gemeinsamePresseerklaerung

Tagung des Runden Tisches zu West Papua

Berlin, den 27. Juni 2000

Presseerklärung des West Papua Netzwerks zur Tagung des Runden Tisches zu West Papua am 29. und 30. Juni 2000 in Berlin

(Heinrich Böll Stiftung – Hackesche Höfe – Rosenthaler Str. 40-41)

westpapuanetzwerk Das West Papua Netzwerk fordert dringend von der Bundesregierung, auf die indonesische Regierung einzuwirken, der Eskalation von Gewalt in West Papua (Irian Jaya) entgegenzuwirken, eine deutliche Reduzierung der militärischen Präsenz in West Papua vorzunehmen und den auf eine friedliche Lösung ausgerichteten Dialog mit der Bevölkerung West Papuas fortzusetzen. Als Voraussetzung einer friedlichen Lösung ist es unerlässlich, dass die indonesische Regierung endlich ernsthafte Anstrengungen unternimmt, die in der Vergangenheit in West Papua begangenen Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, die Verantwortlichen für Terror und Massaker vor Gericht zu stellen und die Opfer zu entschädigen. Des weiteren fordern wir die Bundesregierung auf, im Rahmen der Entwicklungshilfe konkrete Projekte der zivilen Konfliktprävention anzuregen und zu fördern sowie sich in der internationalen Gemeinschaft (EU und UN) für eine umfassende Lösung der Problemregion West Papua einsetzen. Das West Papua Netzwerk befürchtet, dass sich in West Papua (Irian Jaya) ein zweites Ost Timor abzeichnet. In den letzten Wochen haben sich in verschiedenen Städten West Papuas pro-indonesische und pro-Unabhängigkeit-Milizen gebildet. Die pro-indonesischen Milizen, meist Bewohner von Transmigrationsdörfern, werden von der indonesischen Armee bewaffnet und von pensionierten Soldaten ausgebildet. Die indonesische Regierung plant, fünf bis sechs weitere Bataillione Militär und Polizei nach West Papua zu verlegen und so die Präsenz der bewaffneten Sicherheitskräfte erheblich zu verstärken. Daher hat das West Papua Netzwerk in Zusammenarbeit mit Watch Indonesia! und der Heinrich-Böll-Stiftung zu einem Runden Tisch in Berlin eingeladen. Politiker und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Hilfswerken und Kirchen beraten zwei Tage lang zusammen mit prominenten Persönlichkeiten aus West Papua / Indonesien, welche Möglichkeiten es gibt, die äußerst gespannte Situation in West Papua präventiv zu beeinflussen. Die Beratungen sollen zu einem besseren gegenseitigen Verständnis von Indonesiern, Deutschen und Papua beitragen. Das West Papua Netzwerk ist ein Forum, zu dem sich ca. 20 Nichtregierungsorganisationen und mehrere Einzelpersonen zusammengeschlossen haben.

Kontakte:

Watch Indonesia! – Alex Flor, Dr. Monika Schlicher- Planufer 92d – 10967 Berlin – Tel./Fax 030-69817938 – Mobil: 0179 – 2922536 Koordinationsstelle des West Papua Netzwerks – Dr. Siegfried Zöllner -Rudolfstr. 137 – 42285 Wuppertal – Tel. 0202-89004170 oder 02336-81357 – Mobil: 0173-2845134 Beirat des West Papua Netzwerks: Dr. Anita Heller, Kirchliche Partnerschaften; Esther Hoffmann, Watch Indonesia!; Dr. Jochen Motte, Vereinte Evangelische Mission; Hartmut Poth, Regenwaldgruppe Bochum; Wolfram Walbrach, Evangelische Kirche im Rheinland.

