Offener Brief zum Thema doppelte Staatsangehörigkeit
An die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, sowie Bundeskanzler Schröder, Vizekanzler Fischer und Innenminister Schily
Berlin, den 19. Februar 1999
Sehr geehrte Damen und Herren, der rot-grüne Wahlsieg im September 1998 hatte nach Jahren der Stagnation Hoffnung gemacht auf neue politische Bewegung in Staat und Gesellschaft, auf neue Impulse und Mut zu Veränderungen. Nach 100 Tagen ist eines der letzten verbliebenen rot-grünen Reformprojekte mit grundsätzlicher Bedeutung die Reform des Staatsbürgerrechts. Nachdem einer der Koalitionspartner in einer Landtagswahl herbe Verluste erlitten hat, scheint nun auch dieses Projekt in Gefahr, bis zur Unkenntlichkeit verwässert zu werden. Davor möchten wir entschieden warnen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist aus unserer Sicht weit davon entfernt perfekt zu sein. (Um nur ein Beispiel zu nennen: Es leuchtet nicht ein, warum der Empfang von Sozialhilfe etwas an dem Recht eines in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Menschen auf die deutsche Staatsbürgerschaft ändern soll.) Dennoch hoffen wir, daß das Gesetz ohne weitere Abstriche – namentlich bei der doppelten Staatsbürgerschaft – verabschiedet wird. Es scheint, daß vielen Leuten die Phantasie und vor allem die Erfahrung fehlt, um zu verstehen, wie wichtig und sinnvoll die Zulassung einer doppelten Saatsbürgerschaft ist. Als Organisationen, Gruppen und Vereine mit vielen ausländischen Mitgliedern und Kontakten möchten wir Ihnen daher gerne unsere Erfahrung zur Verfügung stellen. Unsere ausländischen Mitglieder sind im Ausland lebende Deutsche sowie in Deutschland lebende Personen mit anderer Staatsbürgerschaft. Beide Gruppen hoffen auf das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Drei Beispiele sollen erklären, warum für viele Menschen nur eine zweifache Staatsbürgerschaft ihrer Lebensrealität gerecht werden kann. Zum Beispiel Anna (Namen geändert): Anna ist mit einem indonesischen Staatsbürger verheiratet und lebt mit ihm und der gemeinsamen Tochter in Jakarta. Sie lebt in Indonesien, liest dort Zeitung, engagiert sich dort. Sie möchte dort auch wählen können und Einfluß nehmen auf die Schulpolitik für ihre Tochter, auf die Stadtentwicklung in ihrem Stadtteil, auf die Umweltpolitik ihrer neuen Heimat. Vielleicht möchte sie auch ein Grundstück kaufen können. Für all das braucht sie die indonesische Staatsangehörigkeit – aber sie möchte kein Visum beantragen müssen, um mit ihrer kleinen Tochter deren Großeltern in Essen zu besuchen. Vielleicht wird die Familie auch in einigen Jahren in Deutschland leben wollen und einige Jahre darauf wieder in Indonesien … . Anna braucht also die deutsche und die indonesische Staatsbürgerschaft. Die Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechtes würde freilich nur wenig an Annas Situation ändern, denn auch das indonesische Gesetz schließt bisher die doppelte Staatsbürgerschaft kategorisch aus. Wie aber sollen die indonesischen Behörden überzeugt werden können, eine für im Lande lebende Ausländer vorteilhafte Regelung zu treffen, wenn Deutschland nicht mit gutem Beispiel vorausgeht? Zum Beispiel Maria (Namen geändert): Maria ist Slowenin. Sie ist in Deutschland aufgewachsen und spricht akzentfrei Deutsch. Niemand hält sie für eine Ausländerin. Aber sie darf nicht wählen. Sie darf nicht im Stadtrat sitzen. Ihren Wunsch, Pharmazie zu studieren, gab sie auf, da sie ihren Beruf als Ausländerin nur 3 Jahre lang in Deutschland hätte ausüben dürfen. Sie möchte jedoch in Deutschland leben. Deshalb möchte sie auch deutsche Staatsbürgerin werden, mit allen Rechten und Pflichten. Dennoch ist ihre Identität auch slowenisch: Slowenisch ist ihre Muttersprache, ihre Eltern sind Slowenen, sie liebt