Gusmão doch Sieger im Machtkampf?
Neues Deutschland, 24./25. Juni 2006
Osttimor: Alkatiri vor dem Rücktritt
Von Carsten Hübner
Osttimors Staatschef Xanana Gusmão scheint den Machtkampf mit Regierungschef Mari Alkatiri nun doch für sich zu entscheiden. „Wir haben diesen Krieg gewonnen“, erklärte er am Freitag vor Tausenden Anhängern in der Hauptstadt Dili. Zuvor hatte die portugiesische Nachrichtenagentur Lusa unter Berufung auf diplomatische Kreise berichtet, Alkatiri sei nun doch bereit, auf der Sitzung des Zentralkomitees der Regierungspartei Fretilin am heutigen Samstag von seinem Posten zurückzutreten. Er solle durch ein führendes Mitglied seiner Partei ersetzt werden, so ein Diplomat. Das ausländische diplomatische Korps war von Außen- und Verteidigungsminister José Ramos-Horta über die neue Situation unterrichtet worden.
Ramos-Horta ist ein enger Weggefährte Gusmãos und gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge Alkatiris. Im Gespräch ist eine Übergangsregierung, die bis zu den Parlamentwahlen im nächsten Jahr im Amt bleiben soll.
Monika Schlicher von der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia! begrüßte die unerwartete Entwicklung. „Ein Rücktritt Alkatiris würde den Weg für eine politische Lösung des Konflikts freimachen“, so Schlicher gegenüber ND. Allerdings müsse man die nächsten Tage abwarten. Schon häufiger sei es auf Osttimor anders gekommen als allgemein angenommen.
Noch am Donnerstag hatte sich Alkatiri vehement geweigert, sein Amt zur Verfügung zu stellen, obwohl Gusmão für diesen Fall selbst mit Rücktritt drohte. Letzte Zweifel bleiben auch jetzt. Mitglieder des Zentralkomitees der Fretilin erklärten gegenüber Lusa, der Rücktritt Alkatiris sei lediglich eines von mehreren Szenarien. Denkbar seien auch der Rücktritt der ganzen Regierung oder eine Kabinettsumbildung.
Für den Fall, dass Alkatiri im Amt bleibt, befürchten Bebachter eine weitere Eskalation der Gewalt. Seit Beginn der Unruhen in dem ärmsten Land Südostasiens Ende April diesen Jahren sind mindestens 30 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden. Die Zahl der Flüchtlinge wird mittlerweile auf rund 145.000 geschätzt. <>