Freispruch im Mordfall Munir:
Straflosigkeit als Neujahrsgruß
01. Januar 2009
Am 31. Dezember 2008 sprach das Bezirksgericht Südjakarta den für den Mord an Indonesiens bekanntem Menschenrechtsanwalt Munir angeklagten ehemaligen Vize-Geheimdienstdirektor Muchdi Purwoprandjono aus Mangel an Beweisen frei. Watch Indonesia! kritisiert die Prozessführung als unzulänglich: wegen des unglaubwürdigen Tatmotivs in der Anklage, der schwachen Beweismittel und des fehlenden Zeugenschutzes wäre eine Verurteilung Muchdis unter Einhaltung rechtsstaatlicher Standards gar nicht möglich gewesen. Die Menschenrechtsorganisation fordert eine erneute Untersuchung, um die restlose Aufklärung des Falles und Bestrafung der Verantwortlichen zu gewährleisten. Die Anklage hatte Muchdi, Generalmajor a.D. und ehemaliger Kommandant der berüchtigten Militäreinheit Kopassus, vorgeworfen, den im September 2004 verübten Giftmord an Munir angeordnet zu haben. Als Mordmotiv führte sie Rache an, denn Munir hatte unter Muchdis Verantwortung verübte Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt. „Mit dem Rachemotiv hat die Staatsanwaltschaft es vermieden, die mögliche Beteiligung weiterer, teils hochrangiger Geheimdienstler an dem Mord zu untersuchen“, sagt Alex Flor, Direktor von Watch Indonesia!. Eine präsidentielle Untersuchungskommission hatte den ehemaligen Geheimdienstdirektor Abdullah Mahmud Hendropriyono der Mittäterschaft verdächtigt. Auch während des Verfahrens gegen Pollycarpus, der im letzten Jahr als Tatausführender überführt wurde, tauchten Hinweise hierzu auf. „Das Rachemotiv hat eine Untersuchung des Wirkens des Geheimdienstes überflüssig gemacht. Genau das wäre aber nötig gewesen, um alle Verantwortlichen zu identifizieren und ihre Schuldigkeit zu beweisen“, kritisiert Flor. Watch Indonesia! bemängelt, dass die Staatsanwaltschaft nur einige schwache Beweisstücke in das Verfahren einbrachte. Sie stützte sich auf einen mittels forensischer Computertechnologie wiederhergestellten Brief, Aufzeichnungen einer Telefongesellschaft sowie eine eidesstattliche Erklärung des im Ausland befindlichen Geheimdienstmitarbeiters Budi Santoso, laut derer Muchdi den Mord befohlen hat. „Staatsanwaltschaft und Polizei haben ihre Mittel zur Beweissammlung nicht voll ausgeschöpft. Beispielsweise wurden weder Durchsuchungen angestellt noch das persönliche Erscheinen Santosos vor Gericht konsequent eingefordert“, so Fabian Junge, Menschenrechtsreferent von Watch Indonesia!. Aufgrund der wenigen Beweisstücke stützte sich die Anklage vor allem auf Zeugenaussagen. Doch bis auf eine Ausnahme entlasteten alle Zeugen aus dem Umfeld des Geheimdienstes den Angeklagten: Einige erschienen trotz etlicher Vorladungen erst gar nicht zum Gerichtstermin, andere widerriefen oder änderten ihre im Rahmen der polizeilichen Ermittlung gemachten, belastenden Aussagen oder hatten sie schlichtweg „vergessen“. „Das Wegbrechen vieler wichtiger Zeugen zeigt wieder ein Mal, wie dringend Indonesien ein Zeugenschutzprogramm benötigt. Dass das Gericht sich nicht von selbst bemüßigt fühlte, die Ursache der massenhaft widerrufenen Zeugenaussagen zu hinterfragen, spricht für den mangelnden Aufklärungswillen“, so Junge. Oder fühlte sich das Gericht möglicherweise selbst unter Druck gesetzt? Watch Indonesia! sieht in dem mangelhaft geführten Prozess eine verpasste Chance, um ein Zeichen zur Beendigung der seit Jahrzehnten anhaltenden Straflosigkeit zu setzen. „Polizei und Staatsanwaltschaft müssen den Fall erneut untersuchen“, fordert Junge. „Dabei sollten sie das Augenmerk auf den Geheimdienst als Organisation legen und alle Verantwortlichen, ungeachtet ihres Ranges oder ihrer sozialen Stellung, zur Rechenschaft ziehen. Die indonesische Justiz bleibt den Angehörigen und Freunden Munirs sowie der indonesischen und internationalen Öffentlichkeit eine Aufklärung des Mordes weiterhin schuldig.“<>
Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte Alex Flor (flor@watchindonesia.org) Fabian Junge (junge@watchindonesia.org)