Der indonesische Osterkalender
Information und Analyse, 30. März 2013
Kirchenzerstörungen vor den Feiertagen
von Alex Flor
Vor einigen Jahren entdeckte ich beim Einkauf im Supermarkt zum ersten Mal einen Osterkalender. »Respekt«, dachte ich, »Industrie und Einzelhandel lassen sich doch immer wieder neue Marketingstrategien einfallen!«
Effizienzsteigerung durch bessere Auslastung der Maschine: der Osterkalender sah aus wie ein Adventskalender. Die selbe Stanzvorlage, mit 24 Türchen, hinter denen sich Schokolade befindet – für jeden Tag eines. Nur dass die Druckmotive keine Nikoläuse, Engelchen und Rentierschlitten zeigten, sondern Osterhasen, bunte Eier und Frühlingsmotive.
Auf der Suche nach der kürzeren Schlange an der Kasse erschloss sich mir nicht unmittelbar, zu welchem Datum denn beim Osterkalender das erste Türchen geöffnet werden durfte. Weihnachten ist jedes Jahr am 24. Dezember, also wird das erste Türchen am 1. Dezember geöffnet. Hätte ich Kinder, sie hätten es mir noch in der Kassenschlange sicher erklären können. So konnte ich jedoch ohne quengelige Bitten nach überteuerten Süßigkeiten mehr oder weniger geduldig an der Kasse anstehen. Es war wie immer die falsche Schlange, denn sie war zwar kürzer als die anderen, aber gleich drei Leute vor mir bezahlten ihre Minibeträge zeitaufwändig mit Karte, weil sie zu faul gewesen waren, sich die notwendigen 15 Euro vorher 100 Meter weiter am Bankautomaten zu holen. Ich wurde ungeduldig und vergaß darüber das Kalenderproblem.
Ein Nest mit bunten Eiern – Einheit in Vielfalt
Derselbe Supermarkt ein paar Jahre später: auch diese Woche stand ich wieder in der falschen Schlange. Und wieder war es kurz vor Ostern. Da fiel mir auf, dass es dieses Jahr keine Osterkalender mehr gab. Vielleicht hat die Verkaufsidee geflopt, weil die Kinder doch nicht richtig von Ostersonntag weniger 24 rechnen konnten? Vielleicht hätte die Industrie den Kleinen gleich ein praktisches Osterkalender-App fürs Smartphone mit anbieten sollen? Oder musste die Marketingabteilung des Süßwarenherstellers zu lange darüber nachdenken, wie man dieses Jahr den Osterhasen angesichts von Schnee und Kälte in einem Rentierschlitten darstellen könnte? All diese Fragen sollten eigentlich nicht mein Problem sein. Aber über was könnte man sich beim langweiligen Anstehen an der Kasse sonst wohl Gedanken machen, wenn man sich nicht ein weiteres Mal über Kartenzahler ärgern will?
Ich habe immer noch keine Kinder. Ersatzweise erinnere ich mich während unfreiwillig langer Nachdenkpausen hinter Kunden, die ihre PIN falsch eingegeben haben, gelegentlich gerne an meine eigene Kindheit: wie war das schön, als kleiner Junge in einem bunten Blumengarten nach Osternestern zu suchen! Die Ausbeute war immer riesig, denn Eltern und Großeltern neigten dazu, mich zu verwöhnen. Was für ein Anblick: all die unterschiedlich gemusterten Eier, aus Schokolade, Marzipan oder gelegentlich auch mal handbemalt ganz traditionell vom Huhn. Dazu ein paar Schokoladenhasen. Viel zu wertvoll zum Naschen! Angesichts der bunten Osternester schien meine Liebe zur Einheit in Vielfalt geboren. Die Eier drohten schlecht zu werden, und man musste mich fast zwingen, die wunderschönen Schokoladenhasen irgendwann lange nach Pfingsten endlich zu »schlachten«. Ich mochte nie schlachten. Nicht einmal Schokoladenhasen.
Knapp 25 Jahre später entdeckte ich ein neues »Osternest«, welches mich als längst erwachsenem Menschen durch seine Buntheit und Vielfalt ebenso faszinierte wie einst die Eier und Häschen in meiner Kindheit. Das Nest hieß Indonesien. Und es hatte sich selbst das wunderschöne Staatsmotto »Einheit in Vielfalt« (Bhinneka Tunngal Ika) gegeben. Die Eier hatte ein Wappenvogel namens Garuda in dieses Nest gelegt.
