Presseerklaerung

Demoaufruf: Jokowi ‚Blusukan‘ in Berlin?

Berlin, 15. April 2016

Jokowi_blusukanJokowi kommt zu einem Staatsbesuch am 18.4.2016 nach Berlin. Er trifft die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten sowie einige von der indonesischen Botschaft handverlesene Bürger. Wir erwarten, dass er auch uns empfängt, wie er es üblicherweise in Indonesien macht. Wir empfangen Jokowi, um ihn an seine Wahlversprechungen zu erinnern. Wir erinnern ihn daran, dass die Straflosigkeit in Indonesien beendet werden muss und dringend mit der Vergangenheitsaufarbeitung begonnen werden muss. Ferner fordern wir Jokowi dazu auf, dass er Korruption konsequent bekämpft, Menschenrechtsveletzter bestraft und die Unternehmen zur Rechenschaft zieht, die für die Waldbrände verantwortlich sind.

Wir empfangen gemeinsam Jokowi in Berlin am 18.4.2016 von 14.30-17.30 vor dem Hotel Adlon Kempinski, Unter den Linden 77, am Pariser Platz, Berlin. Unser Thema: Schluss mit der Kultur der Straflosigkeit!

Kontakt: Basilisa Dengen mail: dengen@watchindonesia.org, Tel. 030- 698 179 38

https://www.facebook.com/events/1772089966356803

 


 

Pressemitteilung

 

Berlin, 15. April 2016

 

Gegen Straflosigkeit und Willkür im Namen von Staat und Religion!

Wir begrüßen den Besuch des indonesischen Präsidenten Joko Widodo (Jokowi) in Berlin am 18. April 2016. Mit seiner Wahl zum Präsidenten verbanden viele Menschen auch in Deutschland die Hoffnung auf ein neues Kapitel der Demokratisierung Indonesiens. Bessere Regierungsführung, Bekämpfung der Korruption, ein verbessertes Rechtswesen und das Ende der allgegenwärtigen Straflosigkeit waren nur einige der Hoffnungen, die sich auf den neuen Präsidenten richteten.

Im Mittelpunkt des Kurzbesuches in Berlin werden wirtschaftliche Themen stehen, insbesondere in Zusammenhang mit dem Ausbau der Infrastruktur, die der Präsident zurecht als prioritär ansieht. Doch leider scheint auch Jokowi geneigt zu sein, Belange der Menschenrechte sowie des Umwelt- und Klimaschutzes der wirtschaftlichen Entwicklung unterzuordnen. Wie sein einstiger Amtsvorgänger, der als »Vater der Entwicklung« gepriesene Diktator Suharto, scheint auch Jokowi nicht zu erkennen, dass wirtschaftliche Entwicklung nicht der Schlüssel zur Lösung aller Probleme ist, sondern im Gegenteil neue Probleme schaffen kann.

Die indigenen EinwohnerInnen Papuas schreien nach Gerechtigkeit, nicht nach neuen Straßen. Sie fordern einen ehrlichen Diskurs über die Geschichte des Anschlusses ihrer Heimat an den Einheitsstaat Indonesien (NKRI – Negara Kesatuan Republik Indonesia). Sie fordern die juristische Aufarbeitung von zurück liegenden Massakern an der Bevölkerung. Sie fragen sich, warum sie einem Staat die Treue schwören sollen, in welchem sie als Bürger dritter Klasse behandelt werden. Präsident Joko Widodo erklärte, es gebe in Papua nichts zu verbergen. Er versprach die Zugangsbeschränkungen für JournalistInnen aufzuheben – um nur kurze Zeit später von den Sicherheitsbehörden zurückgepfiffen zu werden.

»Präsident Joko Widodo muss seinen Worten Taten folgen lassen und dafür sorgen, dass Journalisten und unabhängige Beobachter ungehinderten Zugang nach Papua erhalten,« fordert Todd Biderman von der Menschenrechtsorganisation tapol.

Kleinbauern und indigene Völker in Sumatra und Kalimantan werden ihres Landes beraubt, kriminalisiert und mitunter gar ermordet. Sie wissen genau, dass sie am makroökonomischen Erfolg der Palmölwirtschaft nicht teilhaben werden. Im Herbst 2015 brannten wieder einmal großflächig die Wälder. Millionen von Menschen in Indonesien und seinen Nachbarländern atmeten über Wochen hinweg gesundheitsschädliche Aerosole ein. Die aus diesen Bränden resultierende Klimabelastung durch Freisetzung von CO2 übertraf die Kohlendioxidemission der USA eines ganzen Jahres.

Die Ursachen der Waldbrände sind offensichtlich: es sollten Flächen geschaffen werden, die von Palmölkonzernen in neue Plantagen umgewandelt werden. Die Regierung Jokowi geht nur zögerlich gegen die Brandstifter vor. Hingegen wird scharfe Kante gezeigt gegen alle, die sich der weiteren Expansion der Palmölwirtschaft entgegen stellen: seien es Frankreich, wo gerade eine besondere Steuer auf Palmöl beschlossen wurde, oder der Oscar-Preisträger Leonardo di Caprio, dem eine Ausweisung wegen Visavergehen angedroht wurde, weil er in sozialen Medien auf die Umweltsituation Indonesiens aufmerksam machte.

