Papua: Wälder, Menschen, Ausverkauf

Action Solidarite Tiers Monde, Luxemburg, Brennpunkt 262 – avril 2011

Interview mit Marianne Klute

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2011 zum Internationalen Jahr der Wälder ausgerufen. Nach ihren Schätzungen gehen jährlich weltweit 130.000 km2 Wald verloren. Schuld daran sind die Nachfrage nach Tropenholz und Bodenschätzen, die Umwandlung in Acker-, Weide- und Plantagenflächen sowie menschliche Infrastrukturen und Siedlungen. Ein Interview mit Marianne Klute von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia!

 

Neben den tropischen Regenwäldern des Amazonas und Afrikas beherbergt Indonesien die letzten intakten Regenwälder der Erde. Während diejenigen auf Sumatra und Borneo in den letzten Jahrzehnten größtenteils legalen und illegalen Rodungen zum Opfer gefallen sind, stehen nun die Wälder Papuas vor dem Ausverkauf. Wie sieht die Situation in Papua aus?

Marianne Klute: Papua ist die letzte Front der Holzindustrie, nachdem der Regenwald von Sumatra und Borneo so gut wie abgeholzt ist. Auf Sumatra ist der Wald in den vergangenen 30 Jahren riesigen Akazien- und Ölpalmenplantagen gewichen, auf Borneo setzte die Zerstörung etwas später ein. Heute sind dort alle erreichbaren Wälder verschwunden und die Holzindustrie ist inzwischen bankrott. Im Vergleich zu Sumatra sind auf Borneo deutlich weniger Ölpalmen angepflanzt worden, auch weil der nichtvulkanische Boden unfruchtbar ist. Fliegt man über Borneo, so schockieren die weiten kahlen Flächen, mit Inseln von Plantagen dazwischen. Tropischen Regenwald sieht man nur auf Bergen. Deswegen ist die Holzindustrie längst nach Papua abgewandert, das vor einer Generation noch zu drei Viertel mit intakten Wäldern bedeckt war. Seit den 1980er Jahren gibt es großflächige Holzeinschlagskonzessionen auf Papua. Blickt man auf die Karte mit diesen Konzessionen, so wird deutlich, dass alle erreichbaren Wälder an Holzfirmen vergeben sind, vor allem im Vogelkopfgebiet und im flachen Süden. Das bekannteste Holz aus Papua ist Merbau.

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2011 zum Internationalen Jahr der Wälder ausgerufen. Nach ihren Schätzungen gehen jährlich weltweit 130.000 km2 Wald verloren. Schuld daran sind die Nachfrage nach Tropenholz und Bodenschätzen, die Umwandlung in Acker-, Weide- und Plantagenflächen sowie menschliche Infrastrukturen und Siedlungen.

