Fremdwort Nachhaltigkeit
iz3w, Heft 298 (2007) Schwerpunkt: Energie
http://www.iz3w.org/iz3w/Ausgaben/298/298.html
Biodiesel aus indonesischen Palmölplantagen
von Marianne Klute, Watch Indonesia!Der indonesische „Bio“dieselboom
Borneo brennt. Jahr für Jahr fressen die Feuer den Regenwald. Ungeheure Mengen an Treibhausgasen werden frei. Die Wälder brennen, damit Platz für Ölpalmplantagen entsteht, aus deren roten Früchten „erneuerbarer“ Treibstoff, so genannter Biodiesel, hergestellt wird.
„Bio“diesel boomt in Indonesien. Präsident Susilo Bambang Yudhoyono nennt den „Bio“dieselsektor die „Lokomotive für das wirtschaftliche Wachstum“. Die Geschäftswelt investiert wie schon lange nicht mehr, und Indonesiens Börse spielt verrückt. Dutzende „Bio“dieselfabriken sind im Bau, schweres Gerät und Brandstifter sind unterwegs, um den Wald „urbar“ zu machen. Mit aller Macht verfolgt Indonesien sein Ziel, der weltweit größte Produzent von Palmöl zu werden.
Ein Grund für den Boom ist der steigende Bedarf in den Industriestaaten. Die Regierung Japans will den Anteil von „Bio“diesel am Erdöl-Diesel auf 3-5% steigern. Ähnlich sieht es in der EU aus; bis 2010 soll der „Bio“dieselanteil auf 5,75% erhöht werden. Diese Ziele können die Staaten nicht mit den eigenen Agrarflächen erreichen. „Bio“diesel und Rohpalmöl müssen importiert werden.
Malaysia und Indonesien beherrschen mit 80% den weltweiten Palmölmarkt. Hauptabnehmer sind die Lebensmittel-, Kosmetik- und Waschmittelbranchen. Dieser Markt wächst kräftig, doch erst das Zugpferd „Bio“diesel soll Indonesien Wirtschaftsaufschwung bringen. Nach Plänen des Landwirtschaftsministeriums soll die Produktion von Rohpalmöl bis 2025 auf das Dreiundvierzigfache gesteigert werden. 40% davon sollen im Land selbst zu „Bio“diesel verarbeitet werden. Mit diesen Aussichten fühlt sich Indonesien so euphorisch wie ein Kleinbauer, der in seinem Wald eine sprudelnde Ölquelle entdeckt hat.
Für diese extreme Ausweitung der Produktion sind neue Plantagen erforderlich. Zur Zeit sind 6,5 Millionen Hektar mit Ölpalmen bepflanzt. Weitere 20 Millionen Hektar sind langfristig anvisiert und zum Teil schon genehmigt. Nach Angaben des Staatlichen Statistischen Amtes verfügt das Land über genau diese Fläche (22 Mio. ha) an degradiertem Land, kahl geschlagen, erodiert und wüst.
Energie versus Wald
Visionäre, die über die Verteilung der Ressourcen der Welt nachdenken, weisen Indonesien die Rolle des Palmöllieferanten zu, zusammen mit Malaysia, das nicht nur eigenes, sondern auch indonesisches Palmöl verarbeitet. 22 Millionen Hektar degradiertes Land – noch bis gestern Regenwald –, mit Ölpalmen bepflanzt, könnten zur Lösung der Energieprobleme beitragen. Oder? Die Realität sieht anders aus.
„Bio“diesel aus Palmöl ist nur profitabel, wenn es subventioniert wird oder wenn zusätzlich am Tropenholz verdient wird. Das heißt Kahlschlag. Dann wird Feuer gelegt und der restliche Wald abgebrannt. Etwa 80% aller Waldbrände sind auf Plantagen zurückzuführen. In dieser Saison 2006 gab es allein im indonesischen Teil Borneos schon mehr als 5.000 Brände. Die Prognosen für das kommende Jahr (2007) sind düster; der El Niño wird Indonesien eine lange Trockenzeit bescheren, mit noch mehr Feuern. Mit dem Wald sterben die Tiere, oder sie fliehen vor den Feuern in Dörfer und Plantagen, wo sie oft elendig umkommen.