Ich lernte Frauen, Männer und Kinder in unterschiedlichsten Trachten, von unterschiedlicher Tradition, Sprache, Aussehen, Religion und Ethnie kennen. Sie gaben sich als Indonesierinnen und Indonesier zu erkennen und hatten – wie sich später herausstellen sollte – nicht immer ganz freiwillig gelernt, dass sie EIN Volk sind. Es schien in dieser Einheit des indonesischen Volkes keine Konflikte zu geben. Später lernte ich, dass Konflikte mit eiserner Hand unterbunden worden waren.
Aber dennoch: über welch ungeheuren Reichtum verfügt ein Land oder ein Volk, welches sich aus hunderten bunten Ostereiern zu jeder Zeit und Gelegenheit das Passendste und Schönste aussuchen kann! Welche Potenziale mögen sich daraus ergeben voneinander lernen zu können, aus all den unterschiedlichen Facetten das Beste für das eigene Volk zu entwickeln – und damit vielleicht zum Mustervorbild für viele andere zu werden!
Spiegelei oder Rührei?
»Wie möchten Sie gerne Ihr Frühstücksei, Sir?«, fragte mich der Ober in einem Hotel der Oberklasse in Jakarta wieder einige Jahre später. »Gekocht, als Omelette, Spiegelei oder Rührei?« Ich wollte fast schreien: »ja, haut sie alle in die Pfanne, eure schönen, wertvollen, bunten Ostereier! Als Spiegelei. Oder vermanscht sie zu einem Rührei. Es ist euer Land, es sind eure Eier! Und zugegeben, sogar Salz und Pfeffer mussten wir Europäer vor Jahrhunderten von weit her importieren – unter anderem von euch«.
Ich beherrschte mich. Natürlich hat es keinen Sinn, meine Wut an einem Frühstückskellner auszulassen, der für ein Gehalt von vielleicht 150 € im Monat im Dienst ein schickes Jacket trägt, auf vier verschiedene Weisen Eier zubereiten kann und in geschliffenem Englisch jeden Tag einhundert Mal dieselbe Frage an Gäste zu stellen hat, die er je nach deren Aussehen wahlweise mit Sir, Meneer oder Bapak anredet. Ja, auch der indonesische Bapak wird auf Englisch angeredet. Das klingt im 5-Sterne-Hotel einfach vornehmer. Über die negativen Auswirkungen des Neokolonialismus wird bei anderer Gelegenheit diskutiert. Vielleicht besuchen der Herr Ober und der Bapak ja zufällig dieselbe Moschee? Nicht ausgeschlossen, schließlich ist Jakarta das größte Dorf der Welt.
Vielleicht wird dort in der Moschee am Freitag gerne die Rede gegen Ungläubige erhoben. Ungläubige (kafir) sind all jene, die sich nicht zum Islam bekennen. Das ist in Augen der Gläubigen freilich schlimm. Weitaus schlimmer sind aber diejenigen, die vom »wahren Glauben« abtrünnig wurden. Jene, die sich zwar Muslime nennen, aber falschen Lehren anhängen, und sich niemals als Muslime bezeichnen dürften. Darüber sind sich der Eierkoch und der Bapak in der Moschee einig: das ist Blasphemie und Ketzertum. Schiiten, Ahmadis, Bahai’i und andere »vom Glauben Abtrünnige« (Apostaten, Konvertiten, Atheisten …) haben kein Daseinsrecht in einer islamischen Gesellschaft! Freilich ist das am nächsten Morgen im Frühstücksraum des Hotels eben sowenig ein Thema wie beim nächsten Geschäftstermin des Bapak mit einem Bule (wörtl.: Albino, mehr oder weniger abfälliger Ausdruck für Weiße).
Politik und Justiz interessieren sich zunehmend weniger dafür, dass Indonesien keine rein islamische Gesellschaft – und noch viel weniger ein Islamstaat ist. Schiiten und Ahmadis werden grausam verfolgt. Polizei und Justiz sehen zu, wie Leute gedemütigt, verletzt und ermordet werden. Die Politik schweigt dazu nicht. Im Gegenteil: sie befleißigt sich gerne, die notwendigen Begründungen nachzuschieben.
Internationale Politik sucht nach Eiern
Noch immer gelingt es der Regierung Indonesiens, ihre Osternester so gut zu verstecken, dass viele internationale Politiker nicht in der Lage zu sein scheinen, diese aufzufinden. Erst jüngst verstand es Indonesien, sich auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin, der weltgrößten Fremdenverkehrsmesse, als ein pluralistisches Land darzustellen und die Vielfarbigkeit seiner Ostereier unter dem Motto »Einheit in Vielfalt« ein weiteres Mal feiern zu lassen.