Seit 2001 wird massiv eingeschlagen, davon sind 90% illegal. Holzkonzerne aus Indonesien, Malaysia, Korea und China sind über Papua hergefallen, um den Weltmarkt mit Tropenholz und Holzprodukten zu versorgen. Allein in der Provinz Hainan sind seither Hunderte von Holz verarbeitenden Betrieben entstanden, die das Holz aus Papua verarbeiten und exportieren. Der Holzrausch und der illegale Holzeinschlag haben derart extreme Ausmaße angenommen, dass die indonesische Polizei bereits mehrfach Razzien durchgeführt hat, mit dem Ergebnis, dass heute überall in Papua Halden von Merbau verrotten. Auch hat die Provinzregierung vor drei Jahren den Export von unverarbeitetem Holz eingeschränkt. Das hat allerdings wenig genutzt, denn die Holzkonzerne finden Mittel und Wege, das Holz trotzdem aus dem Land zu schaffen. Insgesamt gesehen hat Papua in dem letzten Jahrzehnt so viel Wald verloren wie niemals zuvor. Für die einheimische Bevölkerung ist dieser Verlust mehr als nur Umweltzerstörung. Die meisten leben im und vom Wald; er ist die Basis ihrer Existenz und ihrer Kultur. Die Papua sagen: Der Wald ist unsere Mutter. Das drückt genau das Gefühl aus, das sie empfinden: den Verlust ihrer Nahrungsquelle und ihrer Identität. Seit 2007 hat sich die Situation verändert. Aus der letzten Front der Holzmafia will man eine Agropolitan. Papua soll nach dem Willen der indonesischen Regierung für die Agroindustrie erschlossen werden und die Welt mit Palmöl und Reis versorgen. Vorher gab es bereits einige, wenige Plantagen mit Kakao und Palmöl. Diese sind von Migranten von anderen indonesischen Inseln erschlossen worden. Ihnen, meist armen Landlosen von der Insel Java, wurde Land versprochen. Dieses mussten sie erst roden, um dann später als Kleinbauern oder Plantagenarbeiter auf einer Ölpalmenplantage zu arbeiten. Doch diese alten Plantagen sind äußerst unproduktiv. Das kann an den Bodenverhältnissen liegen, aber auch am mangelhaften Management. Wie auch immer, Palmöl und Kakao aus Papua waren mengenmäßig nicht relevant. Jetzt aber kaufen Agrarunternehmen in großem Stil Land in Papua auf, hauptsächlich für Palmöl. Der berüchtigte Konzern Sinar Mas hat 80.000 Hektar bei der Hauptstadt Jayapura gekauft und weitere 50.000 im Süden bei Merauke. Dort im Süden entsteht gerade ein so genanntes Integrated Food and Energy Estate, halb so groß wie der gesamte Bezirk. Das Projekt ist ein besonderes Anliegen von Präsident Yudhoyono, der damit die javanische Bevölkerung mit Reis und die Industriestaaten mit Palmöl versorgen will. Im August 2010 war die feierliche Eröffnung des Estates. Sobald die ersten Verträge unterzeichnet waren, begann man mit der Abholzung. Wenn dieses Projekt komplett realisiert wird, ist der Wald im Süden weg. Gerade hier hat der Tropenwald mit den asiatischen Wäldern wenig gemein. Der Einfluss Austronesiens drückt sich in Flora und Fauna aus: es gibt Eukalyptuswälder, Trockenwälder und Savannen. Hier leben Baumkängurus. Hier sind auch Sümpfe, zum Beispiel in dem bekannten Asmat-Gebiet. Völlig andere Ökosysteme als auf Borneo oder Sumatra, und aus ökologischer Sicht ist ein Mega-Reis-Ölpalmenprojekt zum Scheitern verurteilt. Im Vogelkopfgebiet schlägt gerade der Konzern Medco-Energy 45.000 Hektar intakten Regenwald ab, und an der Nordküste ist es ähnlich: Konzerne kaufen den Wald, schlagen ihn in rasantem Tempo kahl und setzen sofort Ölpalmen ein.

Die weltweite Nachfrage nach billigem Palmöl für die Nahrungs-, Waschmittel- und Kosmetikindustrie hat Indonesien mittlerweile zum Weltmarktführer in diesem Sektor, zum drittgrößten globalen CO2-Emittenten und zu einem Hauptverursacher der Waldzerstörung gemacht. Wie sehen die weiteren Pläne der indonesischen Politik aus?