Folge von Kahlschlag und Feuer sind ungeheure Mengen von Kohlendioxid. 25-30% der weltweiten Treibhausgase sind, Schätzungen der FAO zufolge, das Resultat von Abholzung und Waldbrand. Die Idee, erneuerbare Energien zur Reduktion von Treibhausgasen zu nutzen, wird so durch die indonesische Praxis konterkariert. Dies hat gravierende globale Folgen: Verlust an Biodiversität, Anstieg von Treibhausgasen, Einfluss auf das globale Klima.
Der indonesische Regenwald ist in einem höchst kritischen Zustand. 70%, ja örtlich sogar 90% des Holzes stammen aus illegalen Quellen. Jeder Eingriff in den Wald müsste nach Ansicht von Umweltschützern und verantwortlichen Politikern sofort verhindert, der Restwald geschützt werden. Eine Vielzahl von Programmen, den Kahlschlag zu stoppen, sind allesamt gescheitert, an den spezifisch indonesischen Gegebenheiten: der international verstrickten Holzmafia, die sich um die Staatsmacht nicht schert; Korruption bis in höchste politische Ebenen und fehlender Rechtssicherheit.
Doch im Wettkampf um Agrarflächen scheint der Regenwald Indonesiens auf der Verliererseite zu sein. Die Insel Sumatra ähnelt jetzt schon einer einzigen Megaplantage. Nun wird Borneo umgewandelt, in eine Art Treibhaus, in dem für den industriellen und den Energiebedarf der Industriestaaten produziert werden soll.
Diesel versus Livelihood
Die Liste der indonesischen Konglomerate, die eine Genehmigung für Ölpalmplantagen beantragt haben, um beim „Bio“dieselboom dabei zu sein, liest sich wie das „Who is Who“ der indonesischen Business- und Politikelite, plus eine Reihe malaysischer Firmen und internationaler Konzerne. Zellstoffmultis sind dabei, ein Gemischtwarenkonzern des Militärs, diverse Tabakkönige, die Suharto-Familie. Sie setzen auf Megaplantagen in großem Stil.
Es gibt nur ein Ziel: an der Geldpalme zu verdienen. Nach zwanzig Jahren sind die Böden ausgelaugt, der Wasserhaushalt gestört und die Umwelt mit Düngemittel und Pestiziden vergiftet. Zurück bleibt verwüstetes Land. Nicht nur ökologische Nachhaltigkeit, auch soziale ist ein Fremdwort. Die Arbeitsbedingungen sind kaum besser als die Heerendienste zur holländischen Kolonialzeit.
In arge Bedrängnis kommen bäuerliche Gemeinden und Indigenengruppen. Sie werden buchstäblich mit Gewalt aus ihren Wäldern vertrieben. Das ist eine beliebte und preiswerte Praxis, bestens während der Zeit der Suharto-Diktatur erprobt. Ein Plantagenunternehmen braucht dann kein Land zu kaufen, sondern „erschließt“ bisher angeblich ungenutzten Wald.
Land ist aber kein Niemandsland, es gehört seit alter Zeit den Menschen, die dort leben. Sie verlieren ihre Lebensgrundlage, und wenn sie sich gegen die unrechtmäßige Enteignung wehren, schlägt Polizei oder Militär zu. In Indonesien gibt es Hunderte von ungelösten Landrechtskonflikten auf Plantagenland, Tausende von Menschenrechtsverletzungen bei der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen, und jeder neue Investor muss davon ausgehen, dass seine Plantage auf Terrain angelegt wurde, das ursprünglich von der lokalen Bevölkerung genutzter Regenwald war. Betroffen sind nicht nur verstreute, kleine Indigenengruppen, sondern Millionen von Menschen.
Ist eine auf wenige Jahre begrenzte minimale Verschiebung unseres Energiespektrums es wert, dass großartige tropische Ökosysteme gnadenlos vernichtet werden? Dass andere Menschen im Interesse unseres Energiekonsums Gewalt erleiden und in Not geraten müssen? Dass wir unser Energieproblem ohne Rücksicht und auf Kosten anderer lösen? <>