Es wurde nicht bekannt, dass Bundeskanzlerin Merkel, Außenminister Westerwelle oder andere hochrangige deutsche Regierungsvertreter, die sich anlässlich der Messe mit Präsident Yudhoyono, Außenminister Natalegawa und anderen Delegationsmitgliedern getroffen haben, dieses Bild in Zweifel gezogen hätten.
Kein Wunder! Hatte nicht sogar CDU-Fraktionsschef Volker Kauder, der sich als Verteidiger »verfolgter Christen« in aller Welt einen Ruf zu verschaffen sucht, auf seiner letzten Indonesienreise ausdrücklich die Harmonie zwischen den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften betont? Und konnte Kanzlerin Merkel nicht bei ihrem Kurzbesuch in Jakarta letztes Jahr kurz hintereinander eine Moschee (ohne Kopftuch!) und eine evangelische Kirche besuchen? Wow!
Mit demselben Sicherheitspersonal wie Frau Merkel ausgestattet, würden sich vielleicht sogar die Anhänger der Ahmadiyyah trauen wieder in Cikeusik, Provinz Banten, zu einem Gottesdienst zu kommen. Dort, wo vor zwei Jahren drei ihrer Glaubensbrüder vor den Augen einer untätigen Polizei und vor laufenden Kameras zu Tode geprügelt wurden.
Aus welchen politischen, wirtschaftlichen oder geo-strategischen Gründen auch immer MÖCHTE man im Ausland Indonesien als einen vorbildhaften Staat in Sachen Religionsfreiheit sehen. Und Indonesien möchte als solcher gesehen werden. Tatsächlich aber dürfte der öffentliche Diskurs um Religionsfreiheit in einigen Staaten des sogenannten »arabischen Frühlings«, wie beispielsweise in Tunesien, bereits deutlich weiter gediehen sein. Dort gibt es immerhin Leute (Frauen!!), die mit zum Teil drastischen Maßnahmen die Deutungshoheit des Islam über Staat und Gesellschaft offen in Zweifel ziehen. AktivistInnen von Femen werden in Tunesien verfolgt. In Indonesien sind sie einfach nur undenkbar.
Atheismus und Glaube
Ich wuchs in einer atheistischen Familie auf. Feste wie Ostern und Weihnachten waren für mich in der Kindheit nur eine willkommene Ergänzung zum Geburtstag: aus irgendeinem Grund gab es halt ein kleines, die Spannung verstärkendes Geheimnis. Und – hurra! – am Tag X wurde die Spannung mit Geschenken und Süßigkeiten belohnt.
Als ich in die Schule kam, nahm ich auf Wunsch meiner Eltern »freiwillig« am Religionsunterricht teil. Ich war in diesem Fach der Klassenbeste. Dennoch wollte mir der Vize-Rektor der Grundschule damals die Eintragung der Note ins Zeugnis verweigern, denn schließlich war ich ein »Ungläubiger«. Mein Vater, damals wie noch heute im hohen Alter mindestens so stur wie ich selbst, drohte mit Sanktionen durch das Schulamt oder wenn nötig mit dem Gericht.
Das alles für eine unbedeutende Schulnote im Zeugnis der dritten Klasse! Ich war zu keiner Zeit versetzungsgefährdet. Es ging um nichts anderes als ums Prinzip. Schließlich war ich einer der besten Schüler meiner Klasse. Meine schlechteste Note war seinerzeit eine Drei in »Leibesübungen«, wie es damals hieß. Bis heute erinnere ich mich mitunter unangenehm daran, dass meine Oma dies beim Lesen meines Zeugnisses regelmäßig verballhornte: »In Liebesübungen musst du noch besser werden, Alex!«.
Der Vize-Rektor musste klein bei geben. Die Eins in Religion stand schließlich in meinem Schulzeugnis. Die Dickköpfigkeit meiner Eltern hatte gewonnen. Doch im nächsten Schuljahr wurde der Vize-Rektor mein Klassenlehrer. Ich selbst, aber vielleicht noch mehr meine Eltern, standen unter Hochspannung: wird sich dieser evangelikale Fundamentalist wohl trauen, in irgendeiner Weise »Rache« an mir zu nehmen? Er tat es nicht. Im Gegenteil war er einer meiner besten Grundschullehrer! Ich hatte gelernt, dass es Recht und Gesetz gibt, und dass Beamte (das waren damals noch ausnahmslos alle Lehrer) sich daran zu halten hatten.
