Islamistische Großdemo: Wahlkampf in Jakarta
Watch Indonesia! – Information und Analyse, 04. November 2016
von Alex Flor
Tausende von Islamisten mobilisieren ihre Anhängerschaft aus allen Teilen Indonesiens um heute in der indonesischen Hauptstadt Jakarta auf die Straße zu gehen. Ihr Anliegen ist es, zu verhindern, dass der amtierende Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama, besser bekannt unter seinem Spitznahmen »Ahok«, bei den im Februar 2017 anstehenden Wahlen in seinem Amt bestätigt wird. Sicherheitskräfte mobilisieren Eliteeinheiten des Militärs.
»Ahok« stammt nicht aus Jakarta. Er ist chinesischer Abstammung und bekennt sich offiziell zum zum Christentum. Darf so jemand in einem mehrheitlich islamisch geprägten Staat ein hohes Regierungsamt wie das eines Gouverneurs bekleiden?
»Ahok« wurde nicht in dieses Amt gewählt. Als Vize des zum Gouverneur gewählten Joko Widodo alias »Jokowi« übernahm er dessen Position, nachdem »Jokowi« 2014 zum Staatspräsidenten gewählt wurde. Es war die Wunschlösung vieler fortschrittlicher Kräfte Indonesiens: »Jokowi« als Präsident und »Ahok« als Gouverneur von Jakarta! Beide waren und sind für ihre Prinzipientreue und ihren Mut zum Durchgreifen gegen Korruption und die Trägheit der Bürokratie äußerst beliebt.
Weder der harte, menschenrechtsverachtende Kurs des Präsidenten »Jokowi« bezüglich des Vollzugs von Todesurteilen gegen mutmaßliche Drogenkuriere, noch die juristisch umstrittene gewaltsame Räumung von Armenvierteln in Jakarta durch Gouverneur »Ahok« stießen auf größere Kritik in den Reihen ihrer Anhängerschaft.
Aber auch die Opposition aus Islamisten und anderen Hardlinern hat alles andere als genau diese Kritikpunkte im Visier. Ihnen geht es nicht um Themen und Inhalte, sondern alleine um die Tatsache, dass »Ahok« ethnischer Chinese und Christ ist – für Hardliner des Islam nicht akzeptabel.
Beleidigung des Islam
Inhaltlich würde eine übergroße Mehrheit dieser Klientel die Regierungspolitik in Sachen Todesstrafe und vielen anderen Entscheidungen auf nationaler und kommunaler Ebene durchaus unterstützen. Aber nicht, wenn »Ungläubige« das Ruder führen!
Die massive Kampagne gegen »Ahok« basiert einzig und alleine auf seiner ethnischen und religiösen Zugehörigkeit. Als Anlass dient eine vermeintlich den Islam beleidigenden Äußerung »Ahoks« vor einigen Wochen auf den »Tausend Inseln«, einem zum Stadtgebiet Jakartas zählenden Archipel. Er zitierte Koransure 5 Vers 51: »O die ihr glaubt, nehmt nicht die Juden und die Christen zu Schutzherren! Sie sind einer des anderen Schutzherren. Und wer von euch sie zu Schutzherren nimmt, der gehört zu ihnen. Gewiß, Allah leitet das ungerechte Volk nicht recht.« Und er fügte vielleicht ein wenig zu flapsig hinzu: wer sich von dummen Rassisten, die sich auf diesen Vers beziehen, davon abgehalten sehe ihn zu wählen, möge ihn halt einfach nicht wählen.
