Jakarta löst Hoffnung und Misstrauen in Osttimor-Frage aus

epd, 28. Januar 1999

Opposition bezweifelt Ernsthaftigkeit des Angebots zur Unabhängigkeit

von Elvira Treffinger

epdFrankfurt a.M. (epd). Die Nachricht löste Überraschung, Hoffnung und Misstrauen aus. Die indonesische Regierung hat am Mittwoch zum ersten Mal seit der Annexion Osttimors vor 23 Jahren angedeutet, dass eine Unabhängigkeit der Provinz denkbar wäre, falls die Bevölkerungsmehrheit eine Teil-Autonomie ablehne. Doch Oppositionspolitiker und Menschenrechtler melden sofort Zweifel an dem Angebot an. Denn eine Volksabstimmung über die Zukunft Osttimors lehnte der indonesische Außenminister Ali Alatas entschieden ab.

Der Sprecher des osttimoresischen „Widerstandsrats“, Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta, glaubt nicht an die Aufrichtigkeit des Angebots. Er vermutet einen „Werbetrick“ der Regierung von Präsident Bacharuddin Jusuf Habibie, um den internationalen Druck zu mindern. Wie wolle Indonesien herausfinden, dass die Mehrheit der Osttimoresen keine Teil-Autonomie, sondern die Unabhängigkeit wollten, wenn nicht durch ein Referendum, fragt er.

Seine „absolute Skepsis“ gründet Ramos-Horta auch auf die derzeitige Situation in der früheren portugiesischen Kolonie Osttimor. „Indonesien schürt eine neue Welle der Gewalt, indem es extremistische Gruppen bewaffnet“, erklärte er der portugiesischen Tageszeitung „Publico“. Von der Armee trainierte fanatische Muslime gingen gegen wehrlose Zivilisten vor. Im Dezember hatte das indonesische Militär angekündigt, wieder paramilitärische Milizen in Osttimor einzusetzen.

Auch der Leiter des Osttimor-Büros der Nationalen Menschenrechtskommission Indonesiens, Segundo Florentino Sarmento, wirft der Armee vor, Unruhen anzuzetteln, um ihre weitere Präsenz in Osttimor zu rechtfertigen. Seit Juli seien in Zusammenstößen zwischen Gegnern und Befürwortern der Unabhängigkeit 50 Menschen getötet worden. Mehr als 2.000 Menschen sollen in die Stadt Suai geflohen sein. Besonders gefürchtet ist laut „Publico“ die pro-indonesische Miliz „Mahiti“, deren Name für „Tot oder lebend für Indonesien“ stehe.

Noch im November waren Amnesty International zufolge mehr als 20.000 Soldaten und Paramilitärs in Osttimor stationiert, obwohl Jakarta nach dem Rücktritt von Diktator Suharto im Mai einen teilweisen Truppenabzug zugesagt hatte. Eine Entmilitarisierung Osttimors, die Freilassung von Gefangenen und die Zulassung von UN-Beobachtern seien dringend notwendig, um Vertrauen zu bilden, unterstreicht Monika Schlicher von der deutschen Menschenrechtsgruppe „Watch Indonesia!“.

Einen kleinen Schritt hat Indonesiens Regierung in Aussicht gestellt. Sie kündigte an, dass der zu 20 Jahren Haft verurteilte Vorsitzende des Widerstandsrates, Xanana Gusmão, aus dem Gefängnis in ein anderes Gebäude verlegt werde, wo er unter „Sonderarrest“ stehe. Für seine Freilassung setzt sich unter anderem Südafrikas Präsident Nelson Mandela ein, der ihn im Sommer 1997 in Indonesien getroffen hatte.

Seit der Invasion indonesischer Truppen am 7. Dezember 1975 gelang es Jakarta nicht, das Streben nach Unabhängigkeit in der Osthälfte der Insel Timor nordwestlich von Australien zu ersticken. Die folgende Annexion als 27. Provinz Indonesiens wurde von den Vereinten Nationen als völkerrechtswidrig verurteilt. Bis heute betrachten die UN Portugal als Verwaltungsmacht für die Inselhälfte von der Größe Sachsens mit rund 750.000 Einwohnern. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass seit 1975 rund 200.000 Menschen durch Terror, Hunger und Krankheiten ums Leben kamen. Sie werfen Indonesien Völkermord vor. Vor wenigen Wochen beklagte Amnesty erneut die willkürliche Festnahme und Misshandlung von Zivilisten, nachdem bewaffnete Oppositionsgruppen Militärs überfallen hatten.

UN-Generalsekretär Kofi Annan, die US-Regierung und der portugiesische Präsident Jorge Sampaio begrüßten unterdessen Indonesiens Ankündigung, dass das im Juni erstmals frei zu wählende Parlament über eine mögliche Unabhängigkeit Osttimors entscheiden möge. Wie ernst es Jakarta damit sei, müsse die Regierung bei den derzeitigen UN-Gesprächen über Osttimor in New York darlegen, fordern Menschenrechtler.


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