dieses Land und es gehört zu ihr. Sie kann sich nicht vorstellen, als Fremde mit einem fremden Paß in die Heimat ihrer Familie einreisen zu müssen. Ihrer Situation werden nur zwei Staatsbürgerschaften gerecht. Zum Beispiel Agus (Namen geändert): Agus hat in Deutschland studiert, geheiratet und mit seiner Frau 2 Kinder bekommen. Er ist politisch interessiert und gut informiert. Er möchte in Deutschland vollberechtigt am politischen Leben teilnehmen. Dafür braucht er die Staatsbürgerschaft. Seine Familie lebt in Indonesien. Seine Verwandten könnten nicht verstehen, wenn er nicht mehr Indonesier sein wollte. Darum geht es ihm aber gar nicht, nur will er auch Deutscher sein. Ohne seine Verwandten zu brüskieren. Ohne sein Erbe zu verlieren. Ohne ein Visum zu benötigen, wenn er seine Eltern besuchen möchte. Er braucht die deutsche und die indonesische Staatsbürgerschaft. Drei ganz alltägliche Beispiele, willkürlich herausgegriffen aus unzähligen individuellen Geschichten. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist wichtig. Das rot-grüne Reformprojekt ist wichtig. Wir appellieren an die Regierung und die Fraktionen der Regierungsparteien: – Führen Sie die Niederlage von Bündnis 90/Die Grünen in Hessen nicht nur auf dieses Thema zurück. Könnte der Verlust nicht – neben landespolitischen Gründen – gerade daran liegen, daß sich Bündnis 90/Die Grünen in der rot-grünen Regierung bislang zu wenig durchsetzen konnten? – Lassen Sie sich nicht durch kurzfristige populistische Erwägungen von einer so wichtigen Reform abbringen! – Setzen Sie sich dafür ein, daß auch andere Staaten die doppelte Staatsbürgerschaft zulassen! Wir alle sind Ausländer – fast überall auf der Welt. Mit freundlichen Grüßen, Watch Indonesia! e.V., Berlin Regenwaldforum Nordbayern e.V., Würzburg Michaela Müller, Dingolfing Gabi Voß, Yogyakarta, Indonesien Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär, Berlin Fred Schmitzer, Berlin Frank Krämer, Berlin Dieter Mack, Freiburg Prof. Dr. Jörg Becker, Solingen Olaf Dierker, Bielefeld Malte Schmidthals, Berlin Jörg Meier, Yogyakarta, Indonesien Claus Röhl, Weimar Wolfgang Blaschke, Freiburg Conradin Fellecke, Bad Krozingen Karl-Heinz Schmidt, Entringen Nurlia Basten, Saarbrücken Irena Savric, Berlin Anja Seidl, Kuala Lumpur, Malaysia Silke Jahr, Berlin Silke Karcher, Berlin Ingrid Barth, Köln Karl Teofilovic, München Gerrit Hansen, Berlin, z.Zt. in Indonesien Dr. Ingo Wandelt, Hürth Holger Spielberg, Berlin und Strasbourg, Frankreich Ralph Stuebner, München Ursula Suharto-Abmeier, Jakarta, Indonesien Prof. Wolfgang Karcher, Berlin Martin Klein, Königstein Eva König, Bremen BLUE 21, Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung
Anhang:
Im Anschreiben an die Unterstützer dieses Aufrufes bat Watch Indonesia! auch um ergänzende persönliche Stellungnahmen. Wir freuen uns, daß viele von dieser Anregung Gebrauch gemacht haben und möchten Ihr Augenmerk auf diese z.T. sehr ergreifende Schilderungen persönlicher Schicksale lenken. Aus naheliegenden Gründen haben wir die Absenderinnen der letzten beiden hier abgedruckten Briefe mit Pseudonymen versehen. Die richtigen Namen und Anschriften sind uns bekannt. Watch Indonesia! „Hiermit möchte ich den Aufruf von Watch Indonesia! zur Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes in Form und Inhalt ausdrücklich unterstützen. Aus meiner persönlichen Lebenswelt sind mir die alltäglichen Probleme einer interkulturellen Ehe und dem Leben in zwei Kulturen mit ihren verschiedenartigen Bezügen und Bindungen nicht nur vertraut, sondern sie sind ein Teil meines Lebens und das meiner Frau. Obgleich meine Frau vor Jahren, und noch vor unserer Heirat den Weg zur (alleinigen) deutschen Staatsbürgerschaft aus persönlichen und wohl überlegten Gründen gewählt hat, spreche