Noch haben Militärs das Sagen
Weser-Kurier, 21. Januar 2005
Indonesien ist eine demokratische Republik – doch im Alltag dominieren oft die Generäle
Von unserem Redakteur Rainer Kabbert
BREMEN. Bremen hilft den Flutopfern in Banda Aceh (Indonesien), Galle (Sri Lanka) und Tamil Nadu (Indien). Die Not der Überlebenden ist oft beschrieben worden. Wie aber sehen Politik und Gesellschaft in den Katastrophenstaaten aus? Parallel zu Veranstaltungen des BIZ (Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung) stellen wir die drei Länder vor. Heute: Indonesien.
Das Inselreich Indonesien ist mit seinen fast zwei Millionen Quadratkilometern ein reiches Land: Holz, Erdgas und Erdöl bieten gute Voraussetzungen für Wohlstand. Der aber kommt nicht bei allen an. „In der Provinz Aceh (Nordsumatra) haben die Separatisten Zulauf bekommen, weil die Einnahmen aus den Rohstoffen in die Hauptstadt Jakarta fließen“, behauptet Alex Flor, Geschäftsführer des Berliner Vereins „Watch Indonesia!“.
Auch das Militär sahnt nach Beobachtungen von Flor ab. Es finanziert sich zu 70 Prozent aus eigenen Einnahmen, also kaum aus dem Staatshaushalt. Militärs betreiben eine Fluglinie, sind im Holzhandel aktiv, tummeln sich aber auch auf illegalem Terrain: Waffenhandel, Prostitution und Erpressung von Schutzgeldern gehören ebenso zu ihren lukrativen Geschäftsfeldern.
Ohne die Militärs geht nichts. Parallel zu jedem Posten der Zivilverwaltung in Indonesien existiert ein militärischer Counterpart: Der wacht darüber, weiß Flor, dass keine Entscheidung getroffen wird, die den Interessen der Militärs zuwiderläuft. So holen sich die Parteien die Offiziere auch gerne in ihre Gremien, um an Einfluss zu gewinnen.
Formal ist Indonesien eine Republik, in der nach Überwindung der Suharto-Diktatur im Jahr 1998 demokratische Rechte gelten. Studentendemonstrationen in Jakarta sind ohne Risiko möglich, die Presse wird als die freieste in Südostasien gerühmt.
Opposition kann dennoch zur Gefahr werden. Flor zählt Fälle auf, in denen Menschen ihr Engagement mit dem Leben bezahlten. Etwa der Menschenrechtler Munir, der im vergangenen Herbst auf dem Flug nach Amsterdam vergiftet worden ist. In den vergangenen Jahren sind aber auch kritisch eingestellte Generäle, Richter und Generalstaatsanwälte auf mysteriöse Weise umgekommen.
In seinem Jahresbericht 2004 berichtet die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international von einer sich verschlechternden Menschenrechtslage in Indonesien: Illegale Hinrichtungen, willkürliche Verhaftungen, Folterungen und Zerstörungen von privatem Besitz sind vor allem in den Teilen des Landes keine Seltenheit, in denen Unabhängigkeitsbewegungen entstanden sind. Etwa in Aceh und Papua.
Das Auswärtige Amt mahnt Touristen denn auch zur Vorsicht und warnt insbesondere vor Reisen in die Provinz Aceh, in der sich islamistische Rebellen und das Militär einen heftigen Krieg liefern, der durch die Flutkatastrophe vorerst gestoppt ist. Ein Deutscher ist hier militärischen Operationen bereits zum Opfer gefallen.
Die ungerechte Ausbeutung der Rohstoffe in Indonesien fördert Guerillabewegungen, hat aber nach Ansicht von Flor („Watch Indonesia!“) auch fatale ökologische Folgen. Der Hunger der Industriestaaten nach exotischen Hölzern dezimiert den tropischen Regenwald, ohne dass tragfähige Industrien zur Weiterverarbeitung aufgebaut würden. Statt Möbel oder Hefte zu produzieren, wird gerade mal Holz und Papier exportiert: Folge auch der Auflagen des Internationalen Währungsfonds, der eine schnelle Tilgung der Kredite durch Ausbeutung der Rohstoffe forderte, meint Flor.
Die Bundesregierung spielt dabei seiner Ansicht nach eine unrühmliche Rolle: Unermüdlich schreibe sie weltweiten Umweltschutz auf ihre Fahne, doch gleichzeitig fördere sie mit ihren Hermes-Bürgschaften auch die extreme Abholzung der Regenwälder. Von Nachhaltigkeit keine Spur. <>