Osttimor soll Kriegsgräuel aufarbeiten
entwicklungspolitik online, 10. August 2005
Berlin (epo). – Die Regierung Osttimors soll die im Unabhängigkeitskrieg von indonesischen Streitkräften oder Rebellen begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufarbeiten. Dies hat die Nichtregierungsorganisation „Watch Indonesia!“ anlässlich des Besuches des osttimoresischen Außenministers José Ramos-Horta in Berlin gefordert. Die deutsche Bundesregierung solle die diesbezüglichen Empfehlungen der UN-Expertenkommission unterstützen und sich bei der Regierung Osttimors für deren Umsetzung stark machen, erklärte Watch Indonesia. Nur so sei eine dauerhafte Versöhnung möglich.
Versöhnung, Gerechtigkeit und gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Osttimor und Indonesien können langfristig nur erzielt werden, wenn die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen von den schwer wiegenden Makeln befreit wird, die der Bericht der Expertenkommission benennt“, erklärte Watch Indonesia. Die Regierungen Osttimors und Indonesiens hatten sich gegen die UN-Empfehlungen ausgesprochen und angekündigt, einen Schlussstrich unter die Strafverfolgung ziehen. Sie setzten statt dessen eine Freundschafts- und Wahrheitskommission ein.
Opferverbände und Menschenrechtsorganisationen in Osttimor wie auch in Indonesien lehnen diese bilaterale Kommission entschieden ab. Mit der Kommission, die Amnestien erteilen kann, werde Straflosigkeit garantiert und die Täter geschützt. Sie diene den politischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern und nicht den Opfern. „Die Bevölkerung wird Straflosigkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht akzeptieren. Die Opfer und ihre Familien verdienen mehr als das“, heißt es in einer Erklärung der katholischen Kirche in Osttimor.
Die von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzte Expertenkommission hatte die Aufgabe zu analysieren, inwiefern das ad hoc Menschenrechtsgericht in Jakarta und das Sondergericht in Osttimor effektive Strafverfolgung betrieben haben. Außerdem sollte sie Maßnahmen empfehlen, wie Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden können.
Für die Opfer der Verbrechen in Osttimor sei bisher keine umfassende Gerechtigkeit erzielt worden. Die Verantwortlichen seien nicht zur Rechenschaft gezogen worden, stellte die UN-Expertenkommission fest. Sie empfahl, Indonesien solle die Verfahren innerhalb von sechs Monaten wieder aufnehmen und gegen weitere Beschuldigte neue Verfahren nach international anerkannten Standards eröffnen. Die bisherigen Prozesse beurteilten die Experten als unangemessen. Sollte Indonesien dem nicht nachkommen, solle der Sicherheitsrat ein internationales Strafgericht einrichten.
Watch Indonesia befürchtet auch, dass die Straflosigkeit dazu führen könnte, dass zurückkehrende Milizionäre, die schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben, anders als Täter minder schwerer Verbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. In den vergangenen Jahren hatte Osttimors nationale Wahrheitskommission Prozesse zur Versöhnung mit Tätern minderschwerer Verbrechen in den Gemeinden durchgeführt. Das Fehlen von Gerechtigkeit stelle in Osttimor heute das größte Hindernis für die Versöhnung dar, so die Berliner Organisation. <>