Information und Analyse

Indonesiens Wirtschaft – anhaltender Boom oder neue Asienkrise?

Information und Analyse, 24. August 2013

 von Alex Flor

rupiahWas läuft da falsch, wenn zwei große deutsche Zeitungen, die beide dem konservativ-wirtschaftsfreundlichen Spektrum zuzuordnen sind, an ein und demselben Tag ein völlig unterschiedliches Bild der indonesischen Wirtschaft zeichnen?

„Die Welt“ hält daran fest, Indonesien aufgrund seines Wirtschaftswachstums in höchsten Tönen zu loben. Es gebe einen „starken Trend nach oben“, getragen von einer wachsenden kauffreudigen Mittelschicht.

Die FAZ zeichnet während dessen unter dem Eindruck der jüngsten Börsenkurse ein völlig anderes Bild: Asiatische Werte – damit gemeint sind hier Währungen, Aktien, Anleihen usw. – befinden sich wegen hausgemachter Probleme auf Abwertungstrend. Der Wert der indonesischen Rupiah fiel auf einen seit vier Jahren nicht mehr erreichten Tiefpunkt. An der Börse werden hohe Verluste geschrieben. Die Inflation steigt. Verschiedene andere Medien warnten bereits vor einer Neuauflage der Asienkrise Ende der 90er Jahre.

„Die Welt“ weicht solchen Themen nicht völlig aus. Sie benennt Korruption, ineffektive Verwaltung und eine an vielen Stellen marode Infrastruktur als Wachstumsbremsen. Längst sind diese drei Faktoren auch im Mainstream der deutschen Wirtschaftsblätter angekommen. Die Klagen nahezu aller internationaler Unternehmen können nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden.

It’s the economy, stupid

Ein Ausspruch des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton wurde längst zum geflügelten Wort: „It’s the economy, stupid“. Einmal mehr erlebt dieser Spruch neue Aktualität. Denn bei allen Widersprüchlichkeiten sind weder „Die Welt“, noch die FAZ in der Lage, eine umfassende Analyse und Bewertung der indonesischen Wirtschaft abzugeben. „Die Welt“ hält an längerfristigen makroökonomischen Indikatoren fest, während die FAZ nur die Entwicklung der letzten paar Tage berücksichtigt. Das eine ist so falsch wie das andere.

Kurzfristige Wertverluste, wie sie diese Woche an den asiatischen Märkten zu verbuchen waren, sind alles andere als geeignet, um als Wegmarken für die wirtschaftliche Zukunft dieser Region zu dienen, zumal hier kaum Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern getroffen werden. Die allzu einfache Logik der Märkte ist die: sinkt der Börsenindex in Tokio, werden alle asiatischen Währungen mitgerissen.

Panikbedingte Kettenreaktionen können – aber müssen nicht – die Folge sein. Die Nervenstärke oder -schwäche der Börsianer korrelliert nur sehr bedingt mit tatsächlichen strukturellen Stärken und Schwächen einzelner Volkswirtschaften. Wenn aber gleich ganze Kontinente mit so unterschiedlichen Volkswirtschaften wie Japan, China, Thailand, Indien und Indonesien unter Abwertungsdruck geraten, so ist das nur ein weiterer Beweis dafür, wie weit sich das Geschehen an den Börsen mittlerweile von den ursprünglich zugrundeliegenden realwirtschaftlichen Faktoren entfernt hat. „It’s the economy, stupid.“

Potenziellen Investoren und kritischen Geistern sei daher gleichermaßen empfohlen, sowohl Nachrichten über die kurzfristigen Entwicklungen an den asiatischen Börsen, wie auch den Beitrag der FAZ einfach in den Papierkorb ihres Desktops zu verschieben. Was wird die FAZ wohl schreiben, wenn es Spekulanten schaffen sollten, schon nächste Woche den Trend wieder umzukehren?