Papua ist die Region, in der die indonesische Regierung noch „ungenutztes“ Land vermutet. Sieben Millionen Hektar Plantagen für Ölpalmen sollen insgesamt hier entstehen. Das ist nur ein Teil der gesamten ehrgeizigen Pläne, die 2006-2007 in Reaktion auf die Biospriteuphorie entstanden sind. Innerhalb kürzester Frist wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Privatinvestoren geschaffen. Ziel ist der Ausbau der Plantagen bis 2025 auf 26 Millionen Hektar, davon 7 Millionen Hektar in Papua und 10 Millionen Hektar auf Borneo. Die Größenordnung von 7 Millionen Hektar in Papua deckt sich in etwa mit dem leicht zugänglichen Wald, der, nach der indonesischen Formulierung, für die „Konversion“, also die Umwandlung in Agrarflächen vorgesehen ist. Das ist eine äußerst akute Bedrohung für den Wald Papuas, der über einen außergewöhnlichen Reichtum an endemischen und vielfach noch unerforschten Arten verfügt. Seit 2007 wird auf Borneo, Sulawesi, Sumatra und Papua massiv für Palmöl abgeholzt. Resultat ist, dass Indonesien die Anbaufläche von 5,6 Millionen Hektar auf 9 Millionen Hektar gesteigert und entsprechend die Produktion von Palmöl erhöht hat. Nach der Entwaldung wird häufig das Restholz abgebrannt, und jedes Jahr von Mai bis November liegen Sumatra und Borneo unter dicken Rauchwolken. Das schlimmste Feuerjahr war 1997, als die CO2-Emissionen aus Indonesien 30 % der globalen Emissionen ausmachten. Indonesische Umweltverbände beschuldigen die Plantagenunternehmen, für 80 % der Waldbrände verantwortlich zu sein. Auch die Bevölkerung rodet den Wald mit Feuer, hauptsächlich weil sie von den Megaplantagen von ihrem Land verdrängt wird und eine neue Existenz sucht. Papua ist bisher von dramatischen Waldbränden verschont geblieben, denn so riesige degradierte Flächen und Monokulturen gibt es noch nicht. Das kann sich aber schnell ändern, wenn die Entwicklung nicht schnellstens gestoppt wird. Gefragt wird die Bevölkerung nicht, ob sie ihr Land abgeben und selbst Ölpalmenbauer werden will. Die Rechtslage erlaubt es dem Staat, über das Land zu verfügen, d.h. es an die Unternehmen langfristig zu verpachten. Dagegen sind die Landrechte der Indigenen und der lokalen Bevölkerung nicht geschützt. Gerade auf Borneo und in Papua bedroht die Expansionspolitik die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Indigenen.

Das Etikett des Umweltsünders will sich Indonesien trotz allem nicht anheften lassen. Es ist deshalb dem UN-Waldschutzprogramm REDD 3 beigetreten. Was darf man sich von dieser Initiative für den Schutz der Wälder und den Erhalt der Artenvielfalt erhoffen?

Wenig. Allein die Größenordnung der gegenwärtigen und zukünftigen Abholzungen für Palmöl und andere Agrarkommoditäten übertrifft sämtliche potentiellen REDD-geschützten Wälder. Emissionen können nur reduziert werden, wenn die Wälder wachsen. Es reicht nicht, ein paar Prozent von der Entwaldung auszunehmen. Auch zum Erhalt der Artenvielfalt bedarf es zusammenhängender Räume. REDD-Projekte sind nicht die Lösung. Andererseits bewirkt REDD ansatzweise ein Umdenken der indonesischen Umweltpolitik. Wenn nun auch der Forstsektor mitzieht und den Wald nicht nur monetär bewertet, wäre schon einiges gewonnen. Doch mit REDD sind eine Reihe anderer Aspekte verbunden, auch solche, die aus menschenrechtlicher Sicht sehr problematisch sind. 20% der indonesischen Bevölkerung ist existenziell vom Wald abhängig. Wenn REDD-Projekte ihr den Zugang verwehrt, besteht die Gefahr, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung marginalisiert wird oder in den städtischen Slums landet. Im Grunde sehe ich das Hauptproblem bei REDD ähnlich wie bei Holz und Palmöl: die Menschen verlieren ihr Land und damit ihre Existenz.<>

 

Das Interview führte Barbara Böhme, Sprecherin der Bürgerinitiative „Kein Strom aus Palmöl!“


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