Information und Analyse

Erwarteter Rücktritt

12. Oktober 2004

Von Ingo Wandelt

Der Befehlshaber der Streitkräfte (Panglima TNI), General Endriartono Sutarto, hat am 8. Oktober überraschend seinen Rücktritt eingereicht. Die noch amtierende Präsidentin Megawati Sukarnoputri hat diesen akzeptiert. Der Chef des Heeresstabes, General Ryamizard Ryacudu, soll die Position vorübergehend übernehmen, bis Susilo Bambang Yudhoyono, der am 20. Oktober das Amt des Präsidenten übernimmt, einen neuen Panglima TNI bestimmt. In den nächsten Tagen wird das Parlament entscheiden, ob es den Rücktritt Endriartonos akzeptieren will.

TNIDer Rücktritt Endriartonos kommt eigentlich nicht überraschend. Der Viersterne-General hat die gesetzlich vorgeschriebene Altersgrenze von 55 Lebensjahren für den aktiven Militärdienst bereits überschritten und ist seit dem 1. Mai 2002 nur aufgrund einer präsidentiellen Dienstzeitverlängerung in seiner Position. Er steht dem neu gewählten Präsident Yudhoyono nicht nah und kann sich sicher sein, keine weitere Verlängerung seiner Dienstzeit zu erhalten.

Endriartono befindet sich trotz seines von ihm eingereichten und von Präsidentin Megawati akzeptierten Rücktritts weiter im Amt. Erst das Parlament kann ihn aus seiner Position entlassen, und es wird ab Montag über seinen Rücktritt beraten.

Der Rücktritt zwingt Yudhoyono dazu, sich bereits jetzt Gedanken über seine Militärpolitik zu machen. Dabei wird ihm die Nachfolge Endriartonos kaum eine Alternative lassen. Die gesetzlichen Bestimmungen begrenzen die Bewerber um die Position des Panglima TNI auf einen amtierenden oder ehemaligen, aber noch aktiven, Chef eines Teilstreitkräftestabes. Da stehen zurzeit nur drei Kandidaten zur Auswahl: General Ryamizard Ryacudu (Chef des Heeresstabes), Admiral Bernard Kent Sondakh (Marinestabschef) und Marschall Chappy Hakim (Chef des Stabes der Luftstreitkräfte). Zwei von ihnen haben die Altersgrenze bereits überschritten, und zwar Admiral Sondakh seit 2003 und Marschall Hakim seit 2002. General Ryacudu wird sie am 21. April 2005 erreichen. Aus der begrenzten Zahl an Kandidaten wird der am 20. Oktober in sein Amt einzuführende Präsident Yudhoyono sehr wahrscheinlich General Ryamizard Ryacudu zum Panglima TNI küren und ihm zu gegebener Zeit eine präsidentielle Dienstzeitverlängerung ausstellen.

Die provisorische Übernahme der führenden Position in den Streitkräften durch Ryamizard wird diesem eine in der Geschichte der Streitkräfte einmalige Machtfülle gewähren: Er wird für einige Wochen die Positionen des Panglima TNI sowie des Chefs des Heeresstabes und des Heereseliteverbandes Kostrad innehaben. Seit den Zeiten des kürzlich verstorbenen Panglima Benjamin Leonardus („Benny“) Murdani (1983-1988) hat kein Panglima mehr eine solche militärische Machtfülle besessen. Auch das kann als Zeichen gewertet werden, wie wenig Ryamizard zurzeit die Konkurrenz anderer Teilstreitkräftechefs zu fürchten hat.

Ein Panglima TNI Ryamizard Ryacudu wird ein Relikt der Amtszeit der Präsidentin Megawati sein. Deshalb wird es langfristig wichtiger sein, wer den dann vakant werdenden Posten des Heeresstabschefs übernehmen wird. Vier der insgesamt sechs Panglima, welche die Streitkräfte seit der großen Militärreform von 1983 geführt haben, diente die Position des Heeresstabschefs als Sprungbrett. Ryamizards Führungsposition, wenn er sie denn im Oktober erhalten wird, wird jedoch kaum lange Bestand haben. Der neue Präsident Yudhoyono wird ihn für maximal zwei Jahre auf dem Stuhl des Panglima belassen und dann austauschen. Bis dahin wird ihm der General, der ein besonderes Interesse an Spezialkräften bewiesen hat und u. a. vor einem Jahr zehn Bataillone der Raider der Kostrad aufgebaut und nach Aceh entsandt hat, die Übernahme von Aufgaben in der Terrorismusbekämpfung durch das Heer vorbereiten. Yudhoyono hat die Terrorismusbekämpfung zu einem seiner Hauptziele erklärt, und er wird sie aller Voraussicht nach in die Hände der Nachrichtendienste und des Heeres übergeben. Die Polizei, die unter Megawati recht erfolgreich die Hauptlast der Terrorbekämpfungsarbeit leistete, wird voraussichtlich ins zweite Glied zurückbeordert werden.

Ryamizard wird wahrscheinlich seine ablehnende bis feindliche Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika zum Nachteil gereichen. Wiederholt hat er, sekundiert von Hardliner-Generälen im Heer, den USA das Betreiben eines verdeckten Krieges zur Unterwerfung Indonesien unter die Hegemonie der einzig verbliebenen Supermacht im Zeichen eines „modernen Krieges“ (perang modern) vorgeworfen. Einem eher pro-amerikanisch eingestellten Yudhoyono wird diese Schwäche seines führenden Generals zugute kommen: Er braucht die USA dringend für die Modernisierung der Streitkräfte und deren antiquierter militärischer Hardware. Eine sich dem Drängen des Präsidenten offen zeigende USA, die großzügig die erwünschte Unterstützung bereitstellt, würde den Hardliner Ryamizard über kurz oder lang in den Streitkräften an den Rand drängen und seine Ablösung durch einen Yudhoyono-loyalen General erleichtern.

Ryamizard, der als Vertrauter der Familie der noch-Präsidentin Megawati Sukarnopurti die militärische Karriereleiter erklommen hat, wird die Schritte zur Reform der Streitkräfte, wie sie das am 30. September vom Parlament verabschiedete Gesetz der TNI vorschreibt, nicht vorantreiben. Er hat sich vielfach gegen einschneidende Militärreformen ausgesprochen und steht für eine Fraktion von Hardliner-Generälen im Heer, die in der Distanz zur Regierung die Einheit Indonesiens mit militärischer Gewalt gewährleisten wollen. Yudhoyono, dem die Militärreform kein primäres Anliegen ist, wird ihn kaum dazu drängen, gibt das Gesetz dem neuen Präsidenten doch fünf Jahre Zeit, die parlamentarisch vorgegebenen Reformen umzusetzen. Nach dem Abgang Ryamizards bliebe ihm dafür immer noch ungefähr die Hälfte seiner Amtsperiode von fünf Jahren.

Die militärische Personalpolitik des Susilo Bambang Yudhoyono ist bereits eingeläutet worden. <>


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