Indonesiens Justiz spielt auf Zeit

taz, 14. März 2002

In Indonesien will ab heute ein Ad-hoc-Gerichtshof endlich die Menschenrechtsverletzungen in Osttimor von 1999 untersuchen. Doch es gibt nur noch 18 Angeklagte und verhandelt werden nur die Verbrechen von zwei Monaten. Beobachter sind skeptisch.

von Sven Hansen

tazUm ein internationales Tribunal zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Osttimor vor und nach dem Unabhängigkeitsreferendum 1999 zu verhindern, hat Indonesiens Regierung schon vor über zwei Jahren eine eigene Aufarbeitung der damaligen Verbrechen zugesagt. Dieses Verfahren, das immer wieder verschleppt wurde, soll heute in Jakarta beginnen.

Der Ad-hoc-Gerichtshof darf jedoch nur Menschenrechtsverletzungen vom April und September 1999 untersuchen. Und auch nur solche, die in Osttimors Städten Dili, Liquiça und Suai begangen wurden. Andere Verbrechen im selben Jahr sowie in der insgesamt 23-jährigen indonesischen Besatzungszeit, der laut Menschenrechtsorganisationen 200.000 Menschen zum Opfer fielen, werden von dem Gericht nicht aufgearbeitet.

Dabei gab es 1999 bereits vor dem Referendum vom 30. August Massaker von proindonesischen Milizen. Diese waren von Indonesiens Militär ausgerüstet und angeleitet worden. Nachdem sich 80 Prozent der Bevölkerung für die Unabhängigkeit ausgesprachen, verwüsteten die Milizen Osttimor. Mindestens tausend Menschen wurden getötet, hunderttausende vertrieben. Indonesiens Militär ließ den Milizen freie Hand, erst eine internationale Interventionstruppe beendete die Gewalt.

Indonesiens staatliche Menschenrechtskommission empfahl später, 33 Personen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Doch ab heute stehen nur 18 Personen, darunter drei Generäle, vor Gericht. Kein Angeklagter sitzt in Untersuchungshaft. Und ehemals hohe Militärs wie der damalige Verteidigungsminister und Stabschef General Wiranto sowie Exgeheimdienstchef Zacky Anwar Makarim müssen sich überhaupt nicht
verantworten.

Beobachter vermuten, dass die Regierung von Präsidentin Megawati Sukarnoputri sich nicht mit dem mächtigen Militär anlegen will. Vielmehr wolle sie dem Druck des Auslands nur formal entsprechen, zumal dieser bereits merklich nachgelassen habe. So gibt es in den USA wieder Überlegungen, die Zusammenarbeit mit Indonesiens Militär wieder aufzunehmen.

„Die Chance, dass Gerechtigkeit gesprochen wird, ist sehr gering“, sagt Indonesiens führender Menschenrechtsanwalt Munir. „Das Verfahren ist nur eine Formalie.“ Mit 50 anderen Beobachtern aus dem In- und Ausland will Munir immer wieder auf die Schwächen des Verfahrens hinweisen. Bemängelt wird die nicht transparente Auswahl der Richter. Eigentlich sollen auch unabhängige Juristen berufen werden, doch bekannte Menschenrechtsanwälte sind nicht vertreten. Kritisiert wird auch das Fehlen eines Zeugenschutzprogramms, so dass wahrscheinlich kein Zeuge aus Osttimor die Reise nach Jakarta wagen wird. „Mit der Begrenzung des Untersuchungszeitraums auf nur zwei Monate wird es unmöglich sein, die Systematik hinter den einzelnen Verbrechen herauszuarbeiten“, sagt Monika Schlicher von der Berliner Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia. <>


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