstreichen und sich rückhaltlos für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern einzusetzen. <>


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