Im Religionsunterricht, von dem mich dieser Fanatiker gerne ferngehalten hätte, lernte ich schließlich, dass Ostern und Weihnachten für manche Leute mehr bedeuteten als nur nach bunten Eiern zu suchen oder die Geschenke unterm Weihnachtsbaum einzusammeln. Ich lernte, dass ein gewisser Jesus an Weihnachten geboren und am Karfreitag durch übelste Folter ermordet worden war. Ein mieser, hinterhältiger Komplott! Grausam und ungerecht! Dieser Mann hatte nichts anderes getan als von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Das ergriff mich, und obgleich ich es damals sicher noch nicht mit diesen Begriffen formulieren konnte, war mir doch klar: es handelte sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung!
Viel später begriff ich, dass Christen in Jesus freilich weit mehr sehen als nur einen Märtyrer oder einen gescheiterten Revolutionär für die Menschlichkeit. Sie sehen Jesus gar als Sohn und Ebenbild Gottes. Dem kann und muss ich mich als Atheist nicht anschließen. Ich muss auch nicht daran glauben, dass dieser Mensch namens Jesus, nach seinem Foltertod in den Himmel auferstanden ist. So vielen anderen, die ebenfalls für ihren Glauben oder ihre Überzeugung sterben mussten, würde ich eine Wiederauferstehung wünschen! Verwandte, Freunde und Bekannte mussten ihren Glauben oder ihre Überzeugung mit dem Leben bezahlen. Ich glaube nicht, dass sie nun alle an Gottes Seite sitzen, zumal es dort langsam ziemlich eng werden müsste. Sie wurden nicht umgebracht von Pontius Pilatus, sondern von Hitler und Goebbels, von Suharto und Sarwo Edhie sowie mutmaßlich von Prabowo, Wiranto und Hendropriyono.
Ich muss den Glauben an die Auferstehung nicht teilen. Wer sollte mich dazu zwingen können? Und warum sollte umgekehrt ich mich daran stören, dass andere Leute daran glauben? Es schadet schließlich weder mir, noch sonst jemandem auf dieser Welt. Aber das alleine genügt nicht. Als Mitmenschen haben Gläubige, egal welcher Religion, ein Recht auf Respekt vor ihnen und ihrem Glauben. Dieses Gebot zum Respekt voreinander drückt sich nicht zuletzt in dem Menschenrecht auf Glaubens- und Gesinnungsfreiheit aus. Wir alle sind dazu verpflichtet, uns daran zu orientieren und staatliche Institutionen sind verpflichtet, darüber zu wachen – jedenfalls in der Mehrzahl der Staaten, die das Menschenrecht auf Glaubens- und Gesinnungsfreiheit anerkannt hat. Dazu gehört auch Indonesien.
Der Countdown des indonesischen Osterkalenders
Doch was passiert in Indonesien nur eine Woche vor Ostern? Am Donnerstag, den 21. März, wurde eine protestantische Kirche der Batak-Christen (HKBP) in Bekasi, einem Vorort der Hauptstadt Jakarta, abgerissen. Die Kirche war seit längerem von den Behörden gesperrt, da es Meinungsverschiedenheiten über die Gültigkeit der Baugenehmigung gegeben hatte. Die Behörden verfügten ungeachtet des ungelösten Streits über keine Rechtsgrundlage, um die Kirche einfach abreißen zu lassen.
Am Freitag, den 22. März, griffen »unbekannte Täter« eine Kirche der Adventisten in Tasikmalaya, Westjava, an. Die Kirche verfügte über eine offizielle Genehmigung. Dennoch hatten mehr als 50 islamische Prediger öffentlich ihr Unverständnis darüber erklärt, warum es in einer vorwiegend muslimischen Umgebung eine Kirche geben solle. Das Gebäude existiert seit vielen Jahren und wurde erst kürzlich renoviert.
Am Samstag, den 23. März, traf es dann eine katholische Kirche in Tambora, Westjakarta. Ein paar Dutzend fanatische Islamisten griffen die Kirche an und hinderten Gottesdienstbesucher am Verlassen des Gebäudes. 20 Polizisten schauten untätig zu. Die »Verteidiger des Islam« (Front Pembela Muslim, FPI), eine islamistische Hardlinergruppe, bedrohte die Kirche seit längerem, da sie angeblich nicht über die notwendigen Papiere verfügt. Die behördliche Genehmigung wird seit 1987 verschleppt.
