Suharto stinksauer
Neues Forum Bulletin, Nr. 39, 23.5.1995
Der indonesische Diktator hatte beim Kulturbesuch in Dresden unangenehme Erlebnisse
Die diesjährige Hannovermesse hatte zum Partnerland Indonesien gewählt. Die deutsche Industrie möchte offensichtlich gern Arbeitsplätze auch in dieses fernöstliche Menschenrechtsparadies exportieren und die Bonner Politikerclique geht ihnen dabei gern zur Hand. Ärgerlich nur, daß den hofierten indonesischen Staatsgästen die medienwirksamen Alibireisen zu Stätten der deutschen Kultur von ostdeutschen Aktivistinnen vermasselt wurden. Das Weimarer Stadtparlament erklärte in einem Brief an den Diktator Suharto diesen kurzerhand zur „unerwünschten Person“. In Dresden durften die Staatsgäste immerhin anlaufen, hatten aber diese und jene Schwierigkeit. Dazu folgender Bericht von den Aktivistinnen.
Anläßlich der Hannovermesse erstattete der indonesische Ministerpräsident, General Suharto, Dresden einen Besuch. Im Vorfeld wurde uns diese Information, sowie einige Details des vorgesehenen Besuches bekannt, woraufhin sich eine Gruppe von Leuten zusammenfand, die diesen Besuch zu verhindern bzw. zumindest zu behindern suchte. Wir verfaßten einen offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt und an den Ministerpräsidenten von Sachsen, in dem diese auf die maßlosen Menschenrechtsverletzungen in Indonesien hingewiesen und zum Absagen des Besuches aufgefordert wurden. Dieser offene Brief wurde von 24 Gruppen unterzeichnet und gemeinsam mit einer Presseerklärung und umfangreichen Informationen den beiden alten Herren sowie der Dresdner Lokalpresse übergeben. Fast zeitgleich existierte noch eine Initiative im Stadtparlament, ähnlich wie in Weimar, den Besuch mittels einer Parlamentserklärung auszuhebeln.
Die Reaktion war unglaublich: Der Bürgermeister distanzierte sich mit schroffen Worten von dem Besuch und meinte, daß eine Eintragung im goldenen Buch nicht in Frage käme. Biedenkopf erklärte öffentlich Verständnis für unseren Protest, meinte aber trotzdem den Herren Suharto höflich empfangen zu wollen. Der Leiter des Stadtmuseums, Matz Griebel, den das Protokoll des Außenamtes erkoren hatte Suharto durch das Grüne Gewölbe zu führen, weigerte sich, diese Ehre anzunehmen.
Am Vorabend des Besuches, dem 4.4. wurde kurzfristig noch eine Informationsveranstaltung organisiert, auf der ein Film über das Massaker von Dili gezeigt wurde. Die Veranstaltung wurde von drei Exiltimoresen gehalten, die ausführlich über die Schrecknisse speziell Ost-Timors berichteten.
Am 5.4. kam nun Suharto gegen 10.30 Uhr auf dem Flugplatz an und aus dem Staunen den ganzen Tag nicht mehr heraus. Wir – etwa 150 bis 200 Demonstranten – empfingen ihn im Zwinger mit maßlosem Krach, Transparenten in seiner Muttersprache und Flugblattregen. Einer der Timoresen skandierte Sprüche über das Megaphon. Die Polizei hielt sich zu unserer Verwunderung weitestgehend zurück. Der Besuch des sich gern als Mäzen gebenden Suharto in der Galerie alter Meister währte ganze 20 Minuten. Danach wurde er die 200 m ins Hotel gekarrt, aus dem er sich bis zum Abend wegen unserer Proteste nicht heraustraute. Im Laufe des Nachmittags wurde die Polizeilinie etwas härter, blieb aber weit hinter unseren Erwartungen zurück. Um sechs gab es dann eine Demo auf dem Theaterplatz, zu der ca. 600 Leute kamen. Dieweilen die Polizei nun doch einen „Freiraum“ (Radius ca. 100 m) für Suharto geschaffen hatte und langsam einen rabiateren Film fuhr, gab es einige Rangeleien, die aber wohl für keinen böse ausgegangen sind. Es wurden etwa 10 Leute kurzfristig festgesetzt. Für 20.00 Uhr war Suharto zum Fressen mit Biedenkopf und Wirtschaftsmutanten verabredet, – schlecht für ihn, daß das in einem anderen Hotel war. Der Transfer gestaltete sich recht kompliziert, da die Demonstration sich mittlerweile in kleine Gruppen geteilt hatte, um an den verschiedensten Ecken zu blockieren. Das gelang ganz gut, so daß der gepanzerte Bus mit Indonesiern, in dem zumindest der mit der deutschen Wirtschaft verschwägerte indonesische Tecbnologieminister Habibi saß (manche behaupten gar „Ihn“ gesehen zu haben) auf dem Terrassenufer umkehren mußte. Bei dieser Gelegenheit zeigte Herr Habibi übrigens einen Stinkefinger, wir hoffen das Foto wird was! Nachdem Suharto auch noch in der Hotelhalle ein Transpi zu sehen kriegte, kam er wohl einigermaßen paranoid zum Geschäftsessen, wo ihm Biedenkopf sagte, daß er jetzt eine ganze Menge Demokratie mitbekommen hätte.
