Im Granatenhagel: „Angst hatte ich nur ganz selten“

Passauer Neue Presse, 24. Januar 2003

Foto-Ausstellung des Passauers Jörg Meier – Er war als Wahlbeobachter in Ost-Timor

Von Bastian Hartig

PassauerPresse
Menschenleere Straßen, einst stattliche Häuser liegen in Schutt und Asche. Auf den Kreuzungen die verkohlten Überreste von Autos und Bussen. Verbrannte Erde. Eindrucksvoll zeigen Jörg Meiers Fotos, die seit gestern im Café Museum zu sehen sind, was die indonesische Armee übrig gelassen hat von Ost-Timor, nach dessen Unabhängigkeits-Referendum im August 1999. Und doch ist auf den Bildern nur ein Bruchteil dessen zu sehen, was sich innerhalb von gut zwei Jahren als Wahlbeobachter und Nothelfer für Vertriebene im Auftrag von UN, EU und Welthungerhilfe unauslöschlich in die Erinnerung des Passauer Magistranden eingebrannt hat.

,,Ich war als einer der Ersten für die politische Organisation, Watch Indonesia! da, und wir wurden zusammen mit den Letzten evakuiert“, sagt Jörg Meier. „Als ich im Juni 1999, drei Monate vor dem Referendum in Ost-Timor ankam, um die Situation auszuloten, traf ich gerade mal auf einen Amerikaner, und der konnte kein Wort Indonesisch.“ Für Meier kein Hindernis, nach zwei Jahren Studium in Gajahmada auf Java spricht er die Sprache fließend.
Nach und nach kamen auch dank Meiers logistischer Vorarbeit immer mehr Wahlbeobachter ins Land. „Wir sollten schauen, ob bei dem Referendum alles mit rechten Dingen zuging,“ beschreibt der heute 30-Jährige seinen damaligen Auftrag. Tatsachlich verlief die Wahl am 30. August 1999, bei der sich 78,5 Prozent der Ost-Timoresen für die Abspaltung von Indonesien entschieden, relativ friedlich. Was jedoch danach passierte, steht als eines der dunkelsten Kapitel in den Geschichtsbüchern des jungen Staates.

„Als am 4. September das Wahlergebnis verkündet wurde, ging ich raus auf die Straße“, erinnert sich Meier an jenen denkwürdigen Tag, „Sie war menschenleer!“ Die Ruhe vor dem Sturm. „Sie geben uns noch Zeit zu beten,“ wiederholt der Wahlbeobachter die Worte eines Ost-Timoresen, den er damals in einer Kirche antraf. Danach brach das Chaos los.

„Rund um unser Büro schlugen Granaten ein“, erzählt Meier, „überall wurde geschossen, die ganze, Stadt stand in Flammen“. Dennoch, Meier und seine Kollegen harrten bis zuletzt. „Die meisten Journalisten waren schon längst ausgeflogen worden“, berichtet er. Und so hing der Wahlbeobachter die ganze Nacht am Telefon, sprach mit Zuhause, gab Interviews für die Deutsche Welle, die „taz“. Schließlich musste die australische Luftwaffe die völlig erschöpften und ausgehungerten Männer doch in Sicherheit bringen. Am Ende blieb ihm und seinen Mitstreitern aus Deutschland, Amerika und Japan nichts als Hilflosigkeit.

Damit gab sich Jörg Meier aber nicht zufrieden. Im Oktober, nur zwei Wochen nach Eintreffen der UN-Friedenstruppen, stand er im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit auf dem qualmenden Trümmerfeld, das einst die ost-timoresische Hauptstadt Dili gewesen war. Überhaupt zeigt er sich von seinen abenteuerlichen Erlebnissen nicht sonderlich beeindruckt. „Angst“, sagt Meier, der bei einem Angriff bewaffneter Milizen auf sein Leben buchstäblich in letzter Sekunde dem Tod entrann, „Angst hatte ich eigentlich ganz selten.“

Heute Abend um 19.30Uhr im Café Museum wird Meier seine Ausstellung vorstellen, die bereits im November im Europäischen Parlament in Brüssel auf reges Interesse stieß. „Danach soll sie dem Nationalmuseum in Dili übergeben werden“, erklärt der Magistrand. Jörg Meier selbst wird Anfang Februar mit der Welthungerhilfe für ein Jahr nach Afghanistan gehen, „Schließlich“, meint er ganz pragmatisch, „muss ich ja auch mal wieder Geld verdienen.“

Nach Meiers Vortrag wird heute Abend übrigens Dr. Monika Schlicher von „Watch Indonesia!“ über die Folgen des Unabhängigkeitskampfes für Ost-Timor sprechen. Außerdem gibt es bis Sonntag auch täglich einen einstündigen Doku-Film über die ost-timoresische Guerilla-Bewegung „Falintil“ zu sehen. <>


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