Berichte

Pressespiegel indonesische Streitkräfte

März 2000 (1. – 27. März)

zusammengestellt von Ingo Wandelt

Diese Aufstellung erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Korrektheit der Informationen. Die Materialsuche erfolgt über die Mittel des Internets.

Thema: militärische Interna

TNIBeschluss von Regierung und Parlament, die Gehälter der Staatsbediensteten und den Sold der Soldaten wird zwischen April und Oktober 2000 um durchschnittlich 30% anzuheben. [Kompas, 01.03.]
 
Der Chef des Heeresstabes, Tyasno Sudarto, kündigt an, das Heer werde seine territoriale Funktion überprüfen. Die Anzahl der Wehrbereiche (Kodam) werde voraussichtlich verringert werden. Die Lage vor Ort wird für die jeweilige Stärke und Präsenz von Truppen entscheidend sein. Aceh, Riau, Papua und weitere Außengebiete werden große militärische Präsenz erfordern. Der Schwerpunkt der territorialen militärischen Handlungen wird auf der Bekämpfung von Unruhen liegen. Aus der praktischen Politik auf territorialer Ebene werde sich das Militär schrittweise zurückziehen. [The Jakarta Post, 03.03.]
 
Präsident Wahid kündigte bei einem Besuch der Bereitschaftspolizei (Brimob) in Jakarta sein Bemühen an, die Personalstärke der Polizei auf 600.000 Mann zu erhöhen, was in etwa einer Verdreifachung der bestehenden Stärke entspricht. [The Jakarta Post, 03.03.]
 
Der Befehlshaber der Westflotte, Konteradmiral Indroko, kündigte verstärkten Küsten- und Gewässerschutz in den westlichen Gewässern Indonesiens an. Dazu gehöre die Sicherung von Handelswegen und Beobachtung von Küstengebieten. [Suara Pembaruan Online, 03.03.] Anm.: diese Ankündigung kann als Absichtserklärung zum Vorgehen gegen die in den indonesischen Gewässern weit verbreitete Piraterie gewertet werden. Siehe dazu Far Eastern Economic Review, March 9, „Foot in the Water, „A Japanese plan to send armed coastguard vessels to combat pirate attacks in Asia’s sea lanes is finding a surprisingly positive response, http://www.feer.com/_0003_09/p28security.html
 
Der Kosten für den Schutz des Staates durch Streitkräfte und Polizei, der durch die Kette der Unruhen ab dem Mai 1998 für Indonesien entstanden sei, belaufe sich nach Schätzungen der Führungsstabe von Militär und Polizei bereits auf 1,038 Trillionen Rupiah [Kompas, 03.03., Xpos 5-12 Maret 2000].
 
Minister für Meeresausbeutung und Fischerei, Sarwono Kusumaatmadja, erklärte, der nationalen Wirtschaft entstehe durch Fremdfischerei in den nationalen Gewässern ein jährlicher Schaden von vier Milliarden US Dollar. Ein maritimes Satellitenüberwachungssystems solle aufgebaut werden [Suara Pembaruan Online, 06.03.].
 
Die Marine habe Waffenschmuggler aus den Philippinen gefangen nehmen können, so der Marinestabschef Achmad Sutjipto. Sie hätten illegal Waffen zu den Molukken befördert. Sutjipto wollte sich nicht im Detail zu diesen Vorgängen außern, weil sie die Beziehungen Indonesiens mit einem anderen Land beträfen. „Dieser Fall ist rein lokal. Ob es Verbindungen zu ihnen (den Moro) gibt, haben wir noch nicht herausfinden können“ [Suara Pembaruan Online, 06.03].
 
In zwei bis fünf Jahren werden die Streitkräfte (TNI) zu ihrer reinen Verteidigungsaufgabe zurückgefunden und das Feld der Politik verlassen haben. So der Verteidigungsminister Juwono Sudarsono vor der parlamentarischen Kommission I. Die Polizei werde ab dem Januar 2001 der Verantwortung des Verteidigungsministeriums entzogen und eigenständig werden. Der Chef der nationalen Polizei werde direkt dem Präsidenten oder dem Innenminister unterstellt sein. [Suara Pembaruan Online, 08.03.] Sudarsono sprach sich gegen die politischen Statements führender Offiziere aus. Er bezeichnete sie als untragbar. In fünf Jahren werde allein der Chef der Streitkräfte und der Militärsprecher befugt sein sich, sich öffentlich zu internen Fragen der Streitkräfte zu äußern [AFP, 08.03.].
 