Genauso falsch ist aber auch das Festhalten der „Welt“ an Indikatoren, welche die längerfristige Entwicklung scheinbar besser abbilden können. Richtigerweise wird der Binnenkonsum als ein wesentlicher Motor der indonesischen Wirtschaft identifiziert. Aber auf welcher monetären Basis findet dieser Binnenkonsum eigentlich statt? Worauf ist die gestiegene Kaufkraft der konsumfreudigen neuen Mittelklasse begründet? Irgendwo muss dieses Geld ja verdient werden. Aber wo? Wo kommt das Geld her, das in den Konsumtempeln der indonesischen Großstädte tagtäglich ausgegeben wird? Auf wessen Kosten wird das schicke Smartphone oder der neue BMW bezahlt?

Baron von Münchhausen: Indonesien ist kein Billiglohnland

Die Gesundung einer Volkswirtschaft durch Steigerung des Binnenkonsums erinnert ein wenig an die Erzählungen des Lügenbarons von Münchhausen, dem es angeblich gelang, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.

Um ein Auto kaufen zu können, muss man sein Geld durch ehrliche Arbeit verdienen. Oder man profitiert direkt oder indirekt von der Ausbeutung natürlicher und/oder menschlicher Ressourcen.

Mehr als eine Million neuer Autos werden in Indonesien jährlich zugelassen. Während dessen beklagen Unternehmer die starken Lohnsteigerungen um bis zu 30 Prozent. Sage und schreibe 3.000 Euro pro Jahr beträgt nun schon der Mindestlohn in industriellen Zentren wie Jakarta. „Indonesien ist kein Billiglohnland“, sagt Jan Rönnfeld, wie wir in „Der Welt“ lesen.

3.000 Euro pro Jahr? Das macht 250 Euro pro Monat. Nicht gerade viel, wenn man die gerade beschriebenen Konsummuster als Maßstab nimmt. Völlig unmöglich, dass sich FabrikarbeiterInnen von ihrem Verdienst jemals ein eigenes Auto leisten können.

Jan Rönnfeld ist Leiter der deutschen Auslandshandelskammer in Jakarta. Es wäre unethisch nach seinem Monatsgehalt zu fragen. Man darf aber getrost davon ausgehen, dass dieses deutlich mehr als 250 € beträgt. Rönnfelds Bemerkung, Indonesien sei kein Billiglohnland, mag daher auf den ersten Blick zynisch erscheinen. Dennoch hat er leider nicht ganz Unrecht. Denn tatsächlich sind in Indonesien die Lohnstückkosten – das sind die Kosten, die ein Unternehmen zur Produktion eines bestimmten Artikels aufwenden muss – im internationalen Vergleich durchaus hoch.

Die von Gewerkschaften erkämpften jüngsten Lohnsteigerungen dafür verantwortlich zu machen, wäre in der Tat zynisch. Eine Lohnsteigerung auf 250 € im Monat ist alles andere als Wucher. Wenn diese bescheidene Bezahlung dennoch zu einem gewichtigen Kostenfaktor für Unternehmen wird, dann gilt es zuallererst den Blick auf andere Kostenfaktoren zu lenken.

Korruption und unzureichende Infrastruktur wurden bereits erwähnt. Ein mangelndes industrielles Umfeld bedingt hohe Kosten für die Beschaffung von Vorprodukten, Verbrauchsmaterialien, Ersatzteilen und dergleichen mehr, die mitunter zeit- und kostenintensiv aus dem Ausland beschafft werden müssen. Die indonesische Politik setzt eher auf schnell zu realisierende Profite als auf den Aufbau einer diversifizierten Industrie. Warum sollte man Anreize für Zulieferbetriebe, Service und Logistik schaffen, solange sich mit dem Export von Kohle und Palmöl ohne großen Aufwand schnelles Geld machen lässt?

