„Bio“diesel versus Indonesiens Wälder
Agrar-Info 147, Juli 2006 (Buko Agrar)
Das Malindo-Mega-Ölpalm-Projekt auf Borneo
Marianne Klute, Watch Indonesia!
„Bio“dieselboom in Europa
Versorgungssicherheit, Kostenstabilität und Klimaschutz sind laut Umweltminister Sigmar Gabriel die aktuellen Herausforderungen an die Energie- und Umweltpolitik. Fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas können diese Anforderungen nicht mehr erfüllen; sie sind mit zu vielen umwelt- und sicherheitspolitischen Risiken behaftet. In dieser Situation, in der Europa schmerzhaft seine Abhängigkeit von den erdölproduzierenden Staaten spürt und tagtäglich Katastrophen von den Auswirkungen des Klimawandels zeugen, scheinen erneuerbare Energiequellen die „Energien der Zukunft“ zu sein. Nach Wind und Sonne boomt zurzeit die Vision der nachwachsenden Rohstoffe, Pflanzen, die Kraftstoffe, Elektrizität und Wärme liefern, unbegrenzt, billig und sauber.
Die Bundesregierung Deutschland hat sich im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, den Anteil von Diesel aus Pflanzenöl von derzeit 2,2% auf 5,75% zu steigern. Doch in Deutschland reichen die Ackerflächen längst nicht aus, um genug Raps für die Produktion von Biodiesel anbauen zu können. Es müsste, so rechnet das Umweltbundesamt, „bereits die Hälfte der gesamten deutschen Ackerfläche zum Biodiesel-Rapsanbau in vierjähriger Fruchtfolge genutzt werden, was unrealistisch ist. Das tatsächliche Potential liegt deshalb eher in der Größenordnung von 1 bis 2% der Dieselmenge.“
Der steigende Bedarf kann nur mit Importen gedeckt werden. Dabei ist Palmöl die Kommodität der Wahl, denn Ölpalmen (Elaeis guinensis) sind gegenüber Raps im Vorteil: sie können viermal mehr „Bio“diesel je Hektar produzieren, sie werden an Orten angebaut, wo Arbeitskräfte billig sind und wo Nachhaltigkeit und Menschenrechte einen schweren Stand haben. Die lukrativsten Angebote kommen aus den südostasiatischen Staaten Malaysia und Indonesien. Diese Staaten sind schon heute die Hauptlieferanten von Palmöl weltweit (Malaysia: 13 Mio.; Indonesien: 10 Mio. Jahrestonnen). Dabei liegt der Anteil von Palmölen am weltweiten Pflanzenölhandel bei 52% (2002). Abnehmer sind bisher vor allem die Lebensmittel-, die Kosmetik- und die Waschmittelindustrie der Industriestaaten.
Palmöllieferant Indonesien
Ein Flug über Sumatra demonstriert, dass die Insel – fast doppelt so groß wie die alte Bundesrepublik – zu einer endlosen Palmölplantage mutiert zu sein scheint. Dort, wo vor wenigen Jahren im tropischen Regenwald noch Tiger und Orang Utan lebten, wird heute in agroindustriellen Megaprojekten Pflanzenöl für Schokoriegel und Waschpulver produziert. Auch in Kalimantan, dem indonesischen Teil der Insel Borneo, und in Papua, dem zu Indonesien gehörenden Westteil der Insel Neuguinea, sieht es streckenweise gleich aus. Kilometerlang erstrecken sich die Monokulturen – in Indonesien treffend „Industriewald“ genannt -, umgeben von entwaldetem Niemandsland, mit Inseln von letzten Tropenwäldern hie und da.
Keine andere Kulturpflanze kann eine vergleichbare Expansionsrate verzeichnen wie die Ölpalme. In ganz Indonesien sind derzeit 5,6 Millionen Hektar mit Ölpalmplantagen bedeckt. Innerhalb von zwanzig Jahren ist die Plantagenfläche um 834% gestiegen; vor allem in den letzten sechs Jahren expandierte die Palmölindustrie exponentiell. Zum Vergleich: in Deutschland hat sich die Anbaufläche für Raps seit 1985 verfünffacht. Möglich war dies nur durch großzügige Kredite, u.a. deutscher Finanzinstitutionen (Bayrische Landesbank, Deutsche Bank, Commerzbank, Dresdner Bank, HypoVereinsbank, WestLB, Kreditanstalt für Wiederaufbau) an Großplantagenbetreiber.