Wir freuen uns folgende Experten aus Papua und Indonesien zu Besuch zu haben:

Ing. Agus Rumansara ist Agrarökonom, war Mitbegründer und Leiter der „Stiftung für Dorf-entwicklung“ (YPMD) und der „Stiftung zur Förderung von Kleinunternehmern“ (YPPWI). Er ist zur Zeit Direktor des WWF in Jayapura, West Papua. Dr. Benny Giay ist Mitglied des neugewählten Exekutivrates des West Papua Volkes. Er ist Dozent für Kirche und Gesellschaft an der Theologischen Hochschule „Walter Probst“ in Jayapura, West Papua. Pfr. Nato Gobay ist einer der bedeutendsten katholischen Geistlichen und leitete viele Jahre die Regionaldiözese Timika, West Papua. 1995 und 1997 war er beteiligt an den Veröffentlichungen der ersten systematischen Berichte über Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der Kupfermine Freeport. Dominggas Nari arbeitet in der „Stiftung für Dorfentwicklung“ (YPMD) in Jayapura im Bereich der Entwicklung und Stärkung von Stammesvertretungen. John Rumbiak, Leiter des Institute for Human Rights Studies and Advocacy in Jayapura Dr. George Aditjondro hat sich seit vielen Jahren in Forschung und Lehre in kritischer Weise mit der Umwelt- und Menschenrechtssituation in Ost-Timor und West Papua befasst. Wegen seines Engagements für Ost-Timor war er vor einigen Jahren gezwungen, Indonesien zu verlassen. Seither arbeitet er an der University of Newcastle in Australien u.a. über die personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen des Suharto-Regimes.

Hintergrundinformationen:

Am 1. Dezember 1961 hatte die damalige niederländische Kolonialmacht ein „Übergangsparlament“ eingesetzt, das die Unabhängigkeit „Niederländisch Neuguineas“ vorbereiten sollte. Doch auf Druck der USA, die befürchteten, Indonesien werde in den Ostblock abdriften, mussten die Niederlande West Papua an Indonesien übergeben. So wird West Papua seit dem 1. 5. 1963 von Indonesien verwaltet. Laut Übergabevertrag (New York Agreement August 1962) verpflichtete Indonesien sich zwar, nach sieben Jahren ein Referendum unter der Bevölkerung West Papuas durchzuführen. Doch im sog. Act of Free Choice 1969 mussten 1025 handverlesene Repräsentanten unter Drohungen und Einschüchterungen für den Anschluss an Indonesien stimmen. Die UNO akzeptierte diesen Skandal mit ihrem Beschluss Nr. 2504 vom 19. 11.1969. In West Papua ist am 4. Juni 2000 ein Kongress zu Ende gegangen, der von tausenden Papua aus allen Landesteilen besucht wurde. Die 500 Delegierten dieses Kongresses forderten einen Dialog zwischen den Regierungen Indonesiens, der Niederlande, der Vereinigten Staaten und den Vereinten Nationen mit dem Ziel, die Geschichte der Annektion West Papuas durch Indonesien aufzuarbeiten. Der Kongress 2000 des Papuavolkes verlangt die Revision des Beschlusses Nr. 2504 und die Anerkennung der 1961 versprochenen Unabhängigkeit. Präsident Abdurrahman Wahid hatte seine Zusage, den Kongress zu eröffnen, in letzter Minute zurückgezogen und damit eine Chance vergeben, den Dialog mit der Bevölkerung West Papuas wieder aufzunehmen. Seit 1963 sind an die 50.000 Papua von indonesischen Militärs getötet und unzählige verletzt, gefoltert und vergewaltigt worden. Drei Papua wurden noch Anfang März dieses Jahres von Polizeikräften in Nabire (West Papua) erschossen. Amnesty International – ein Mitglied des Netzwerks – forderte in einer Briefaktion Aufklärung dieser Morde. Die tieferen Gründe für die Forderung nach Unabhängigkeit sind vor allem die Menschenrechtsverletzungen, rassische Diskriminierung und die rücksichtslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen von West Papua.


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