ich mich für die persönliche Wahlfreiheit eines jeden Menschen aus, der bewußt, aus freiem Willen und Verantwortung heraus seinen Lebensmittelpunkt in seinen beiden Bezugs- und Identitätskulturen, d.h. in seiner Geburtskultur (deutsche oder andersstaatliche) und in seiner Residenzkultur (deutsche oder andersstaatliche) gemeinsam legen will, ohne durch staatliche Rechtsnormen daran gehindert zu werden. Ich wünsche mir, daß mein Staatswesen, was das deutsche ist, diesem in meinen Augen Recht auf das persönliche Entwickeln von Mehrstaatlichkeit seinen Ausdruck verleiht. Die oft gehörten Einwände einer möglichen Einbürgerung von potentiellen Kriminellen und Gewalttätern in unser Gemeinwesen nehme ich ernst, halte sie jedoch durch behutsame und vorausschauende rechtliche Regelungen für handhabbar. Ich bin davon überzeugt, daß eine doppelte Staatsbürgerschaft in vielen Fällen positive Beiträge für unser Gemeinwesen leisten kann. Ich denke da an einen mir gut bekannten Fall eines heute international bekannten Fachmediziners für Endoskopie indonesischer Herkunft, der vor über zehn Jahren aufgrund der vorhandenen Regelungen (Aufenthaltserlaubnis) daran gehindert war, seinen beruflichen Lebensmittelpunkt nach Köln zu verlegen und nun als Spezialist in Washington der US-amerikanischen Gesellschaft seine Kenntnisse zur Verfügung stellen kann. Mit doppelter Staatsbürgerschaft, an die seinerzeit nicht zu denken war, käme heute sein Wissen uns zugute.“ Dr. Ingo Wandelt, Südostasienwissenschaftler, Sprachlehrer für Indonesisch und Deutsch als Fremdsprache am Bundessprachenamt, Hürth „Ich möchte hiermit zum Ausdruck geben, daß ich das Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung in seiner ursprünglichen Form unbedingt unterstütze und es für höchst bedauerlich und alarmierend hielte, wenn aufgrund des Ergebnisses einer Landtagswahl dieser noch immer restriktive Entwurf nicht umgesetzt würde. Ich halte es für einen Anachronismus in Zeiten, da ‚Globalisierung‘ in aller Munde ist und auch die Lebensrealität einer wachsenden Zahl von Menschen ‚international‘ zu nennen ist, dem populistischen Druck gegen die Zulassung der Doppelstaatsangehörigkeit nachzugeben. Zu bedenken ist doch, daß es bereits eine Reihe von Staaten, nicht zuletzt auch viele Länder in Europa (inklusive ‚EU‘-Ausland) gibt, welche die doppelte Staatsangehörigkeit in der Regel zulassen. Ernsthafte Probleme oder Interessenkollissionen, wie sie hier zulnde von den Bedenkenträgern angeführt werden, sind meines Wissens nach in diesen Staaten bis dato nicht aufgetreten. Umgekehrt kann die doppelte ‚Schutzanknüpfung‘ für den einzelnen je nach Sachlage oder auch politischer Situation in den betreffenden Staaten einen wichtigen Schutz bieten, trägt der ‚inneren Realtiät‘ Rechnung und fördert aus meiner persönlichen Uebrezeugung heraus nicht allein die Integration der Menschen hier, sondern auch das friedliche Zusammenwachsen der Welt in einem größeren Zusammenhang. Ich unterstütze daher die Kampagne von ‚Watch Indonesia! e.V.‘ mit Nachdruck und möchte darum bitten, daß hier nicht einmal mehr rückwärtsgewandte Kräfte sich durchsetzen.“ Ingrid Barth, Köln „Man muß der Kampagne der Union etwas entgegensetzen, wobei ich fürchte, daß es zu spät sein dürfte, an den Realitäten noch etwas zu ändern.