Verteidigungsminister Juwono Sudarsono erklärte in einer Anhörung des Parlaments, dass die nationale Polizei (POLRI) im Jahr 2001 aus der Struktur des Verteidigungsministerium ausscheide und direkt dem Präsidenten unterstellt werde. Ihre Aufgabe werde den Auftrag der Verantwortung für die innere Sicherheit erhalten und damit von den Streitkräften (TNI) klar unterschieden sein. „Die Polizei wird interne Bedrohungen handhaben, während das Militär sich den Bedrohungen von Außen annimmt“ [The Jakarta Post Online, 09.03].
 
Das Parlament erörtere rechtliche Möglichkeiten, Militärangehörige, die gegen zivile (nicht-militärische) Gesetze verstoßen haben, vor Zivilgerichten zur Verantwortung zu ziehen. So der stellvertretende Chef des Heeresstabes, Generalleutnant Endriartono Surato. Bislang werden solche Verstöße dem militärpolizeilichen Apparat überantwortet und nach Militärrecht verhandelt. [Kompas Online 11.03.] Die nationale Polizei (POLRI) bat die Kommission I des Parlamentes zur raschen Erstellung von Gesetzen, die der Polizei einen Zugriff auf straffällig gewordene Militärangehörige erlauben. Bislang dürfe die Polizei Angehörige von Heer, Marine und Luftwaffe nicht polizeilich vernehmen. Das bestehende Gesetz 31 /1997 sehe vor, dass Militärangehörige für Rechtsvergehen nur vor Militärgerichten abgeurteilt werden dürfen [Kompas Online, 14.03.].
 
Der Chef des Stabes der Luftwaffe, General Hanafie Asnan, ernannte Generalleutnant Mudjiono Said zum neuen stellvertretenden Chef des Luftwaffenstabes. Er ersetzt Generalmajor I Gede Sudana, der in den Ruhestand tritt. Hanafie Asnan erklärte, dass die Luftwaffe aufgrund knapper Finanzmittel zur Zeit nur elektronische, jedoch keine visuellen Mittel zur Erkennung illegal in den indonesischen Luftraum eindringender Flugzeuge besitze. Im Haushaltsjahr 2000 werde die Luftwaffe weder Kampfflugzeuge erwerben noch eine Personalaufstockung vornehmen [Suara Pembaruan Online, 17.03.].
 
Der Chef der nationalen Polizei (POLRI), Generalleutnant Rusdihardjo, erklärte in einer Anhörung vor einem Ausschuss des Volkskongresses (MPR), die Polizei werde spätestens ab dem 1. Januar 2001 nicht mehr dem Verteidigungsministerium unterstehen und damit aus den Streitkräften (TNI) ausgegliedert sein. POLRI sei dann autonom und „eine Polizei mit zivilem Antlitz“. Die Polizei hoffe darauf, direkt dem Präsidenten unterstellt zu werden, und ihre Mitglieder wieder das aktive und passive Wahlrecht erhalten [Suara Pembaruan Online, 18.03.].
 
Präsident Wahid und Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri statteten dem Stützpunkt der Marineinfanteriebrigade 2 in Cilandak, Südjakarta, einen offiziellen Besuch ab. Die Pressekommentatoren werteten diesen Besuch als Aufwertung der Marine gegenüber dem Heer. Gegenwärtig besitzt die Marineinfanterie (Korps Marinir, Kormar) 13.000 Mann festes, und 3500 Mann externes Personal. In den nächsten fünf Jahren soll das Korps Marinir ihrer Paralleltruppe im Heer, Kostrad, angeglichen und zu zwei Divisionen ausgeweitet werden. [TNI Watch!, 21.03.]
 