In die richtige Richtung gedachte unbeholfene Schritte stoßen in internationalen Wirtschaftskreisen auf wenig Gegenliebe. Der jüngste Vorstoß, den Export von Rohmineralien zu verbieten, um die erste Verarbeitungsstufe in Indonesien anzusiedeln, könnte geeignet sein, einen Teil des aus dem Rohstoff zu generierenden Mehrwerts ins eigene Land zu verlagern. Das wäre ökonomisch vernünftig. Es könnte auch ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines breiter angelegten, diversifizierten industriellen Umfeldes sein, von dessen Existenz letztlich auch die in Indonesien tätigen ausländischen Unternehmen profitieren würden. Genau diese sehen das jedoch anders: sie empfinden solche Regeln als einen Verstoß gegen ihre Interessen. Sie möchten nicht reglementiert werden. Eher scheint man bereit, sich mit bestimmten Unzulänglichkeiten zu arrangieren, als dass man sich irgendeine Beschränkung der unternehmerischen Freiheit vorschreiben lässt.

Job Generator oder Milchkuh?

Es wäre zu leicht, den Unmut dieser internationalen Unternehmen alleine mit deren Inflexibilität und Profitsucht begründen zu wollen. Die langjährige Erfahrung gibt diesen Unternehmen begründeten Anlass zum Misstrauen. Kaum ein westlicher Unternehmensvertreter wird den Worten indonesischer Politiker oder hoher Beamter Glauben schenken, wenn diese die Entwicklung und das Wohl des Volkes als Motiv ihres Handelns ins Felde führen. Man kennt sich mittlerweile viel zu gut. Allzuoft wurde deutlich, dass indonesische Politiker und Beamte nur den persönlichen Vorteil im Auge hatten.

In der Hoffnung auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Aussicht auf höhere Steuereinnahmen unterbreiten Regierungen und Verwaltungen großzügige Angebote für die Ansiedlung neuer Betriebe: offene oder versteckte Subventionen, Steuererleichterungen (tax holidays), bevorzugte Erteilung von Visa und Arbeitsgenehmigungen für AusländerInnen und vieles mehr. Nur in Indonesien sieht man die Dinge ein wenig anders. Da ist zunächst das weit verbreitete Misstrauen gegenüber „neokolonialen“ ausländischen Interessen. Mitunter sicher nicht ganz unberechtigt. Aber spätestens, wenn heutigen globalen Entwicklungen mit Argumenten aus der Zeit des Befreiungskampfes vor 70 Jahren begegnet wird, fragt man sich, ob auch in Indonesien bemerkt wurde, dass sich die Welt seither weiter gedreht hat. Denn nicht alles, was vielleicht vor 70 Jahren richtig war, trifft auch die Probleme von heute zielgenau auf den Kopf.

Eine Mischung aus dieser „anti-imperialistischen“ Grundhaltung, verbunden mit der – freilich richtigen – Annahme, dass ein Unternehmen nur ansiedeln will, weil es sich davon einen finanziellen Erfolg verspricht, resultiert auf Seiten der indonesischen Behörden häufig in dem unbedingten Verlangen, an diesem – noch längst nicht realisierten – kommerziellen Erfolg gebührend beteiligt zu werden.

Es wird nicht mit Fördermaßnahmen um die Ansiedlung eines Betriebes geworben. Statt dessen wird dieser Betrieb als eine potenzielle Milchkuh angesehen, die es nun gilt nach allen Regeln der Kunst zu melken. Das Spektrum der Melkmaschinen ist weit: Landnutzung, Baugenehmigung, Betriebserlaubnis, Visa, Arbeitsgenehmigungen, lokale Steuern … der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Alle möchten daran teilhaben, wenn jemand Geld verdient. Und schon manche Kuh wurde auf diese Weise zu Tode gemolken.

Wirtschaftsindikatoren und falsche Fährten

Wirtschaftliche Kenngrößen sind zweifelsohne wichtige Instrumente für Investoren und politische Entscheidungsträger. Ohne spezifische Länderanalyse bleiben viele Indikatoren jedoch wertlos oder sogar irreführend. Im Vergleich zu Deutschland erscheinen Festgeldzinsen (indonesisch: deposito) traumhaft hoch. Doch solche Zahlen alleine sagen nichts aus. Gemessen an der Inflationsrate erleiden Anleger in Indonesien Realeinkommensverluste.