“ Karl Teofilovic, München „Ich bin seit einem halben Jahr in Indonesien und konnte die Entwicklung in Deutschland leider nur sehr sproadisch verfolgen. Trotz der Enttäuschung über den fehlenden Mut der neuen Regierung zu wirklichen Reformen (was mit Schröders/Fischers Männerkabinett anfing) war ich schockiert über die rassistisch motivierte Kampagne der CDU und deren offensichtlichem Erfolg. Die Menschen hier setzen durchaus Hoffnung in die neue Situation in Europa, und das Ausländerrecht ist eines der wichtigsten Reformprojekte Deutschlands. Es ist wichtig, ein Signal gegen den international und überall neu erwachenden und wachsenden Rassismus zu setzen. Das Recht auf doppelte Staatsbürgerschaft ist ein Symbol gegen Ausgrenzung, für Gleichberechtigung und gegenseitige Akzeptanz. Gerade in Indonesien wird z.Zt. deutlich sichtbar, wohin gegenteilige Politik führt, nämlich zu Stigmatisierung und Diskriminierung bis hin zu Vergewaltigung, Mord und „Bruderkriegen“. Setzen Sie ein Zeichen, das nicht nur den betroffenen Menschen in Deutschland, sondern auch den fortschrittlichen Kräften im Ausland hilft!“ Gerrit Hansen, Berlin, z.Zt. in Indonesien „Ich bin über die deutsche Politik weitgehend in Unkenntnis … Ich kann nur als Privatperson aus meiner Situation heraus auf die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft hoffen! Ich habe 1959 – als Frau eines Indonesiers und schwanger – meine deutsche Staatsbürgerschaft „aufgeben müssen“, weil man mich aus dem Land schicken wollte und ich deshalb die indonesische Staatsangehörigkeit annehmen mußte, um bleiben zu können. Lange war der Besuch meiner Familie in Deutschland kein Problem, da man kein Visum zur Einreise benötigte. Mit der EG jedoch änderte sich das. Jetzt muß ich als Ausländer mit Visum in mein Geburtsland einreisen!! Ich hatte mehrmals peinliche Erfahrungen bei der Ausländerpolizei in Berlin, wenn ich länger als 3 Monate bei meiner Mutter bleiben wollte (die jetzt schon tot ist). Man behandelte mich wie einen „echten“ Ausländer in meinem eigenen Heimatland und ich mußte den Beamten Rede und Antwort stehen, weshalb ich länger bleiben wollte. 1995 besuchte ich meine Tochter (Indonesierin), die in Berlin verheiratet ist, und gleichzeitig suchte ich nach Heilung resistenter Amoeben, die ich in Indonesien bekommen hatte. Meine Behandlung benötigte mehr Zeit als das 3-monatige Visum, welches ich hatte. In krankem Zustand mußte ich zur Ausländerpolizei für eine Verlängerung. Man wollte mir eine Verlängerung, trotz Arztattest, verweigern! Und man hatte keinen Rat für mich. Man ließ mich einfach hängen! Gott sei Dank fand ich meinen Weg in die oberen Etagen der Behörde und konnte einen alten Beamten bewegen, mir die Möglichkeit für einen längeren Aufenthalt zu erwirken, nachdem er unter meinem Buchstaben B nachsehen konnte, daß ich immer wieder abgereist war und versicherte, daß ich auch diesmal wieder abreisen würde, wenn meine Krankheit in den Griff bekommen sei. Ich bat um weitere 3 Monate, bekam aber nur 2 und bin dann nach Indonesien abgereist, da mein Mann schon zu lange alleine war. (Mein Gesundheitszustand war noch nicht geklärt und ich hätte dazu noch weitere 2 Monate in Deutschland bleiben sollen, um eine totale Heilung ärztlich bestätigt bekommen zu können). Dieses Erlebnis hat mich tief verletzt und ist bis heute ein Trauma für mich. Es sollte Sondermöglichkeiten geben für Fälle wie meine. Auch könnte es sein, daß ich im fortgeschrittenen Alter bei meiner Tochter in Berlin leben möchte. Was dann??? Ich hoffe sehr, daß Eure Bemühungen Erfolg haben.“ Gertraud B. (Name geändert), Jakarta, Indonesien „In Jakarta allein leben (immer noch) mehr als 100 deutsche Frauen, die mit Indonesiern verheiratet sind. Die meisten sind deutsche Staatsbürgerinnen, nur einige Ältere sind Indonesierinnen geworden. Basis ist das indonesische Staatsangehörigkeitsgesetz UU 62/1958, das im Wesentlichen dem kolonialen Staatsblad 1898/158 gleicht, bis auf eine kleine Änderung, die besagt, daß Frauen bei Heirat ihre Staatsbürgerschaft nicht verlieren. Noch immer gilt die „one person in the law doctrin“, die Familie wird als juristische Einheit betrachtet, d.h. die Frau ist dem Manne untergeordnet und nicht gleichberechtigt. Dies betrifft auch uns. Uns wird ein wichtiges Menschenrecht