Tabelle: Ölpalmplantagen in Indonesien
Private Großunternehmen Plantagen im Staatsbesitz Kleinbäuerliche Plantagen Gesamtfläche 1985 143.603 ha 335.195 ha 118.594 ha 597.362 ha 1999 ca. 3.000.000 ha 2005 3.003.080 ha 677.041 ha 1.917.037 ha 5.597.158 ha nach Daten von Sawit Watch, Bogor, Indonesien
Die Expansion ist nur auf Kosten des Regenwaldes möglich. Da Plantagen eigentlich nur auf so genannten degradierten, d.h. kahlgeschlagenen, Böden angelegt werden dürfen, haben die Unternehmen zur Waldvernichtung oft Feuer gelegt. In Erinnerung sind noch die großen Brände von 1997, als halb Kalimantan brannte. 80% der Brandstifter waren, indonesischen Umwelt-NGOs zufolge, Plantagenbetreiber. Damit ist Palmöl eine der Hauptursachen für die Vernichtung des Regenwaldes in Kalimantan. Tieflandregenwald wird es in drei bis vier Jahren nicht mehr geben. Die Folgen sind gravierend: Die Vernichtung der Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen, die direkt oder indirekt vom Wald leben; ökologische Veränderungen von Wasserhaushalt und Boden; Klimaveränderungen; Verlust der Biodiversität. Die Eingriffe in den Wald erleichtern den Zugang, was wiederum die Holzmafia und die illegalen Tierhändler anzieht.
Auf den degradierten unfruchtbaren Böden wächst oft nur noch Alang-Alang-Gras, das andere Pflanzenarten verdrängt. Nur ein Bruchteil der abgeholzten und abgebrannten Flächen sind wieder bepflanzt worden. Mancher Unternehmer hat Subventionen aus dem staatlichen Wiederaufforstungsfonds kassiert, ohne einen Finger zu rühren. Allein in Kalimantan wurden bisher drei Millionen Hektar Regenwald gezielt oder angeblich für die Anlage von Plantagen vernichtet und nur ein Zehntel davon, 300.000 Hektar, wirklich bepflanzt. Die von westlichen Banken mitfinanzierte Expansion der Plantagenkonzerne hat also weitaus mehr Regenwald vernichtet, als die 5,6 Millionen Hektar vermuten lassen. Sie hat dazu geführt, dass der Tieflandregenwald Sumatras vernichtet ist und Kalimantan nur noch Restbestände aufweist.
Dicht an dicht stehen die Palmen in den bewirtschafteten Plantagen, ein Muster an Regelmäßigkeit und Monotonie, Resultat des hohen Einsatzes von Paraquat, ein in vielen Staaten, u.a. in Malaysia, verbotenes, in Deutschland nur begrenzt erlaubtes Pestizid. Doch ist kaum eine der Großplantagen in gutem Zustand. Schlecht gehegt und gepflegt, zeichnen sie sich durch äußerst niedrige Produktivität aus. Nach nur wenigen Ernten sind die Palmen erschöpft und der Boden ausgelaugt. Dabei ist Palmöl die einzige Kommodität, die mit Nachhaltigkeit wirbt. Doch selbst Teilnehmer des Round Table of Sustainable Palm Oil, RSPO, müssen zugeben, dass ökologische Nachhaltigkeit in den Monokulturen Indonesiens nicht verwirklicht ist.
Auch die Hoffnung auf nachhaltige Bewirtschaftung in kleinbäuerlichen Betrieben trügt. Kleinbetriebe mit ökologischer Wirtschaft sind die Ausnahme. Die Kleinbauern, die auf eigene Faust versuchen, von dem „Geldbaum“ zu profitieren, geraten in Abhängigkeit von den Konzernen, ihren Fabriken, Straßen, Transportwegen und dem Zugang zum Markt. Innerhalb weniger Stunden müssen die Palmfrüchte in den Fabriken verarbeitet werden, sonst verderben sie. Kleinbauern bleibt oft keine Alternative, als sich dem Diktat der „Großen“ zu beugen. Damit geben sie ihre vielseitige Subsistenzwirtschaft auf, für eine einzige, vom Auf und Ab des Weltmarktes abhängige Frucht.