Viele vermögende indonesische Staatsbürger vertrauen lieber auf direkte Investitionen oder auf Anlagen in ausländischen Währungen als auf Festgeldkonten oder ähnliche Anlageformen im eigenen Land. Es mag absurd klingen, aber vielleicht werden sich spanische und portugiesische Staatsanleihen mittelfristig im Vergleich zu dem hoch gelobten „emerging market“ Indonesien als die bessere Anlage erweisen.
 


 

Die Welt, 20. August 2013

http://www.welt.de/wirtschaft/article119186989/Der-Boom-in-Indonesien-befluegelt-deutsche-Firmen.html

Der Boom in Indonesien beflügelt deutsche Firmen

Deutsche Firmen wie Siemens sind euphorisiert von den Wachstumsaussichten in Indonesien. Wenn es da bloß nicht die Probleme bei Infrastruktur, Rechtssystem und Korruption gäbe.

Von Nina Trentmann

 Mit hohem Tempo rauscht das Taxi auf dem Airport-Highway an den anderen Autos vorbei. Im Radio singen die Backstreet Boys, noch immer ein Hit in Indonesien. Die Klimaanlage kämpft erfolglos gegen die Hitze, es sind knapp 30 Grad – um elf Uhr abends.

Schon bald säumen nicht mehr Palmen, sondern riesige Werbetafeln die mehrspurige Straße Richtung Jakarta. Auf ihnen wirbt Samsung für Smartphones, die Zürich-Gruppe für Versicherungen und Midea für Wasserkocher aus China. „Lady Americana“ verspricht amerikanischen Matratzenkomfort und tiefen Schlaf, dazu gibt es Kokosmilch, Kameras von Canon und flauschig-weiche Babywindeln.

All diese Produkte waren noch vor wenigen Jahren der indonesischen Oberschicht vorbehalten. Doch dank des steten Wachstums gewinnt nun auch die Mittelschicht an Kaufkraft. In diesem Jahr soll Indonesiens Wirtschaft um 6,2 Prozent zulegen, 2014 sogar um 6,5 Prozent.

Ramesh Divyanathan freut das sehr. Er ist Chef von BMW Indonesia und baut derzeit sein Händlernetz aus. Noch sind die Verkaufszahlen kaum der Rede wert: 2010 verkaufte BMW gerade mal 1200 Fahrzeuge in Indonesien, 2013 waren es bisher etwa 2500. Was Divyanathans Augen zum Leuchten bringt, sind die Zahlen für den gesamten Markt: 1,1 Millionen Autos wurden bisher in diesem Jahr in Indonesien neu zugelassen.

„Das ist ein klares Zeichen für die Entwicklung der Wirtschaft. Es geht nach vorne – das stimmt uns sehr optimistisch“, sagt Divyanathan. In Singapur, wo der Manager zuvor arbeitete, boomt der Markt für Luxus-Autos ebenso wie in China. In der Volksrepublik verkaufte BMW 2012 mehr als 320.000 Fahrzeuge. Von solchen Zahlen ist der deutsche Autobauer in Indonesien noch weit entfernt.

Dennoch: „Wir sehen einen starken Trend nach oben.“ Doch ganz einfach ist das Geschäft in Indonesien nicht: Die grassierende Korruption, eine ineffektive Verwaltung und die an vielen Stellen marode Infrastruktur bremsen das Wachstum. Starke Lohnsteigerungen um bis zu 30 Prozent verteuerten zuletzt die Produktion.

Kleinwagen gefragt

Dennoch erwartet Divyanathan für die kommenden Jahre zweistellige Wachstumszahlen; kleine Geländewagen und Limousinen sollen das Geschäft ankurbeln. Besonders beliebt seien derzeit die Autos der Kleinwagentochter Mini. Jeden Tag verkauft Ramesh Divyanathan mindestens eines, Tendenz steigend.