»Indonesien erhöht die Biospritquote auf 20% und subventioniert Biotreibstoff massiv. Die Regierung soll diese Politik beerdigen«, erklärt Rettet den Regenwald.

Die Kultur der Straflosigkeit geht zurück auf die bis heute nicht aufgearbeiteten Massenmorde und -verhaftungen im Zuge der Machtergreifung Suhartos 1965/66. Trotz des 1998 erzwungenen Rücktritts des Diktators und der damit einsetzenden Demokratisierung des Landes, ist das unter seiner Herrschaft geprägte Geschichtsbild noch immer dominant. Die militärischen Eliten von damals haben auch unter Jokowi noch größten Einfluss auf die Politik Indonesiens:

  • General a.D. Hendropriyono, mutmaßlicher Verantwortlicher für das Massaker von Talangsari, Lampung, 1989 und mutmaßlicher Drahtzieher des Mordes an dem Menschenrechtsverteidiger Munir 2004 wurde nie vor Gericht gestellt. Er agierte im Präsidentschaftswahlkampf als Leiter des Wahlkampfteams von Jokowi,
  • General a.D. Ryamizard Ryacudu führte unter Präsidentin Megawati Sukarnoputri eine groß angelegte brutale Militäraktion gegen die separatistische Bewegung GAM in der Provinz Aceh. Ryacudu bekleidet im Kabinett Jokowi den Posten des Verteidigungsministers und beflügelte jüngst die Verfolgung von LGBTI (Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuelle) durch sein Statement, LGBTI seien eine neue Form der verdeckten Kriegsführung gegen den Einheitsstaat Indonesien.

Esther Hoffmann von Amnesty International Deutschland sagt: »es ist Zeit, dass Präsident Joko Widodos Regierung sich der Vergangenheit stellt und Maßnahmen ergreift, die den Opfern der Menschenrechtsverletzungen seit 1965 und ihren Angehörigen Wahrheit, Gerechtigkeit und Reparationen zugesteht. Die anhaltende Kultur der Straflosigkeit schafft ein Klima für neuerliche Gewalt.«

»Die Regierung muss die Geschichtslehrbücher den Fakten anpassen und sämtliche rechtlichen Regelungen für nichtig erklären, die die Opfer und ihre Familien diskriminieren,« fordert das International People ’s Tribunal in den Niederlanden.

Es ist in Indonesien ein offenes Geheimnis, dass vermeintlich radikale islamistische Vereinigungen wie die FPI (Front Pembela Islam; Front der Verteidiger des Islam) in Wahrheit käufliche Schlägertrupps sind, die über enge Beziehungen zum Sicherheitsapparat verfügen. Sie werden für politische Zwecke instrumentalisiert und schwimmen dabei auf der fortschreitenden Islamisierung der gesellschaftlichen Mehrheit. Die Regierung Jokowi ist dringend aufgefordert, dem illegalen Treiben dieser Gruppen ein Ende zu setzen und dem Recht Geltung zu verschaffen. Wer über die höchstrichterliche Genehmigung zum Bau einer Kirche verfügt, muss auch eine Kirche bauen dürfen!

Wir verstehen, dass Präsident Jokowi im eigenen Land und sogar im eigenen politischen Lager Gegenwind verspürt. Seine Besuche in Berlin, London, Den Haag und Brüssel wären eine ideale Gelegenheit, sich hier Rückendeckung zu sichern. Dies wird jedoch nur möglich sein, wenn Jokowi klare Signale setzt, den bisherigen nationalistischen Kurs seiner Regierung in Form politischer Abschottung und wirtschaftlichem Protektionismus ein Stück weit zu öffnen. Deutsche Maschinenbauer verspüren wenig Neigung, ihre Produkte auf Kriterien islamischer Reinheit (halal) prüfen zu lassen, die teilweise strenger sind als die Importregeln Saudi-Arabiens.

Wir fordern die Regierungen Deutschlands, Großbritanniens und der Niederlande sowie die Institutionen der EU dazu auf:

  • gegenüber Präsident Joko Widodo unmissverständlich die Achtung grundlegender Menschenrechte, der guten Regierungsführung und rechtsstaatlicher Prinzipien einzufordern,
  • ein Ende der Straflosigkeit zu fordern und großzügige Unterstützung für die Aufarbeitung der belasteten Vergangenheit anzubieten.

Wir fordern Präsident Joko Widodo dazu auf:

  • dem Recht Geltung zu verschaffen und mutmaßliche Täter nicht länger durch Regierungsposten zu decken, sondern der Justiz freien Raum zu gewähren, gegen sie zu ermitteln,
  • dem Recht weiterhin dadurch Geltung zu verschaffen, indem lokalen Verwaltungen angeordnet wird, höchstrichterliche Urteile und Entscheidungen unmittelbar umzusetzen.

Zahlreiche Organisationen in Europa werden den Besuch von Präsident Joko Widodo durch Demonstrationen, öffentliche Statements oder andere geeignete Mittel begleiten.


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