Streitkräftechef Admiral Widodo erklärte, das Programm TNI Manunggal Desa des Jahres 2000 werde schwerpunktmäßig in Unruhegebiete wie in Ambon und den Molukken stattfinden. Es solle den von den Ausschreitungen betroffenen Menschen zugute kommen. Ebenso sollen Slumgebiete in ausgewählten Großstädten in die Planung einbezogen werden. Das wurde im Rahmen eines Koordinierungstreffens mit den Stabschefs von Heer und Marine und einigen Wehrbereichskommandeuren bekannt. [Kompas Online, 23.03]
Anm.: diese Meldung ist im Bezug auf die sozio-politische Rolle (Sospol) der Streitkräfte interessant. Das Programm des Einsatzes von militärischen Einheiten in zivilen Aufgabenbereichen (civic mission) begann in den frühen sechziger Jahren und war der Embrio für die unter der Neuen Ordnung durchgesetzten politischen Teilhabe der Streitkräfte an der Führung von Staat und Gesellschaft. Das Programm ABRI Masuk Desa („Die Streitkräfte betreten das Dorf“) und seine spätere Variante ABRI Manunggal Desa („Die Streitkräfte vereinen sich mit dem Dorf“) werden offensichtlich wieder aufgelegt. Somit beziehen sich die vom vorigen Streitkräftechef Wiranto im September 1998 verkündeten Vier Neuen Paradigmen offenbar allein auf den angekündigten Rückzug der Streitkräfte aus der Politik, nicht aber aus ihrer Präsenz auf der Dorfebene. Das wird Auswirkungen auf die gesellschaftliche Diskussion über die Verringerung der territorialen Militärpräsenz haben.
 
Neuer Kommandeur des Hauptmarinestützpunkts (Lantamal) IV wurde Oberst der Marineinfanterie Prayitno Hadi S.SP.. Erstmalig in der Geschichte der indonesischen Marine geht eine solche Position an einen Offizier der Marineinfanterie. Lantamal IV in Makassar ist der für die ostindonesischen Gewässer, einschließlich der Molukken, zuständige Stützpunkt und ist für die Sicherung der maritimen Grenzen zu den Philippinen, Ost-Timor und Papua Neuguinea verantwortlich [Kompas Online, 27.03.].
 
Neuer Kommandeur der Wachgruppe des Präsidenten wird Brigadegeneral (des Heeres) I Putu Sastra W. Seine letzte Verwendung war Kommandeur einer in der Presse nicht genauer spezifizierten Nachrichtendienstgruppe im militärischen Nachrichtendienst Bais [Suara Pembaruan Online, 27.03.]. Die Position des Kommandeurs von Kostrad wird morgen (28.3.) an Agus Wiharadikusumah übergeben.

Thema: Auflösung Bakorstanas, Abschaffung von Litsus 

Laut Beschluss des Staatspräsidenten Abdurrahman Wahid vom 8. März wird die zentrale Sicherheitsstruktur des Bakorstanas und ihre regionalen Abteilungen Barkorstanasda aufgelöst. Das koordinierende Netzwerk militärischer, polizeilicher und zivil-bürokratischer Stellen zur nachrichtendienstlicher Überwachung auf territorialer Ebene wurde am 5. September 1988 per Dekret des damaligen Präsidenten Suharto als Nachfolgeeinrichtung der militärischen Sicherheitsstruktur Kopkamtib eingerichtet.
Anm: Bakorstanas (Badan Koordinasi Pemantapan Stabilitas Nasional, Koordinierungsstelle zur Festigung der nationalen Stabilität) ist/war als nicht-strukturelle, d.h. „schlafende“ Einrichtung konzipiert, die im Notfall aktiviert werden konnte. Bakorstanas als zentrale Organisation unterstand direkt dem Kommandeur der Streitkräfte (Pangab, später Pang TNI) und diente der Koordinierung der Maßnahmen von Heer, Marine, Luftwaffe, Polizei und ziviler Verwaltung zur Bekämpfung von Unruhen und Aktivitäten gegen die staatliche Sicherheit. Auf Ebene von Provinz und Wehrbereich (Kodam) koordinierte Bakorstanasda diese Maßnahmen unter der Führung des Wehrbereichskommandeurs. Diese organisatorische Architektur unterstellte de facto die Polizei und Zivilverwaltung (den Gouverneur) dem territorialen Heereskommando. „Der Präsident sieht, dass Bakorstanas mehr Probleme hervorgerufen als gelöst hat. Die Agentur schuf außerdem Unordnung auf der zentralen und regionalen Ebene,“ so Kabinettssekretär Marsilam Simanjuntak. Zugleich wurde das Verfahren der ideologischen Überprüfung von Kandidaten für Positionen im Staatsdienst und den staatlichen Betrieben auf kommunistischen oder staatsfeindlichen Hintergrund Litsus (penelitian khusus, Sonderüberprüfung), dessen letzte Rechtsgrundlage das Präsidentendekret vom 17. April 1990 war (bereits in den achtziger Jahren war die Litsus-Überprüfung für alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und der staatlichen Betriebe vollzogen worden), abgeschafft [The Jakarta Post Online, 09.03., Kompas Online 09.03., Suara Pembaruan Online, 09. und 10.03., sowie eigene Anmerkungen IW].
 