Ein Grund dafür ist das starke Markenbewusstsein der indonesischen Mittel- und Oberschicht – einer McKinsey-Studie zufolge das am stärksten ausgeprägte in der Region. Das seien gute Voraussetzungen für seine Firma, sagt Divyanathan. „Die Menschen sind sehr offen und neugierig, wenn sie konsumieren.

Die junge Generation hat eine starke Bindung zu internationalen Marken, reist viel und nutzt Smartphones.“ Indonesien ist ein junges Land, über die Hälfte der 245 Millionen Indonesier ist jünger als 29 Jahre alt.

Das klingt vielversprechend, nicht nur für BMW. Das Reich der 17.000 Inseln, das früher vor allem wegen seiner Rohstoffe bekannt war – Indonesien exportiert unter anderem Kohle, Kaffee und Kakao – wird zunehmend auch als Absatzmarkt für westliche Konzerne interessant. Bis 2030 soll die indonesische Mittelschicht von heute 40 auf 140 Millionen Menschen anwachsen, bis 2060, so schätzt die OECD, wird das Land die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt sein.

Im Großraum der Hauptstadt Jakarta leben rund 25 Millionen Menschen. Das zieht internationale Unternehmen an, die den Indonesiern mehr und mehr Smartphones, Kühlschränke, Maschinen und Autos verkaufen.

Lokale Investitionen nehmen zu

Anders als in China fußt ein großer Teil des indonesischen Bruttoinlandsproduktes (BIP) – 2012 waren es laut Weltbank rund 878 Milliarden US-Dollar – auf Binnenkonsum, um 20 bis 30 Prozent wachsen die ausländischen Direktinvestitionen derzeit pro Jahr, auch lokale Investitionen nehmen zu. „Die Unternehmen, die hier sind, verdienen alle gutes Geld.

Nicht umsonst kommen immer mehr Firmen nach Indonesien“, sagt Jan Rönnfeld, Leiter der Auslandshandelskammer in Jakarta. Auch deutsche Unternehmen drängen nach Indonesien, mehr als 350 sind bereits im Land, darunter Schwergewichte wie Siemens, Bayer und Bosch.

Wie BMW verzeichnet auch DHL, die Expresstochter der Deutschen Post, in Indonesien zweistellige Wachstumsraten. Über 9500 Firmen im Land versenden ihre Waren bereits mit DHL. Schätzungen der Regierung in Jakarta zufolge werden 27 Prozent des BIP in diesem Jahr in Logistik investiert.

„Das Wachstum der Mittelschicht wird die Nachfrage nach Expressdiensten verstärken, ganz klar“, sagt Jerry Hsu, Asein-Pazifik-Chef von DHL. Sein Unternehmen profitiere außerdem stark von der deutschen Herkunft: „Unsere Kunden sind sich sehr bewusst, dass DHL eine deutsche Marke ist und stellen deshalb besonders hohe Anforderungen.“

Hohe Erwartungen bei Siemens

Ähnlich ist es bei Siemens – die Erwartungen an die Technik aus Deutschland seien hoch, sagen die Manager des Konzerns. Vier Fabriken und vier Tochterfirmen haben die Münchner in Indonesien, mehr als 1800 Menschen arbeiten hier für das Unternehmen. 2012 setzte Siemens im Land rund 250 Millionen Euro um, Schwerpunkte sind Elektrizität und Eisenbahnen: „Indonesien hat eine vergleichsweise geringe Elektrifizierung“, sagt Josef Winter, Siemens-Chef in Indonesien.

Für den Konzern also ein riesiges Wachstumsfeld. „Das Land braucht Energie.“ Er lobt die Bemühungen der Regierung von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Trotzdem sagt er: „Es gibt noch immer viele Herausforderungen in Indonesien.“

Eine davon ist der Verkehr. Nur selten läuft er so flüssig wie nachts auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt, kilometerlange Staus sind vor allem zu Stoßzeiten am Morgen und am Abend die Regel. Nur stockend geht es am späten Nachmittag voran, unter dem Highway auf Stelzen im Osten der Stadt stehen dann Busse, Mopeds und Tuk-Tuks eng aneinander gedrängt, es geht weder vor noch zurück.