Wieder in Bekasi und wieder wegen angeblicher Umgehung des Baurechts, sperrten die Behörden am Mittwoch, den 27. März, den Zugang zu einer Kirche in Jatibening Baru, die seit 1994 genutzt wurde. Am Sonntag zuvor hatten 300 Muslime gegen den Gottesdienst in dieser Kirche demonstriert.
Wurde der Osterkalender, den ich dieses Jahr in meinem Berliner Supermarkt vermisste, in Indonesien neu erfunden? Jeden Tag vor Ostern eine Kirche schließen, angreifen oder zerstören, statt jeden Tag ein Türchen zu öffnen?
Korruption und die Provokation eines Glaubenskonfliktes
Die Erteilung behördlicher Genehmigungen in Indonesien ist mitunter langwierig und kompliziert. Sie scheitert häufig an der Unorganisiertheit der Behörden oder mangelndem Entscheidungswillen. Selbigem muss mitunter durch Schmiergeldzahlungen in erheblicher Höhe Nachdruck verschafft werden. Dazu sind manche Antragsteller nicht willens. Weitaus häufiger sind sie jedoch schlicht nicht in der Lage, die erbetene Summe aufzubringen.
Viele Gebäude werden daher ohne ausreichende Baugenehmigung erstellt und genutzt. Auch einige Kirchengebäude dürften dabei keine Ausnahme machen. Da sich Behörden unter Leitung von islamistischen Vorgesetzten mit der Genehmigung von Kirchenbauten schwer tun und/oder deutlich höhere Schmiergeldzahlungen erwarten, ist durchaus denkbar, dass die Zahl »illegal« genutzter Kirchen im Vergleich zu anderen Gebäuden ohne ausreichende Baugenehmigung tatsächlich überdurchschnittlich hoch ist.
Der »indonesische Osterkalender« führt uns jedoch vor Augen, dass es hier längst nicht mehr um die Frage von Baugenehmigungen geht. Das Timing spricht für sich. Der Abriss einer Kirche eine Woche vor Ostern ist eine mindestens fahrlässige, wenn nicht absichtliche Demütigung von Christen. Die ungewöhnliche Häufung vergleichbarer Fälle in der vergangenen Woche gibt Anlass, eher auf Absicht denn auf Fahrlässigkeit zu schließen. Es gibt nicht den geringsten Grund, warum mit solchen Maßnahmen – wenn sie denn tatsächlich geboten sein sollten – nicht bis nach Ostern gewartet werden konnte. Dass dies nicht geschah, zeugt von einer Respektlosigkeit vor gläubigen Menschen, wie sie größer nicht sein könnte.
Man stelle sich vor, wenige Tage vor hohen islamischen Feiertagen wie Idul Fitri oder Idul Adha würden mehrere illegal errichtete Moscheen – auch die gibt es freilich – angegriffen werden. Nein, man stelle es sich besser nicht vor! Denn ein solches Ereignis wäre bestens geeignet, einen Glaubenskrieg auszulösen, dem viele Tausend Menschen zum Opfer fallen würden.
Verantwortlich für die jüngsten Provokationen waren lokale Behörden. Das anhaltende Schweigen der Zentralregierung macht jedoch deutlich, dass zuständige Minister und selbst der Präsident deren Respektlosigkeit vor dem Glauben teilen. Mehrere der in Schwierigkeiten geratenen Kirchen planen ihren Ostergottesdienst am Sonntag unter freiem Himmel vor dem Präsidentenpalast in Jakarta abzuhalten. Sie möchten dem Präsidenten bei dieser Gelegenheit als Symbol für die Religionsfreiheit ein Osterei schenken. Doch der Präsident wird das Geschenk nicht persönlich entgegennehmen können. Er wird am Sonntag an einem Kongress seiner durch zahlreiche Korruptionsskandale schwer angeschlagenen Partai Demokrat (PD) auf Bali teilnehmen. Die PD ist eine säkulare Partei, der auch viele Christen angehören. Es scheint mir undenkbar, dass ein solcher Parteikongress an Idul Fitri stattfinden könnte.
Was alles muss eigentlich noch passieren, damit auch der und die letzte erkennt, dass Indonesien das exakte Gegenteil eines Vorbildes in Sachen Glaubensfreiheit ist?
Ihnen, liebe LeserInnen und Lesern, wünsche ich Frohe Ostern! Egal, ob sie in die Kirche gehen, im Schnee nach Osternestern suchen oder einfach mal wieder ausschlafen wollen.