Keine Zuflucht bei Bonns Diplomaten

taz, 18. April 1996

Deutsche Botschaft in Jakarta übergibt Asylsuchende direkt an indonesische Militärs. Amnesty befürchtet Folter

tazJakarta/Bonn/Lissabon (taz/rtr/dpa) – Für den Sprecher der ost-timoresischen Unabhängigkeitsbewegung ist es ein Fall von „typischer deutscher Heuchelei“. In der Nacht zum Dienstag haben Angestellte der deutschen Botschaft in Jakarta acht bis neun asylsuchende ost-timoresische Flüchtlinge vor die Tür gesetzt – direkt in die Arme indonesischer Militärs. Just zu diesem Zeitpunkt habe Bundesaußenminister Klaus Kinkel bei der UNO- Menschenrechtstagung in Genf viel über Menschenrechte gesprochen, sagte Ramos Horta gestern. Doch das deutsche Botschaftspersonal habe die Flüchtlinge an jene „Kräfte der Unterdrückung übergeben“, die Kinkel verurteilt habe.

Laut Augenzeugen waren 9 Flüchtlinge aus Ost-Timor durch das Haupttor der deutschen Botschaft gelangt und hatten dort Asyl beantragt. Doch anstatt ihnen Unterschlupf zu gewähren, vertrieb das Sicherheitspersonal die Flüchtlinge. Indonesische Soldaten nahmen die Ost-Timoresen mit gewohnter Brutalität in Empfang: Nach Augenzeugenberichten wurden mindestens vier vor dem Botschaftsgelände auf den Boden gedrückt, einer wurde geschlagen und am Kopf verletzt.

Andere Botschaften in Jakarta pflegen einen humaneren Umgang: Seit September gelang es 72 Ost-Timoresen, die Ausreise nach Portugal durchzusetzen, indem sie auf das Gelände verschiedener ausländischer Botschaften vordrangen und Asyl beantragten. In Portugal werden Ost-Timoresen als Staatsbürger mit vollen Rechten aufgenommen. Indonesien hatte die frühere portugiesische Kolonie 1975 besetzt und kurz darauf annektiert, was von der UNO nie anerkannt wurde. Proteste von Bewohnern Ost-Timors wurden von indonesischen Militärs und Polizisten wiederholt blutig niedergeschlagen.

Das Auswärtige Amt (AA) in Bonn bestätigte gestern den Vorfall, sprach aber nur von acht Flüchtlingen. Laut AA sind zwei der Abgewiesenen wieder auf freiem Fuß. Die deutsche Botschaft gehe davon aus, daß die anderen nach der Vernehmung freigelassen würden.

Anders sieht das amnesty international (ai): Die Ost-Timoresen seien direkt dem indonesischen Militär ausgeliefert worden, obwohl ihnen dort offensichtlich Folter und schlechte Behandlung drohten.

Von „unmenschlichem Verhalten“ und einem „moralischen Bankrott der sogenannten Menschenrechtspolitik der Bundesregierung“ sprechen deutsche Solidaritätsgruppen. Als vor sieben Jahren BürgerInnen der DDR in bundesdeutsche Botschaften in Budapest und Prag geflüchtet seien, „war es eine Selbstverständlichkeit, alle diplomatischen Hebel in Bewegung zu setzen, damit diese Menschen nicht in eine Situation zurückversetzt werden, der sie berechtigterweise zu entfliehen versuchten“, heißt es in einer Erklärung der Arbeitsgruppe für Menschenrechte, Demokratie und Umweltschutz aus Heidelberg und der Initiative für die Menschenrechte aller BürgerInnen der Asean-Staaten in Frankfurt. Gerade die Bundesrepublik Deutschland „sollte sich dazu verpflichtet fühlen, sich für unfreiwillige Botschaftsflüchtlinge einzusetzen“. Die Auslieferung sei „ein weiteres Zugeständnis der deutschen Regierung an die technokratische Militärregierung.“


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