Aus Kreisen von Bakorstanas wurde verlautet, dass durch die Auflösung der Einrichtung an die 5000 Militärangehörigen ihre Positionen verlieren werden, die meisten jedoch auf andere Stellen untergebracht werden könnten. [Suara Pembaruan Online, 10.03, TNI Watch! 10/3/2000] Der stellvertretende Chef des Heeresstabes, Endriartono Sutarto, erklärte, dass es dem Heer keine Probleme verursache, falls weitere Sicherheitseinrichtungen auf regionaler Ebene, wie die „Wachsamkeitsposten“ (Posko Kewaspadaan) auf der 3. territorialen Ebene (Distrikt) aufgelöst würden [Kompas Online 10.03]. Heeresstabschef Sudarto sieht in der Auflösung von Bakorstanas keine Einengung der Rolle der Streitkräfte, sondern dieser Schritt sei in der Zeit der Reform durchaus angemessen [Kompas Online, 17.03.].  

Thema: Attentat auf Matori  

Das Messerattentat auf Matori Abdul Djalil, Vorsitzender der Nationalen Erweckungspartei (PKB), die die politische Basis des Präsidenten Wahid bildet, vor seinem Haus am 5. März beherrschte die Schlagzeilen der indonesischen Presse. Die zunehmende Bereitschaft zur offenen Gewaltanwendung bei inner-Eliten Auseinandersetzungen hat nun auch die führenden Politiker erreicht. Matori wurde durch Messerstiche verletzt, konnte nach ambulanter Behandlung jedoch das Krankenhaus wieder verlassen. Ein Täter konnte verhaftet werden, der andere wurde von der Menschenmenge gelyncht. Ein politischer Hintergrund des Attentats wird allgemein angenommen und auch aus Polizeikreisen bestätigt [Jakarta Post, 17.03], die andauernden Spekulationen kreisen um die Hintermänner und Auftraggeber. Erster Verdacht fiel auf militärische Kreise, genannt wurden Kopassus [Indonesian Observer, 09.03] und die durch die Umbesetzungen in militärischen Positionen benachteiligte Generäle. Die Identifizierung der Täter führte zu einer fundamental-islamistischen Gruppe namens AMIN (Angkatan Mujahidin Islam Nusantara), die seit vergangenem Jahr mit Terroranschlägen in Verbindung gebracht wird. Über ihre Ziele und Hintergründe wird zur Zeit auf der Grundlage der wenigen verfügbaren konkreten polizeilichen Informationen spekuliert [Gatra, Nr. 18/VI, March 18, Tempo Interaktif, no.02/XXIX/13-19 Maret 2000]. Im Hause des überlebenden Täters wurden schwere Maschinenwaffen, Sprengzünder und Handgranaten aus militärischen Quellen aufgefunden [Media Indonesia, 15.03]. Präsident Wahid bestätigte die Existenz radikaler Gruppen, die ihn zu diskreditieren trachten [Suara Pembaruan, 21.03.]. Die Jakarta Post listet bislang fünf gewaltsame Übergriffe auf politische Einrichtungen und Politiker seit Ende Februar auf [The Jakarta Post Online, 20.03.].   

Thema: Kriminelle Machenschaften innerhalb der Streitkräfte und der Polizei

Die freie Verfügbarkeit von Waffen in der Gesellschaft seit die Welle von Unruhen Indonesien überschwemmt, wird zunehmend von Regierung und Sicherheitskräften mit Besorgnis betrachtet. Die Polizei teilte mit, dass seit 1997 für insgesamt 15043 Handfeuerwaffen offizielle Genehmigungen an Privatpersonen erteilt worden sind, die tatsächliche Anzahl der umlaufenden Schusswaffen jedoch weit höher anzunehmen ist [Suara Pembaruan Online, 14.03.]. Militär- und Polizeikreise sind führend beteiligt am illegalen Vertrieb sogenannter senjata organik, d.h. Waffen, die der alleinigen Verfügung durch TNI oder Polizei bestimmt sind, einschließlich zugehöriger Munition. Einschlägige Händlerringe werden aus Militär- und Polizeieinheiten heraus professionell betrieben [Kompas, 06.03]. Solche „organischen“ Waffen werden vermehrt zur Ausübung krimineller Gewalttaten verwendet [Suara Pembaruan Online, 15.03]. Die Polizei kündigte an, diese Händlerringe zerschlagen zu wollen [The Jakarta Post, 07.03.].
 