vorenthalten, egal, welche Staatsangehörigkeit wir haben. Die indonesische StB können wir im ersten Jahr der Ehe erleichtert annehmen, später erst nach umständlichen und kostspieligen Prozeduren, wie sie jede/r andere AusländerIn durchlaufen muß. Da zudem die Aufgabe der deutschen StB in der Praxis einer endgültigen Entscheidung gleichkommt, leben wir hier unter eingeschränkten Bedingungen: Als Ausländerinnen erhalten wir keine erleichterte Arbeitserlaubnis, ja, das Familien-Visum (ikut suami) macht de jure eine Arbeitsaufnahme unmöglich! Frau muß theoretisch erst den „suami“ loswerden und einen Arbeitgeber finden, dann mit einem anderen Visum einreisen – und bei Verlust der Arbeit das Land verlassen! Ich sehe hierin eklatante Verletzungen des Rechts auf Lebensunterhalt und des Schutzes der Familie. Wir dürfen keinen Grund erwerben. Wir dürfen kein Haus besitzen. Die neue Regelung (1996), daß AusländerInnen Häuser für 25 Jahre pachten können, gilt nur für Investoren. Wir dürfen nicht wählen, nicht politisch aktiv werden usw. Daß AusländerInnen nicht alle StB-Rechte genießen, ist das Vorrecht des Staates. Doch tragisch finde ich, daß die Auswirkungen viel gravierender sind und auch die Rechte der Familie beschneiden. Unsere deutsch-indonesischen Familien sind permanent in ihrer politischen und wirtschaftlichen Existenz bedroht. (Dies ist der Hauptgrund, warum ich mich zurückgezogen habe, solange meine Kinder noch in Indonesien lebten.) Unsere Kinder haben qua geburt ZWEI Staatsangehörigkeiten, doch das darf nicht laut gesagt werden, sonst werden die schlafenden Hunde (die indonesischen Behoerden) geweckt, so meint die Botschaft, die über unsere Probleme lächelnd hinweggeht und meint, wir würden individuell schon Mittel und Wege finden (heißt das, sie duldet Rechtsbrüche?). Wählen die Kinder Indonesien als Lebensmittelpunkt, heißt das noch lange nicht, daß sie vollwertige Indonesier sind. Zum einen machen sie sich strafbar, wenn sie als Erwachsene außerdem noch Deutsche sind. Sie bleiben aber Deutsche, wenn sie die deutsche StB nicht legal ablegen. Sie haben immer ein latentes Recht auf die deutsche StB. Das könnte in bestimmten Situationen zum Verhängnis werden. Beispiel Erbe: Ausländer dürfen erben, doch Grundbesitz muß innerhalb eines Jahres veräußert werden. Weitere Beispiele erspare ich mir. Die Problematik in Deutschland kennt Ihr sicherlich besser als wir. Kurz und knapp gesagt vermisse ich neben den vorenthaltenen wesentlichen Menschenrechten auf Arbeit, Sicherheit und und und… den so oft hochgehaltenen Schutz der Familie. Ohne das Recht auf doppelte Staatsbuergerschaft sind wir verdammt zu einer unfreien und rechtsarmen Existenz. Harte Worte, aber so ist die Realität für uns deutsche Frauen in Indonesien. Aufgabe der deutschen StB hat schwerwiegende Folgen, mehr, als Gertraud B. in ihrem Brief beschreibt. Mein eigener „Fall“: ich bin Deutsche, meine Kinder waren auch während ihrer Zeit in Indonesien immer Ausländer, damit sie dem indonesischen Schulsystem entgehen konnten. Wir erlebten die absurdesten Situationen, Stoff genug fuer ein dickes Buch. Summa summarum, wegen des fehlenden Rechts auf doppelte StB ist es unmöglich, sich eine Existenz aufzubauen. Unsere Kinder studieren jetzt in Deutschland als Deutsche. Daß sie auch das Anrecht auf indonesische Staatsangehörigkeit in der Tasche haben, wird geduldet, genauso wie der indonesische Staat in der Praxis die doppelte StB der deutsch-indonesischen Kinder duldet. Übrigens ist der Begriff „deutsch-indonesisch“ wegen der fehlenden Rechtsgrundlage nicht existent und ist somit hier nicht juristisch gemeint, sondern aus dem Leben gegriffen. Denn mir fiel kein anderes Wort ein, das die reale Situation beschreiben könnte.“ Sieglinde S. (Name geändert), Jakarta, Indonesien