„Der Verkehr hat deutlich zugenommen“, klagt Handelskammer-Chef Rönnfeld. Jedes Jahr werden acht bis zehn Millionen Mofas neu zugelassen, kommen über eine Million neue Autos hinzu – doch das Straßennetz wächst nur um 0,001 Prozent.

Anders als in vielen Städten Chinas darf sich in Indonesien jeder ein Auto kaufen, das Land kennt keine Zulassungsbeschränkungen. „Da muss man kein Mathematiker sein, um zu sehen, dass es da ein Missverhältnis gibt“, sagt Rönnfeld. Wegen der Asienkrise, die Indonesien ab 1997 erwischte, sei der Ausbau der Infrastruktur über zehn Jahre lang vernachlässigt worden.

Peter Berberich muss daher immer viel Zeit einplanen, wenn er in die Stadt will. Der Deutsche leitet das indonesische Werk des Technologiekonzerns Schott, der dort Ampullen, Fläschchen und Pipetten für den stark wachsenden Pharmamarkt in Asien herstellt. Das Verpackungswerk befindet sich außerhalb der Hauptstadt.

„Manchmal sitze ich vier oder fünf Stunden im Auto, um zur Fabrik zu fahren“, sagt Berberich. „Die Verkehrswege sind ein einziges Chaos.“ Das erschwert ihm auch die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern: „Die Leute aus Jakarta nehmen den Weg und die Staus nicht in Kauf.“ Zudem sind die Löhne zu Beginn des Jahres drastisch gestiegen.

3000 Euro Mindestlohn im Jahr

Und: „Die Gewerkschaften achten sehr stark darauf, dass die Mindestlöhne steigen.“ Derzeit liegt der Mindestlohn bei rund 2,75 Millionen Rupiah, etwa 3000 Euro im Jahr. „Indonesien ist kein Billiglohnland“, sagt auch Rönnfeld.

Und es ist auch rechtlich kein einfaches Land. Deutsche Firmen leiden unter der grassierenden Korruption. Gerade für Großunternehmen wie Siemens, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen müssen, ist dies ein Problem. „Es ist kein Wunder, dass in den vergangenen 15 Jahren kein Großprojekt an europäische Anbieter gegangen ist“, sagt Rönnfeld. Die Zeitungen berichteten zwar täglich über Korruption, es ändere sich aber zu wenig.

Dennoch sieht der Deutsche in Indonesien mehr Chancen als Risiken – auch wegen des stabilen Bevölkerungswachstums. Bis 2050 soll es rund 300 Millionen Indonesier geben. „Das macht das Land interessant.“

 


 

FAZ, 20. August .2013

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/devisen-rohstoffe/hoher-abwertungsdruck-waehrungskrise-in-suedasien-weitet-sich-aus-12540097.html

Hoher Abwertungsdruck Währungskrise in Südasien weitet sich aus

Nicht nur in Indien, auch in Indonesien, Malaysia und Thailand stehen die Kurse der Landeswährungen unter Druck. Verantwortlich sind vielfach hausgemachte Probleme.

Von Gerald Braunberger

Der Abwertungsdruck auf die Währungen mehrerer südasiatischer Länder lässt nicht nach. Es ist nicht nur die Erwartung einer Straffung der amerikanischen Geldpolitik und der damit verbundene Anstieg der Anleiherenditen, der Verluste südasiatischer Währungen gegenüber dem Dollar begünstigt. Gleichzeitig nehmen auch die Zweifel an der wirtschaftlichen Dynamik besonders in jenen Ländern zu, die unter einer Kombination aus schwachem Wirtschaftswachstum, hohen Inflationsraten und erheblichen Defiziten in der Leistungsbilanz leiden. Daher verkaufen Kapitalanleger aus den Industrienationen derzeit Wertpapiere und Währungen aus vielen Schwellenländern, darunter auch aus Südasien.

