Zweifel an der Autonomiegesetzgebung in West Papua
VEM-Infoservice, 05. April 2007
»Jakarta gibt uns einen Fisch, lässt aber den Schwanz nicht los«
Jochen Motte
Vom 21. bis 23. März 2007 trafen sich 35 Vertreter und Vertreterinnen europäischer Kirchen sowie Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen in Königswinter, um mit Gästen aus West Papua, Indonesien, um Fortschritte und Hemmnisse bei der Umsetzung der Autonomiegesetzgebung aus dem Jahr 2001 zu diskutieren. Zu der vom West-Papua-Netzwerk, Watch Indonesia! und der Vereinten Evangelischen Mission durchgeführten Tagung waren neben Mitgliedern der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in West Papua (GKI), der Vorsitzende des Volksrates der Papua sowie ein Vertreter des Gouverneurs der Provinz Westpapua gekommen.
Die Gäste hatten zuvor Gespräche mit Bundestagsabgeordneten, dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung sowie Vertretern von Ministerien geführt. Weitere Gespräche waren im Anschluss in Den Haag und Brüssel geplant. Nach 2003 fand damit zum zweiten Mal eine Tagung in Deutschland statt, die sich mit Fragen der indonesischen Autonomiegesetzgebung in West Papua befasste.
Armutsbekämpfung, Verbesserung der Gesundheitsversorgung, Reformen im Bildungsbereich, faire Beteiligung an der Ausbeutung von Rohstoffen in Papua, Sicherung indigener Landrechte, Förderung von Kleinstunternehmen durch Ausbildung und Zugang zu Krediten, besonderer Schutz von Frauen und Kindern, Aufbau eines unabhängigen Justizsystems unter Beteiligung von Papuas – das waren nur einige der Forderungen, die Vertreter von Kirchen und Nicht-Regierungs-Organisationen aus Papua an die indonesische Regierung aber auch an ihre eigene Provinzverwaltung richteten.
Zwar gibt es mit der Einrichtung eines Volksrates der Papua mit Vertretern indigener Völker sowie der Wahl zweier Gouverneure neue föderale Strukturen, im Rahmen der Autonomiegesetzgebung in Papua. Viele Entscheidungen der Zentralregierung, wie beispielsweise die 2003 verfügte Teilung der Provinz, werden von den Papuas demgegenüber als gezielte Verstöße gegen Geist und Buchstaben der Autonomiegesetzgebung angesehen. »Jakarta hat uns mit der Autonomiegesetzgebung einen Fisch überreicht, hält aber gleichzeitig den Schwanz des Fisches fest.« Mit diesem Bild brachte ein Papua die Zweifel darüber zum Ausdruck, ob Indonesien an einer ernsthaften Umsetzung der Autonomie wirklich interessiert ist.
So fehlen weithin ausführende Gesetze zum Autonomiestatut. Vorschläge, wie sie der Volksrat der Papuas vorgelegt hat, werden von der Zentralregierung bzw. vom Gouverneur und dem Provinzparlament nicht bestätigt.
Noch bedrückender ist aus Sicht der Papuas das seit März 2006 vorherrschende Gefühl der Einschüchterung und Unsicherheit. Auf dem Hintergrund der Niederschlagung der Studentenproteste vorn März 2006 und der Verurteilung der Beteiligten zu mehrjährigen Haftstrafen im August 2006 trauen die Papuas sich nicht mehr, öffentlich ihre Meinung kund zu tun. So stehen immer noch viele Studentenwohnheime in Jayapura leer, weil die geflohenen Studenten bei Rückkehr Einschüchterung und Verfolgung durch die Polizei und das Militär fürchten.
Beklagt wurde darüber hinaus die Korruption in Militär, Polizei und politischen Institutionen, die verhindert, dass Geld für Gesundheit und Entwicklung bei den betroffenen Papuas ankommt. Nun sollen zwar Gelder direkt vom Gouverneur an die Kommunen gezahlt werden, es bestehen aber Zweifel, ob dieses Verfahren tatsächlich zu Projekten führt, die der Entwicklung dienen und die Gelder nicht für Konsum verwandt werden. Auch im Blick auf .die geplante Nutzung von riesigen Flächen in Papua als Palmölplantagen ist zu klären, ob dabei nicht Landrechte der Papuas gefährdet sind und ob die Plantagen Ökologie und Umwelt in Papua nicht schwerwiegend gefährden.
Von Seiten der deutschen und internationalen Organisationen wurde betont, dass die indonesische Regierung weitere Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und Sicherung der Menschenrechte im Rahmen der Autonomiegesetzgebung treffen müsse. Nur so könne das Gesetz auch weiterhin die Grundlage für eine friedliche Entwicklung in Papua sein, bei der die Papuas ihre Eigenständigkeit und ihr Recht auf Selbstbestimmung im Kontext der nationalstaatlichen Einheit Indonesiens wahren bzw. wiedererlangen können. Hoffnungen setzt man dabei auch auf die Europäische Union, die die Eröffnung eines Kontaktbüros in Jayapura plant und im Juni 2007 eine Besuchsreise mit Vertretern und Vertreterinnen der Botschaften aus Jakarta nach Papua durchführen will.
Angesichts der offensichtlichen Probleme bei der Umsetzung des Autonomiegesetzes wurde die Frage gestellt, ob eine Vermittlung von außen zwischen Papuas und Jakarta nicht notwendig ist, sofern Jakarta dies akzeptieren würde. In Arbeitsgruppen wurden eine Reihe von konkreten Maßnahmen diskutiert, durch die die Situation der Partner in Papua gestärkt werden kann. Dazu zählen unter anderem Hilfen im Bereich ,capacity building‘, Ausbildung, Gesundheit, Mikrokredite sowie die Unterstützung bei der Stärkung regionaler Menschenrechtsinstrumente (wie Komnas Ham) sowie bei der Bildung von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen in Indonesien. Auch sollen die Gerichtsverfahren gegen die Studenten vom vergangenen Jahr und die in diesem Zusammenhang erhobenen .Foltervorwürfe weiter öffentlich thematisiert werden.
Am Rande der Tagung feierte das West-Papua-Netzwerk sein 10-jähriges Bestehen. Angesichts der oben angesprochenen schwerwiegenden Probleme, vor denen die Papuas stehen, dankten die Gäste aus Papua den deutschen und europäischen Partnern für ihre Unterstützung und Solidarität. Dazu sind Begegnungen und das gemeinsame Gespräch, wie es die Tagung von Königswinter ermöglichte, unerlässlich. Für die Partner aus Europa wurde erneut deutlich, wie skeptisch die Papuas der Entwicklung in ihrer Region gegenüberstehen und welche Ängste und Vorbehalte die Politik Jakartas bei den Papuas weckt. Für die Gäste waren die Anstöße aus der Diskussion zugleich Ermutigung in ihrem Eintreten für eine friedliche Entwicklung für ein »Papua als Land des Friedens« in dem Papuas ohne Furcht vor Diskriminierung leben und wo ihre grundlegenden Menschenrechte gewahrt und geschützt werden.