Für Millionen von Menschen hat der Palmölboom massive soziale Folgen. Die Vernichtung der Wälder, die Verseuchung von Boden und Wasser beraubt sie ihrer Lebensgrundlagen. Sie erleben am eigenen Leib, dass die Investitionen in die Agrarindustrie Armut erzeugen und nicht ein Mittel der Armutsbekämpfung sind, wie es die Entwicklungspolitik glauben machen will. In Indonesien sind diese Menschen die Verlierer in einem Kampf um die letzten Ressourcen.
Sie stehen Unternehmen gegenüber, die sich im Interesse nationaler Stabilität und Sicherheit von Soldaten oder Polizisten schützen lassen. Allein Kalimantan verzeichnet zurzeit Hunderte von Konflikten in Plantagen. Ursache sind oft ungelöste Landrechtsprobleme, die ihren Ursprung meist in der Zeit der Suharto-Diktatur haben. Zahllose Menschen sind von ihrem angestammten Land vertrieben worden oder mussten entschädigungslos den Großunternehmen weichen. Für diese Menschen ist die Ölpalme ein Fluch; für den Staatshaushalt und die Agroindustrie dagegen ein „Geldbaum“.
Das Malindo-Mega-Palmöl-Projekt
In einem Gewaltakt will Indonesien im kommenden Jahrzehnt zum weltgrößten Exporteur von Palmöl werden und so von „Bio“dieselboom profitieren. Sechs Millionen Hektar neue Palmölplantagen sollen geschaffen werden, zur Hälfte in Kalimantan. Ein besonders ehrgeiziger Plan sieht eine Megaplantage von fast zwei Millionen Hektar im „Malindo“ genannten Grenzgürtel zum Nachbarstaat Malaysia vor.
Die ursprüngliche Rechnung war äußerst simpel: unter der Annahme, das Grenzgebiet sei 10 km breit, ergeben sich bei 1840 km Länge der Grenze zwischen Kalimantan und Malaysia zwei Millionen Hektar. Die ersten fünf Kilometer an der Grenze sollten Plantagen im Besitz des Militärs werden, die weiter inland liegenden von Privat- bzw. Staatsunternehmen betrieben werden. Da die Bodenverhältnisse aber keine flächendeckende Ölpalmbepflanzung erlauben, geht die Nationale Planungsbehörde nun listigerweise von einen 100 km breiten Grenzgürtel aus.
Dieses bis zu 2000 m hohe, von Tälern zerfurchte und teilweise noch bewaldete Gebiet ist längst kein unberührtes Land mehr. Illegaler Holzeinschlag hat in den letzten sechs Jahren dramatisch zugenommen. Das Holz wird in großem Stil über die nahe Grenze nach Malaysia geschmuggelt und landet auf dem globalen Markt, u.a. in der europäischen Möbelindustrie. Nach dem Kahlschlag sind sogar etliche Ölpalmplantagen angelegt worden. Und obwohl die Malindo-Megaplantage noch nicht offiziell abgesegnet ist, sind die Kahlschlagtrupps und die Planierraupen längst vor Ort.
Die Megaplantage ist nur ein Part ehrgeiziger Entwicklungspläne „für Wohlstand, Sicherheit und Umweltschutz“ in den wenig besiedelten und rückständigen Distrikten. Holzunternehmen und Palmölindustrie sollen angesiedelt werden, Eisenbahnlinien, Brücken und Straßen entstehen. Vordergründig geht es den Planern darum, den Lebens- und Bildungsstandard anzuheben und die Probleme von Holzschmuggel, Arbeitslosigkeit und illegaler Migration zu bewältigen. Dahinter aber stecken ökonomische Interessen an den Profiten und „indirekten“ Einnahmen; das Hauptinteresse an der Entwicklung der Grenzregion ist aber ein sicherheitspolitisches, denn die schwierigen topographischen Verhältnisse erlauben keine umfassende Kontrolle.