In Indien erreichte am Dienstag der Wechselkurs mit 64,12 Rupien je Dollar den tiefsten Stand seiner Geschichte, ehe Gerüchte über Stützungskäufe der Zentralbank in Mumbai für eine leichte Kurserholung sorgten. In den vergangenen drei Monaten haben ausländische Anleger indische Aktien und Anleihen über 12 Milliarden Dollar abgestoßen. Obgleich die Regierung in Delhi nach eigenen Angaben den Kapitalabfluss ins Ausland stoppen und im Gegenzug Kapitalzuflüsse aus dem Ausland anregen möchte, bleibt die Stimmung am Markt gegen die Rupie eingestellt. So erwarten die Analysten der schweizerischen Großbank UBS eine weitere Abwertung auf 70 Rupien je Dollar.

Auch der Ringgit und der Baht stehen unter Druck

In Djakarta fiel der Kurs der indonesischen Rupiah am Dienstag auf ihren tiefsten Stand seit vier Jahren. Auch am Aktienmarkt fielen die Kurse; über die vergangenen vier Handelstage summieren sich die Verluste auf rund 11 Prozent. Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg haben ausländische Anleger in den vergangenen zwei Tagen indonesische Aktien im Wert von 255 Millionen Dollar verkauft. Händler sprachen von Sorgen über weitere Erhöhungen der Leitzinsen angesichts der hohen Inflationsrate und des Defizits in der Leistungsbilanz. Die Inflationsrate beträgt 8,6 Prozent. Der Preis für Kreditausfallderivate (CDS) auf fünfjährige Staatsanleihen stieg auf 283 Basispunkte. Damit sind indonesische Staatsanleihen-CDS teurer als ihre Pendants aus Italien und Spanien.

Unter Abwertungsdruck stehen auch der malaysische Ringgit und der thailändische Baht. Die Wirtschaft Thailands ist erstmals seit dem Jahr 2009 und für viele Beobachter unerwartet in eine Rezession eingetreten, für die unter anderem ein schwacher Export verantwortlich zeichnet. Gegenüber dem Dollar fiel der Kurs des Baht am Dienstag auf ein Jahrestief.

„Widerstand ist zwecklos“

Die Schwäche der Währungen in vielen Schwellenländern – neben Südasien gehören auch Länder wie Südafrika und Brasilien dazu – treffen viele Anleger in den Industrienationen unerwartet. Während Aktien aus Schwellenländern immer als riskant angesehen wurden, priesen viele Banken und Fondsgesellschaften Anleihen aus diesen Ländern nicht nur als attraktiv verzinste, sondern auch als sichere Alternative zu den niedrigverzinslichen Anleihen aus Nordamerika und Europa. Dementsprechend tun sich viele Anlageberater mit der aktuellen Situation schwer. Die Einschätzungen schwanken zwischen einem trotzigen Festhalten an den Schwellenländern als attraktivem Anlageziel und der Empfehlung, Bestände zu reduzieren und erst nach einer Beruhigung der Finanzmärkte wieder in diese Regionen zurückzukehren. So will die Hamburger Fondsgesellschaft Hansainvest von einer generellen Verdammung der Anleihen aus Schwellenländern nichts wissen. Allerdings sieht sie die Ertragschancen zunächst weitgehend auf den Anleihekupon begrenzt; mit Währungs- oder Kursgewinnen rechnet sie eher nicht. Aus Vorsichtsgründen rät sie zu einer Bevorzugung kurzer Laufzeiten. „Widerstand ist zwecklos“ überschreibt die amerikanische Investmentbank Morgan Stanley eine Analyse der Schwellenländerwährungen mit einem Zitat aus der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“. Unter Druck blieben Währungen aus Ländern mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. So erwartet Morgan Stanley eine weitere Abwertung der indonesischen Rupiah.


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