Die Zerschlagung eines Waffenhändlerrings, der militärische Feuerwaffen an die Gerakan Aceh Merdeka (GAM), der Widerstandsbewegung in Aceh verkaufte, wurde von der Polizei bestätigt [Kompas Online, 03.03. und 06.03, dpa 030553 Mrz 00]. Der Wehrbereichskommandeur Jakarta gab zu, dass auch Angehörige seiner Einheiten daran beteiligt waren [Kompas Online, 16.03]. Sie handelt sich um Angehörige des Feldartillerieregiments 7, die in Kooperation mit der Bereitschaftspolizei von Jakarta und Bandung aus ein kriminelles Syndikat betrieben [TNI Watch!, 7/3/2000].
 
Die Polizei gab an, streng gegen den in Streitkräften und Polizei verbreiteten Drogenmissbrauch und Drogenvertrieb vorzugehen. Die Drogen würden zumeist für den Eigenbedarf verwendet [The Jakarta Post Online, 13.03]. 

Thema: Lemhanas  

Der Vorsitzende der Vereinigung der Alumni der obersten militärischen Führungsakademie Lemhanas (Lembaga Ketahanan Nasional), Generalleutnant Hendropriyono, schlug die Rückführung der Akademie in ihre angestammte Stellung als dem Staatspräsidenten direkt unterstellte Ausbildungseinrichtung vor. Dieser im Rahmen einer Konferenz geäußerten Vorschlag wurde offenbar auch von der Akademieführung wohlwollend betrachtet. Seit ihrer Umbenennung von der Nationalen Verteidigungsakademie zur Akademie für nationale Wehrhaftigkeit im Jahre 1994 untersteht die Akademie dem Verteidigungsministerium [Kompas Online 13.03.]. Die Akademie solle in ihrer neuen Stellung direkt dem Präsidenten zuarbeiten (Republika Online, 14.03]. Präsident Wahid erhielt im Rahmen einer dreitätigen Konferenz den Titel eines Ehren-Absolventen der Lemhanas. Bei der Konferenzeröffnung bestritt der Präsident Ansichten, die Streitkräfte verließen die Linien der nationalen Politik. Das militärische Element sei seit je her ein Grundbestandteil des nationalen Lebens gewesen [Kompas Online, 20.03] 

Thema: Wahid beschuldigt aufmüpfige Militärkommandeure

Präsident Wahid beschuldigte im Rahmen des TV-Interviews „Eine Tasse Kaffee mit Gus Dur“ des staatlichen Senders TVRI einige Kommandeure von militärischen Wehrbereichen (Pangdam) der konspirativen Tätigkeit gegen ihn. „Einige Pangdam arbeiten daran Leute zu scharen um sie gegen mich anzustacheln. Aber ich glaube, das Volk ist hinter mir. Wenn (ich) entschlossen für das Volk handle, brauche ich keine Angst haben. Weil ich davon überzeugt bin, dass das Volk meinen Kampf unterstützt.“ [Tempo Interaktif, 14.03.]. Der Präsident nannte keine Namen, auf welche Pangdam er anspreche. Er nahm ausdrücklich die Wehrbereiche Jakarta und Molukken aus [dpa 140717 Mrz 00].
Anm: folgende Wehrbereichskommandeure führen zur Zeit die Wehrbereiche (Kodam), wobei im April einige Führungswechsel anstehen. Alle Kommandeure im Rang eines Generalmajors.
Kodam I, Bukit Barisan, Aceh und Nordsumatra: Affandi
Kodam II, Sriwijaya, Südsumatra: Sutardjo
Kodam III, Siliwangi, Westjava: Slamet Supriyadi
Kodam IV, Diponegoro, Mitteljava: Bibit Waluyo
Kodam V, Brawijaya, Ostjava: Sudi Silalahi
Kodam VI, Tanjungpura, Kalimantan, Zainuri Hasyim
Kodam VII, Wirabuana, Sulawesi, Agus Wirahadikusuma, wird abgelöst durch Slamet Kirbiantoro
Kodam VIII, Trikora, Papua: A. Inkiriwangi
Kodam IX, Udayana, Kleine Sundainseln: Kiki Syahnakri Kodam Jaya, Großjakarta: Ryamizard Ryacudu
Kodam XVI, Pattimura: Max Tamaela
 
