Krieg in Aceh

Netzeitung, 13. Mai 2003

netzeitungIm Gespräch mit der Netzeitung warnen die Menschenrechtler Teuku Samsul Bahri und Wolfram Lorenz vor einer humanitären Katastrophe im indonesischen Aceh. Indonesien droht ein Krieg zwischen der Regierung und Rebellen, die die Unabhängigkeit der Provinz Aceh fordern. Menschenrechtsvertreter warnen angesichts dessen vor einer humanitären Katastrophe in der Region. Die Konfliktparteien müssten alles unternehmen, um eine militärische Konfrontation zu verhindern, sagte Teuku Samsul Bahri von der Menschenrechtsorganisation Kontras Aceh im Gespräch mit der Netzeitung.

„Bei einem Krieg käme es zu einer humanitären Katastrophe“, so Bahri. Seit der Intensivierung des Konfliktes im vergangenen Monat sei Zahl der Flüchtlinge in der Inselregion rapide gestiegen. Mittlerweile hätten schon über 10.000 flüchtende Acehnesen in Camps örtlicher Hilfsorganisationen Zuflucht gefunden. „Und es werden immer mehr“, sagte er. Im März, als das Friedensabkommen zwischen beiden Seiten noch intakt war, seien nicht einmal halb soviele Menschen in den Camps gewesen. Zudem sind laut Bahir 70 Prozent der Menschen in den Flüchtlingscamps Frauen und Kinder. „Sie leiden besonders unter dem Konflikt“, sagte er.

Angst vor Milizen

Laut Wolfram Lorenz von der Menschenrechtsgruppe „Watch Indonesia“ in Berlin werde die indonesische Armee bei einem Krieg wohl die gleiche Taktik wie damals in Osttimor anwenden. „Sie werden Milizen in den Kampf schicken, damit das Militär sauber bleibt“, sagte er der Netzeitung.

Viele fliehen laut Bahir aus ihren Dörfern, um diesen indonesischen Milizen auszuweichen, die in der Provinz nach Kämpfern der GAM suchen. „Oft machen die Milizen keinen Unterschied zwischen Rebellen und unschuldigen Bürgern“, erklärte er.  Deshalb würden immer wieder Unbeteiligte festgenommen und eingesperrt. Erst am Montag seien in dem Zusammenhang 30 Menschen verhaftet worden.

Beide Parteien seien gleichermaßen Schuld an der Situation, sagte Bahir. Man könne auch die GAM-Aktivisten nicht aus der Verantwortung nehmen. „Auch sie sind bewaffnet“, sagte er. Beide Parteien müssten den Streit gemeinsam beilegen.  Lorenz betonte, dass die Separatistenbewegung in keiner Weise die Bewohner von Aceh repräsentiere.

Bitte um internationale Hilfe

Bahir rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich für eine friedliche Lösung des Konflikts einzusetzen. Auch internationale Hilfsorganisation sollten sich darum bemühen. „Ich glaube, ein Krieg kann noch verhindert werden“, sagte er. „Militäraktionen sind keine Lösung. Wir brauchen Frieden in Aceh.“

Seit rund 26 Jahren kämpft die Separatisten-Bewegung „Freies Aceh“ (GAM) auf der Insel Sumatra gegen die indonesische Regierung.  12.000 Menschen sind dem Konflikt bisher zum Opfer gefallen. Obwohl beide Seiten am 9.  Dezember 2002 einen Friedensvertrag unterzeichneten, kam es seit dem immer wieder zu Kämpfen. Nun will die indonesische Regierung die GAM mit einer groß angelegten Militäroffensive zerschlagen.


Netzeitung, 13. Mai 2003

Indonesische Truppen bereiten sich auf Krieg vor

Indonesien bereitet sich auf einen Krieg in der Krisenregion Aceh vor.  Ein letztes Ultimatum an die Rebellen der Provinz ist abgelaufen. Die indonesische Regierung hat mehrere tausend Soldaten für eine Militäroffensive gegen die Rebellen in der Krisenregion Aceh zusammengezogen.  Indonesien hatte die Separatistengruppe „Bewegung Freies Aceh“ (GAM) zuvor in einem Ultimatum aufgefordert, alle ihre Waffen bis Montagabend abzulegen. Die GAM weigerte sich.

Über 6000 indonesische Soldaten haben sich am Dienstag in einem Hafengelände auf der Insel Bintan nahe Singapur versammelt. Die Regierung unter Präsidentin Megawati Sukarnoputri will am Donnerstag das Parlament über den geplanten Militärschlag befragen.

Krieg per Notstandgesetz

Nach Meinung von Beobachtern handelt es sich dabei allerdings nur um eine Formalität, da die geplante Offensive im Parlament breite Zustimmung findet. Regierungsvertretern zufolge sollen die Abgeordneten nach der Abreise von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Mittwoch befragt werden.  Schröder wird am Dienstagabend im Zuge seiner Südostasienreise in Indonesien eintreffen.  Nach Angaben des indonesischen Sicherheitsministers Susilo Bambang Yudhoyono wird die Präsidentin wahrscheinlich noch in dieser Woche mit Hilfe des Notstandgesetzes den Angriff einleiten.

Humanitäre Katastrophe

In Aceh bahne sich angesichts des bevorstehenden Krieges eine humanitäre Katastrophe an, sagte Teuku Samsul Bahri von der Menschenrechtsorganisation Kontras Aceh der Netzeitung am Dienstag in Berlin.  Tausende von Menschen flöhen aus ihren Dörfen und versuchten, in der Inselregion einen sicheren Ort zu finden. Mehr als 10.000 Flüchtlinge seien bereits in Hilfscamps aufgenommen worden, so Bahri.

Vermittler haben beide Parteien zur Wiederaufnahme der Friedensgespräche aufgefordert. Es gebe noch Hoffnung auf Frieden, aber diese schwinde rasch, sagte David Gorman vom Genfer Henri Dunant Zentrum der Nachrichtenagentur AP.

Deutsche Boote im Krieg

Völkerrechtler in Deutschland warnen davor, dass bei einem Kampf in Aceh auch deutsche Kriegsschiffe zum Einsatz kommen könnten. Ein ehemaliges Schiff der Nationalen Volksarmee, das Deutschland 1993 an Indonesien verkauft hatte, sei nach örtlichen Medienberichten bereits zum Einsatz nach Aceh ausgelaufen, warnte die Deutsche Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Dienstag in Göttingen.  Dabei habe sich Indonesien beim Kauf der 39 ehemaligen NVA-Schiffe vertraglich verpflichtet, sie nur für die Bekämpfung des Schmuggels, der Piraterie und zur Sicherung der Seewege zu nutzen, so die GfbV. Mehr als 12.000 Opfer

Der Konflikt zwischen der GAM und der indonesischen Regierung besteht seit rund 26 Jahren.  Bisher sind dabei über 12.000 Menschen getötet worden. Zuletzt unterzeichneten beide Parteien am 9.  Dezember 2002 in Genf ein Friedensabkommen.  Dieses brach jedoch zusammen, nachdem es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Kämpfen zwischen beiden Seiten gekommen war.

Für das Web ediert von Jann Bettinga


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