Deutsche Bundesregierung läßt
Osttimor im Stich
taz, 13. Juli 1999
Trotz guter Kontakte engagiert sich Bonn kaum bei der Lösung des Ost-Timor-Konflikts
von Hugh Williamson
Jakarta/Dili/Köln (taz) – Deutsche regierungsunabhängige Organisationen und Kirchengruppen werfen der Bundesregierung vor, ihre engen Beziehungen zur indonesischen Regierung nicht zu nutzen, um eine friedliche Lösung des Konflikts in Ost-Timor zu erreichen. Das geplante Referendum über die Zukunft der von Indonesien annektierten früheren portugiesischen Kolonie droht an der Gewalt proindonesischer Milizen zu scheitern. „Die Bundesregierung muß sich aktiv dafür einsetzen, die Gewalt in Ost-Timor zu beenden, und darf nicht warten, bis die Abstimmung vorbei ist“, fordert Sabine Marquardt von der katholischen Kommission Justitia et Pax in Bonn. Sie veranstaltet Treffen von Vertretern der Bundesregierung, Kirchen und unabhängigen Organisationem zu Ost-Timor.
Vor dem am 21. oder 22. August geplanten Referendum über Autonomie oder Unabhängigkeit Ost-Timors haben die bewaffneten proindonesischen Milizen ihre Aktivitäten ausgeweitet. Die Bevölkerung wird eingeschüchtert und UN-Mitarbeiter angegriffen. Nach Angaben von Hilfsorganisationen flohen 60.000 Menschen vor den Milizen, viele in Wälder, wo sie dringend Hilfe bedürfen. UN-Generalsekretär Kofi Annan will am Freitag entscheiden, ob die Sicherheit ausreicht, um mit der Registrierung der Abstimmungsberechtigten zu beginnen. Das Referendum, das von der UN-Mission für Ost-Timor (Unamet) organisiert wird, ist bereits aus Sicherheitsgründen um zwei Wochen verschoben worden. Gestern reiste das halbe indonesische Kabinett nach Ost-Timor, um sich ein Bild der Lage zu machen.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte der taz zu den Vorwürfen, Deutschland leiste eine „ansehnliche Unterstützung“. Außer dem deutschen Anteil am EU-Beitrag von insgesamt einer Million Euro für die Unamet und den regelmäßigen Beiträgen unterstütze Bonn die UN-Mission direkt mit 200.000 US-Dollar. Auch an politischer Unterstützung mangele es nicht, so der Sprecher. Während der deutschen Ratspräsidentschaft habe es mehrere EU-Statements gegeben, in denen die Gewalt in Ost-Timor „bedauert“ und Indonesien zum Handeln „gedrängt“ wurde. Eine Bundestagsdelegation und der Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amtes, Gerd Poppe, besuchten im Frühjahr jeweils Ost-Timor. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul habe José Ramos-Horta, dem Sprecher der Unabhängigkeitsbewegung, „nachdrückliche Unterstützung“ angeboten.
Doch nach Meinung der Kritiker gab es bisher kaum substantielle Ergebnisse. Die von Bonn und Jakarta so hochgelobten beiderseitigen Beziehungen hätten zu mehr Hilfe führen müssen, meint Marquardt. Trotz anfänglicher Anfrage aus Jakarta hat sich Bonn gegen die Entsendung unbewaffneter Polizisten für die 280köpfige Unamet-Beratertruppe entschieden, die die lokale Polizei unterstützen soll. Die ursprünglich vorgesehene deutsche Beteiligung von fünf Polizisten wurde gestrichen, räumt das Auswärtige Amt ein. Verantwortlich dafür seien „Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Bund und Ländern“. „Wir müssen Druck auf das Bundesinnenministerium ausüben“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Angelika Köster-Loßack. Nur 13 der 420 ausländischen Unamet-Wahlhelfer sind Deutsche.
Die Bundesregierung weigert sich, Friedensnobelpreisträger Bischof Carlos Belo in seiner Forderung nach bewaffneten UN-Friedenstruppen zu unterstützen. Er sieht darin die einzige Chance für eine faire Abstimmung. „Solche militärischen Maßnahmen sind nicht nötig“, heißt es dagegen beim Auswärtigen Amt.
Ursprünglich erwog das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit auch die Unterstützung einiger Ärzte. Daraus wurde nichts. Das Auswärtige Amt sagt, es würde gern mehr machen, aber es fehle das Geld. Monika Schlicher von der Menschenrechtsgruppe Watch Indonesia bezweifelt, daß es nur ein finanzielles Problem ist. „Die Bundesregierung befürchtet, mit einer aktiven Ost-Timor-Politik die guten Beziehungen zu Jakarta zu gefährden. Wenn die UNO in Ost-Timor scheitert und sich die Hardliner im indonesischen Militär mit ihren Milizen in Ost-Timor durchsetzen, bestimmen sie auch in Indonesien die Politik. Dann hätte Deutschland auf das falsche Pferd gesetzt.“ Ohne daß ihm die Ironie bewußt ist, räumt ein Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Jakarta ein, die Entsendung deutscher Polizeiberater nach Ost-Timor sei „wegen der schlechten Sicherheit dort“ schwierig. <>