Wie weit die Planungen gediehen sind, ist schwer abzuschätzen, denn der Prozess ist äußerst intransparent. Die wichtigsten Player in diesem Projekt kommen nicht aus Europa, obwohl europäische Banken und Industrien mitspielen und ein Großteil des Palmöls nach Europa exportiert werden wird. Die Interessen von Regierung, Militär und den großen Ressourcen extrahierenden Konzernen in Indonesien sind eng miteinander verwoben. Mächtige asiatische Wirtschaftsbosse und indonesische Politiker forcieren den Mammutplan mit seinen insgesamt 40 großen Infrastrukturprojekten. Längst arbeiten indonesische Holdings, u.a. Sinar Mas und und Artha Graha, an konkreten Investitionsplänen. Längst gibt es Absprachen mit dem chinesischen Unternehmen CITIC und chinesischen Banken. China ist bereit, die Infrastruktur aufzubauen und sich die Investitionen mit Palmöl vergüten zu lassen.
Das indonesische Militär hat spezielle Interessen an einer Präsenz im Grenzgebiet, welches seit der Konfrontasi mit Malaysia 1963-1966, als Indonesien im Großmachtwahn versuchte, sich die malaysischen Gebiete von Borneo einzuverleiben, unter direkter militärischer Kontrolle steht. Das Militär verfügte hier über riesige Holzeinschlagskonzessionen zur Finanzierung seines Etats. Damit war 1999 Schluss, als der damalige deutsch-freundliche Präsident Habibie dem Militär die Konzessionen entzog und es damit einer für die Finanzierung des Militärhaushalts notwendigen Einnahmequelle verlustig ging. Seither, so wird dem Militär vorgeworfen, ist es massiv in den illegalen Holzeinschlag verwickelt. Jeder Investor muss davon ausgehen, dass er mit dem Militär kooperieren muss, das bisher für begangene Menschenrechtsverletzungen immer noch straffrei ausgeht.
Mit dem Megaprojekt scheint Indonesien gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen zu wollen: Investoren werden angezogen, das Gebiet infrastrukturell entwickelt, die Grenze kontrollierbar, das Militär beschäftigt, der Staat der bedeutendste Energielieferant der Zukunft, die nationale Stabilität und Sicherheit verbessert, und das alles wird finanziert durch den Export von Rohpalmöl oder demnächst sogar „Bio“diesel.
Seit Juli 2005, als der Malindo-Plan der indonesischen Regierung genauer bekannt wurde, schlagen die Wellen des Protestes hoch. Umweltschützer laufen gegen das Malindo-Megaprojekt Sturm. Sie befürchten, dass der Wald im Grenzgebiet nach dem Willen der Planer nun dem „Bio“diesel geopfert werden soll. Dieses „Herz von Borneo“ sollte nach dem Willen von Umweltverbänden im Interesse der Biodiversität, der Wassereinzugsgebiete und des Klimas unbedingt geschützt werden. (Genaue topographische Karten und Daten zum Zustand des Waldes sind schwierig zu bekommen. Die Karten, die der WWF als Grundlage für das „Herz von Borneo“ anbietet, beurteilen die Bewaldung nach dem Urteil von Kennern Kalimantans viel zu positiv.) Die Megaplantage aber wird das „Herz von Borneo“ zerschneiden und die nicht-erneuerbare Zerstörung Borneos besiegeln.
Menschenrechtsorganisationen warnen vor den Folgen für die Bevölkerung. Dieses Megaprojekt im Malindo-Grenzgebiet ist keine Investition in die Zukunft Kalimantans, sondern beschleunigt nur den Ausverkauf der Lebensgrundlagen. Den Kuchen teilen sich mächtige asiatisch-internationale Konzerne und indonesische Führungschichten in Politik und Militär. Bei Megaprojekten in Staaten, die mit Korruption, fehlender Rechtsstaatlichkeit und Missachtung der Rechte zu kämpfen haben, sollte ein Veto eingelegt werden. Sie führen alle Bemühungen der Entwicklungspolitik um eine gerechtere Ressourcenverteilung ad absurdum. Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Umweltschutz haben hierbei nur wenig Chancen.
Die wirklichen Kosten stehen nicht auf dem Papier: Megaprojekte dieser Größenordnung kosten wegen schlechter Planung und Korruption, wegen Feuer und Kahlschlag für Holzschmuggel nicht zwei oder sechs, sondern 20 Millionen Hektar Tropenwald, und dieser ist nicht erneuerbar. <>