Die Presse des 5./6.4. war sehr gut. Was uns besonders erfreute, ist, daß einige ausgiebig auch die von uns gelieferten Hintergrundinformationen publizierten. Suharto ist offensichtlich stinksauer. Neueren Informationen aus Indonesien zufolge hat er den in Deutschland sitzenden Militärattache, der für die Sicherheit des Besuches zuständig war, fast gefeuert. In den Medien wird verbreitet, drei (!) Indonesier, die zu diesem Zeitpunkt in Hannover waren (unter ihnen der Chefredakteur der verbotenen Zeitung „Tempo“) hätten die Ereignisse in Dresden aus dem Untergrund vorbereitet. Welche Folgen das für die drei Leute hat, ist bisher noch unklar, jedoch bewerten die uns bekannten Exiltimoresen die Situation insgesamt optimistisch. Die kritische Presse in Indonesien bezweifelt natürlich das Ammenmärchen von der Verschwörung.
Wir konnten den Besuch nicht verhindern. Kohl und seine Puppenspieler in der Wirtschaft werden auch nicht ihre Suche nach einer neuen deutschen Kolonie aufgeben. Aber die deutsch-indonesische Obrigkeitsschmuserei hat einen deutlich bitteren Beigeschmack bekommen und wir sind noch so naiv zu hoffen, daß die Beziehungen sich etwas schwerfälliger entwickeln als vorher zu erwarten.
Wir möchten uns bei den Leuten von Watch Indonesia, der Ost-Timor Co-Gruppe von amnesty international und der Gruppe der Exiltimoresen für ihre Unterstützung mit Informationen und Landesprachkenntnis bedanken.
WOLF S. PELZ
Erklärung zu den Protesten gegen den Besuch General Suhartos in Dresden
General Suharto!
In Dresden beschäftigen sich seit vielen Jahren verschiedene Menschenrechts- und Friedensgruppen mit den Menschenrechtsverletzungen in Ihrem Land, der Annexion Ost-Timors und den Waffenexporten Deutschlands für Ihre Armee. Unsere Gruppe speziell besetzte bereits im Mai 1993 eines der inzwischen an Indonesien gelieferten Kriegsschiffe.
Die ständige Mißachtung der Menschenrechte, das Massaker von Dili, die Verschleppungen, die Morde und die Unterdrückung unter Ihrem Diktat sind der Weltöffentlichkeit hinreichend bekannt und wurden von der UNO mehr als einmal angeklagt. Aus diesem Grunde beschlossen 24 Dresdner Gruppen gegen Ihren Besuch in unserer Stadt Einspruch zu erheben.
Wir forderten unsere Stadt- und Landesregierung auf, Sie auszuladen bzw. baten die Vertreter aus Kunst und Kultur, Sie nicht zu empfangen. Dem wurde zum Teil Rechnung getragen. Wie Ihnen sicher aufgefallen ist, wurde Ihr Programm erheblich gekürzt und Sie durften sich nicht in das Goldene Buch der Stadt eintragen. Aber auch gegen Ihren gekürzten Besuch und den Eintrag in das Goldene Buch des Landes Sachsen protestierten wir. Wir halten es für skandalös, daß unsere Bundes- und Landesregierung, Sie, einen der blutigsten Diktatoren der Welt, empfingen. Wir beabsichtigten, Sie merken zu lassen, daß wir, die Dresdner Bürger, mit Ihrer Politik und Ihrem Besuch bei uns nicht einverstanden sind. Dank der Zurückhaltung der Polizei ist uns dies auch gelungen. Nun entnehmen wir der Presse mit Genugtuung, daß Sie über unsere Proteste sehr erbost sind. Wir haben also unser Ziel erreicht.