Die Führungsspitze der Streitkräfteführung und des Heeres antwortete mit Statements, die sich zur Loyalität aller Pangdam zur Staatsführung bekannten. Sie zweifelten mehr oder weniger offnen die Existenz aufmüpfiger (mbalelo) Kommandeure an. Die Pangdam der Kodam auf Java versicherten in der Folgezeit dem Präsidenten ihre Treue. Inoffiziell wurden die Pangdam IV, V und IX als mögliche Adressaten der Präsidentenbotschaft genannt (Xpos, 20-26 Maret). Der Chef des Heeresstabes Tyasno wertete die Äußerung Wahids als Warnung an das Heer [Kompas Online, 20.03]. Es wurden Spekulationen um die Ablösung der Pangdam III und IV geäußert [Indonesian Observer, 23.03]. 

Thema: Forderung nach Auflösung von Kopassus und BAIS, US-Militärhilfe 

35 Nichtregierungsorganisationen (NRO) aus den Vereinigten Staaten haben US-Außenministerin Madelein Albright in einem offenen Brief aufgefordert, sich bei der indonesischen Regierung für eine Auflösung der Eliteeinheit des Heeres Kopassus und des militärischen Nachrichtendienstes BAIS einzusetzen als Vorbedingung für eine Wiederaufnahme der bilateralen militärischen Beziehungen und Ausbildungshilfe. Sie sehen Kopassus als verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen in Osttimor, und BAIS für Bespitzelungen von Indonesiern zur Unterrückung unerwünschter politischer Betätigung. [Kompas Online 14.03, Republika Online 15.03]
 
Anm: die mir vorliegende Kopie des Schreibens mit Datum vom 3. März, wie verbreitet vom East Timor Action Network (etan), drückt den starken Protest der Unterzeichner gegen eine Wiederaufnahme der Militärbeziehungen zur TNI aus und fordert nicht die Auflösung der beiden in der indonesischen Presse genannten Institutionen. Bais wird nicht erwähnt. Der relevante Absatz im Original: „Perhaps more importantly, there is little evidence to show that previous years of U.S. military engagement with Indonesia, including training in human rights, did anything to prevent gross human rights violations by the Indonesian military. The U.S. has been training the Indonesian military since that late 1950s. During the last several decades, the people of East Timor and of Aceh, West Papua, and other provinces have been subjected to torture, disappearance, extrajudicial executions, rape, and even massacres carried out by the Indonesian military, particularly members of the elite special forces unit Kopassus. These military abuses have led hundreds of thousands of Indonesians to flee their homes and become internally displaced persons.“ [vgl. http://www.etan.org]
 
Präsident Wahid erklärte in Bezug auf den Aufruf der US-amerikanischen NRO, bislang sein sowohl das Sondertruppenkommando des Heeres (Komando Pasukan Khusus, Kopassus) als auch der strategische Nachrichtendienst der Streitkräfte (Badan Intelijen Strategis Tentara Nasional Indonesia, BAIS TNI) notwendig. „Ich halte sie noch für notwendig. Bis später sie einmal nicht mehr benötigt werden, dann werden sie aufgelöst“ [Kompas Online 16.03., Suara Pembaruan Online 17.03.].
 
Die indonesischen Streitkräfte wünschen weiterhin Militärhilfe aus den Vereinigten Staaten, erklärte der Leiter des Streitkräfteinformationszentrums, Graito Usodo. Im Vordergrund stünde momentan jedoch die Ausbildungshilfe, nicht die Hilfe in militärischer Stärke. Er bezog sich auf entsprechende Vorschläge von US-amerikanischer Seite. „Vielleicht Kurse in den Menschenrechten oder Schulen in Verbindung mit Technologie. Also nichts, was mit militärischen Operationen zusammen hängt“ [Tempo Interaktif, 18.03].
 
Anm. zur folgenden Nachricht: der Sydney Morning Herald (SMH) hatte in seiner Ausgabe vom 23.02. den Verteidigungsminister Sudarsono zitiert, der die Verkleinerung der Kopassus von ca. 6000 auf 700 Mann ankündigte. Danach liefen Meldungen um, dass es sich dabei nicht auf eine Verkleinerung auf 700, sondern um 700 Mann handele.
 
Verteidigungsminister Juwono Sudarsono bestätigte den Plan des Präsidenten Wahid, die Mannschaftsstärke von Kopassus herunterzufahren. Die Meldung des SMH sei unzutreffend: „Sie ist nicht richtig. Richtig ist, die etwa 6000 (Mann) werden zu ein wenig mehr als 5000. Also gibt es eine Reduzierung um die 700 herum“, sagte Sudarsono nach der Eröffnung der nationalen Konferenz der Führungsakademie Lemhanas [Suara Merdeka, 21.03]. Eine andere Meldung lautet, dass dies bereits über die letzten 18 Monate geschehen sei [Suara Pembaruan Online, 21.03].
 
Präsident Abdurrahman Wahid will die Abhängigkeit der indonesischen Streitkräfte, insbesondere der Luftwaffe, von US-Rüstungsgütern verringern. Bei einem Besuch des Führungsstabes der Sondertruppen der Luftwaffe (Paskhas) in Margahayu, Bandung, äußerte er sich kritisch zu den US-Rüstungsboykottmaßnahmen gegenüber der TNI. „Ich habe lang über ein Ende unserer Zurückhaltung gegenüber den Vereinigten Staaten nachgedacht und darüber, dass wir uns mehr auf unsere eigene Stärken verlassen.“ Die Abhängigkeit von US-Technologie werde, so Wahid, vor allem bei den Geschwadern der Luftwaffe deutlich, die in ihren Ersatzteillieferungen im besonderen Maße von Rüstungsboykotten betroffen sind. „Was denken die Amerikaner wer wir sind? Wenn sie uns nicht als wichtig erachten, warum sollten wir uns um F16 bemühen, wenn wir Mirage oder MiGs kaufen können.“ Wahid sprach sich aber gegen jede Art von Rüstungsabhängigkeit und für die Stärkung der eigenen staatlichen Rüstungsbetriebe aus. „Wir sind eine große Nation und wir brauchen unsere eigene militärische Industrie.“ [Jakarta Post, 26.03.] 

Thema: Notstandsgesetze  

Die Stiftung Indonesisches Rechtshilfeinstitut (Yayasan Lembaga Bantuan Hukum Indonesia, YLBHI) hat Präsident Wahid öffentlich aufgefordert, das ihm vorzuliegende kontroverse Gesetz zur inneren Sicherheit (staatliches Notstandsgesetz) nicht zu ratifizieren. Die Einbringung dieses Gesetzesvorschlages in das Parlament durch die Regierung Habibie hatte im vergangenen September zu gewaltsamen Ausschreitungen in Jakarta geführt. In einem öffentlichen Schreiben warnte das Institut, eine Verabschiedung könnte den eingeleiteten Demokratisierungsprozess gefährden. Die Regierung solle die Angelegenheit nicht überstürzen und eine überarbeitete Vorlage einbringen. Zuvor solle eine öffentliche Anhörung stattfinden. Das neue Sicherheitsgesetz soll das bis heute gültige Notstandsgesetz von 1959 ablösen [The Jakarta Post Online, 24.03.]. 

Thema: Aceh 

[Der andauernde schmutzige Krieg im Zuge der militärischen Aufstandsbekämpfungsoperation Sadar Rencong III erfordert eigentlich ein detailliertes Eingehen. Diese ist jedoch aus der Ferne kaum möglich. Die freie Berichterstattung ist in Aceh nicht gewährleistet. Die in der indonesischen Presse erkennbaren Berichtsmuster zeigen Gemeinsamkeiten mit früheren Militäroperationen in Osttimor. Dargestellt wird zumeist die offizielle Regierungsseite in all ihrer Widersprüchlichkeit. Aus diesen Gründen lasse nehme ich das Thema Aceh aus diesem Pressespiegel heraus und bitte dafür um Verständnis. (IW)] 

Thema: Papua 

Die nationale Polizei und die Streitkräfte kündigten harte Maßnahmen gegen separatistische Bewegungen in der Provinz Papua (vormals Irian Jaya) an. Die Ankündigung des Polizeichefs der Provinz, Brigadegeneral Wenas, folgte der Ankündigung der Separatistenführer Theys Eluay und Don Flasi, im kommenden Mai eine Übergangsregierung für Papua auszurufen, die die Provinz am 1. Dezember in die Unabhängigkeit überführen solle. Der Wehrbereichskommandeur der Provinz, Generalmajor Inkiriwang, kündigte ähnlich harte Maßnahmen seiner ihm unterstellten Einheiten an [Indonesian Observer, 10.03]. Nach unbestätigten, nicht öffentlichen Meldungen sollen bereits 450 Mann des Strategischen Heereskommandos Kostrad in Papua eingetroffen sein [per Email vom 17.03.]. 