Mit Bestürzung und Entrüstung erfahren wir jedoch, daß Sie und Ihre Medien nun versuchen, für unsere Proteste die Menschenrechtler Yeni Rosa Damayanti, Goenawan Mohamad und Sri-Bintang Pamungkas aus Ihrem Land verantwortlich zu machen. Wir teilen Ihnen und der Öffentlichkeit daher mit, daß wir keinerlei Kontakte zu den o.g. Personen oder anderen Menschenrechtlern Indonesiens oder Ost-Timors im Vorfeld Ihres Besuches hatten. Wir haben die Protestaktion ohne jegliche Unterstützung aus Indonesien organisiert und unsere Informationen waren ausschließlich allgemein bekannter Natur.
Wir befürchten, daß Sie unsere Protestaktion zum Anlaß nehmen, erneut und zum wiederholten Male Demokratiebestrebungen in Ihrem Land zu unterdrücken. Dies wäre abermals ein Zeichen für Ihre demokratieverachtende und menschenfeindliche Innenpolitik.Wir fordern Sie daher auf, weder die genannten, noch andere Personen im Zusammenhang mit unserer Protestaktion zu verhören, zu beschuldigen bzw. zu bestrafen.
Wir werden Ihr weiteres Vorgehen in dieser Angelegenheit sehr genau beobachten und werden die Öffentlichkeit darüber informieren.
AKTIONSBÜNDNIS GEGEN DEN INDONESISCHEN STAATSBESUCH AM 5.4. IN DRESDEN
Zur Information auch an:
Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland Botschaft Indonesiens in Deutschland Botschaft Portugals in DeutschlandDer Brief wird zum gleichen Zeitpunkt der Presse in Deutschland und Indonesien zugeleitet.
Offener Brief zum Suharto-Besuch
Herr Ministerpräsident! Herr Oberbürgermeister!
Am Rande seines Besuches der Hannovermesse weilt der Präsident Indonesiens, General Suharto, in Dresden. Der deutsche Staat und die deutsche Wirtschaft umwerben momentan Indonesien, wohl im Blick auf eine „Verbesserung“ der wirtschaftlichen Beziehungen. Unter anderem beschloß der Bundessicherheitsrat, unter Ausschaltung demokratischer Kontrollmöglichkeiten, die Lieferung von 39 Kriegsschiffen aus NVA-Beständen an Indonesien. Trotz breiter Proteste in Deutschland wurden alle Schiffe im letzten Jahr übergeben.
General Suharto putschte sich 1965 an die Macht. In den ersten Monaten der Militärdiktatur fielen bereits eine halbe Million Menschen „politischen Säuberungen“ zum Opfer. Seine Herrschaft ist begleitet von Völkermord, Unterdrückung von Minderheiten und ständiger Verletzung der Menschenrechte.
Angesichts der Lage in Indonesien halten wir es für äußerst bedenklich, daß sich Deutschland in diesem Land wirtschaftlich engagiert.
Wir fordern die Einstellung der Lieferung jeglichen Kriegsmaterials an Indonesien. .Wir verbitten uns, daß Präsident Suharto in Sachsen als Staatsgast empfangen wird und fordern Sie hiermit auf von einer entsprechenden Einladung Abstand zu nehmen bzw. von dieser zurückzutreten.
2/3-Welt Arbeitskreis Versöhnungskirche
AAK Wolfspelz
amnesty international, Regionalgruppe Dresden
Anstiftung – Projekte gegen das Vergessen
Antifa Dresden
arche noVa – Initiative für Menschen in Not
Ausländerrat der Stadt Dresden
Bündnis 90 / Die Grünen Dresden
Conni e.V.
Die Mitarbeiter des Ökumenischen Informationszentrums Dresden
EDCS Freundeskreis Sachsen
Freundeskreis der Totalverweigererlinnen
Grüne Liga Dresden ‚
Infoladen SchlaglochInitiative christliche Linke, Regionalgruppe Dresden
Malwina e.V.
NEUES FORUM Dresden , . .;
Pfarrer Christian Führer, Nikolaikirche Leipzig
Pfarrer Hanno Schmidt
Pfarrer Rudolf Albrecht, Vorstandsmitglied des Internationalen Versöhnungsbundes/l deutscher Zweig
Radioinitiative Coloradio
Stephan Fritz, Studentenpfarrer Dresden
Timor & kein Trupp
Umweltbibliothek Großhennersdorf Umweltzentrum Dresden
Verein für die Jugend Europas e.V.
Wakita Freundeskreis
u.a.