Thema: Osttimor

Bei vier Angriffen von den aus Westtimor operierenden pro-indonesischen Milizen auf die UN-Friedenstruppe auf grenznahem osttimoresischen Gebiet kam es zu Schusswechseln. Opfer wurden nicht vermeldet [CNN, 03.03]. Der Kommandeur der UN-Truppen, Generalleutnant Jaime de los Santos forderte den Kommandeur des Wehrbereichs Udayana, Kiki Syahnakri, zu Maßnahmen gegen diese Übergriffe auf. In mehreren Meldungen der australischen Presse äußerten Vertreter des UN-Kontingents offene Vermutungen der Rückendeckung durch offizielle indonesische Einheiten. Es kam zu weiteren Übergriffen in Osttimor, wobei ein Zivilist getötet wurde [AP 06.03]. Die Friedenstruppen konnten einen Milizionär nach einem Schusswechsel gefangen nehmen, vier weitere Milizionäre entkamen nach Westtimor [Sydney Morning Herald, 08.03.]. Die UN-Übergangsverwaltung in Osttimor entsandte am 9. März eine offizielle Delegation nach Jakarta, die ihre Bedenken gegenüber der mangelnden Grenzsicherung durch die TNI vortrugen. Die australische Regierung legte einen offiziellen Protest bei der indonesischen Regierung ein [SMH 10.03.]. Pangdam Kiki Syahnakri bestritt die Teilnahme seiner Truppen an den Angriffen der Milizen [The Jakarta Post, 10.03.]. Der Präsident ordnete am 10. März strenge Maßnahmen der TNI gegen die Milizen an [AFP, 10.03.], die TNI sicherte höhere Grenzsicherheit und ihr Vorgehen gegen die Milizen in Westtimor zu [CNN 13.03., The Jakarta Post Online, 15.03.]. Kiki Syahnakri gab bekannt, seine Einheiten hätten bereits mit der Entwaffnung einiger Milizen begonnen [Indonesian Observer, 15.03.]. Der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika beschuldigte die TNI, die Milizen weiterhin direkt zu unterstützen [Indonesian Observer, 15.03.]. Ein Bataillon der Kostrad werde an der Grenze zu Osttimor stationiert werden, wurde aus Kreisen der TNI bekannt [Suara Pembaruan Online, 18.03.]. In der Nähe von Kupang, Westtimor, wird eine neue Luftwaffenbasis eingerichtet, die Einheiten der Sondertruppen der Luftwaffe (Paskhas) beherbergen wird, vor allem jedoch die militärische Luftraumüberwachung im Bereich Timor übernehmen soll [Detik, 20.03.]. Sechs Milizionäre wurden, nachdem sie die Grenze illegal überquert hatten, von UN-Friedenstruppen in Osttimor aufgespürt und verhaftet [AP, 20.03]. Mitglieder des UN Sicherheitsrates kritisierten die Rolle der indonesischen Streitkräfte bei der andauernden Gewalt der Milizen [CNN, 22.03.]. Der Kommandeur der Friedenstruppen, Jaime de Los Santos, bestritt Meldungen, nach denen es zu einem Schusswechsel zwischen seinen Truppen und Einheiten der TNI gekommen sein solle [Tempo Interaktif, 22.03.]. Eine australische Einheit der Friedenstruppe feuerte auf Milizionäre in der Nähe der Stadt Balibo. Opfer wurden nicht gemeldet. Die Milizionäre zogen sich nach Westtimor zurück [SMH, 25.03]

 
In Jakarta äußerten indonesische Parlamentarier wiederholt Vorwürfe, australische Flugzeuge hätten mehrfach den indonesischen Luftraum im Gebiet der Molukken verletzt [Media Indonesia, 17.03.]. Die australischen Regierung bestritt diese Vorwürfe [SMH, 21.03.].


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