»Ahok« spielte damit auf die allzu wörtliche Auslegung des Koran an. Auch viele gläubige Muslime sind der Auffassung, dass einzelne Verse des Koran nicht außerhalb ihres jeweiligen Kontextes zu verstehen sind. Tatsache ist, dass sich die Gefolgschaft des Propheten Mohammed seinerzeit in einem Krieg befand. In diesem Kontext gelesen steht Sure 5:51 für nichts anderes als eine fast schon selbstverständliche Ermahnung, nicht zum Feind überzulaufen. Doch die Herren mit den weiten Gewändern und langen Bärten, die beim Lesen des Korans so eng am Wortlaut der Schrift kleben, geben sich beim Lesen von »Ahoks« Äußerungen weitaus weniger Mühe. Die Kombination aus einem Koranzitat mit dem Wort »dumm« wurde schnell zu einer Beleidigung der Religion aufgebauscht und dient nun zum Anlass für die heutige Großdemo gegen »Ahok«. Der hatte sich längst für seine missverständliche Äußerung öffentlich entschuldigt und sich der Polizei gestellt, um den Verdacht einer strafbaren Religionsverunglimpfung zu entkräften. Aber was nützt das in modernen Wahlkämpfen, von den USA bis nach Jakarta, in denen nur nach schmutziger Wäsche gesucht wird?
Haben »Ahoks« Gegner aus dem letzten Wahlkampf um das Gouverneursamt in der Hauptstadt Jakarta nichts gelernt? Damals kandidierte »Jokowi« mit »Ahok« als seinem Vize gegen Amtsinhaber Fauzi Bowo, einem eingeborenen Betawi (indigener Stamm aus dem Gebiet der heutigen Hauptstadt Jakarta) und Muslim. Letzterer bestritt seine Kampagne mit ähnlich unsachlichen Argumenten wie die Tausenden von Leuten, die heute auf die Straße gehen werden. In Opposition zu seinem aus Java stammenden Widersacher »Jokowi« und dem aus Bangka-Belitung stammenden »Ahok« appellierte er an die Wählerinnen und Wähler »einen von ihnen« zu wählen – einen Betawi!
Eigentor und Sprungbrett nach Deutschland
Viele Wahlberechtigte in Jakarta folgten damals tatsächlich der Logik »einen von ihnen« zu wählen – mehrheitlich selbst aus Java stammend gaben sie folglich ihre Stimme dem Kandidaten aus Java. Gouverneur Fauzi Bowo hatte offenbar die Kenntnis über die Einwohnerstatistiken seiner Stadt wie auch das Gefühl für die Befindlichkeiten der BürgerInnen Jakartas längst verloren. Er verlor die Wahl und bekam als Trostpreis die Berufung zum Botschafter der Republik Indonesien in Deutschland.
Fauzi Bowos Amtszeit endet in Kürze. Wird als sein Nachfolger erneut ein gescheiterter Kandidat um das Amt des Gouverneurs von Jakarta ernannt werden?
Militäreinsatz bei Demonstrationen
35.000 Menschen werden zur heutigen Demo erwartet. Demoaufrufe kamen sogar aus Syrien, wo sich die mittlerweile verfeindeten Organisationen IS und Al Qaida in seltener Einigkeit um die Zukunft Jakartas sorgen. Indonesische Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass ein Teil der Demonstrationsteilnehmer auf Krawall gebürstet ist. Dem wollen die Behörden mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften entgegentreten. Nicht weniger als 7.000 Polizisten sind für den Einsatz abgestellt. Ihnen zur Seite stehen sollen rund 500 Militärs, die sich zumindest teilweise aus Eliteeinheiten rekrutieren werden, wie der Sprecher der Streitkräfte, Brigadegeneral Wuryanto, bekannt gab.
Die Lage mag durchaus ernst sein. Aber auf welcher Gesetzesgrundlage haben sich Eliteeinheiten des Militärs an der Kontrolle von Demonstrationen zu beteiligen? Kann eine solche »show of force« möglicherweise nicht sogar als Zeichen der Stärke der Islamisten gedeutet werden: schaut mal wie ernst wir genommen werden!
Nicht zuletzt darf dieser Einsatz des Militärs in Angelegenheiten der inneren Sicherheit als ein Zeichen des Scheiterns ehemaliger deutscher und internationaler Bemühungen um eine Sicherheitssektorreform Indonesiens gewertet werden. Diese war darauf ausgerichtet, zwischen Bedrohungen der Sicherheit von außen (Zuständigkeit des Militärs) und von innen (Zuständigkeit der Polizei) zu unterscheiden. Diese Ansätze und Projekte aus der Zeit unmittelbar nach Ende der Diktatur Suharto sind längst Makulatur. Das indonesische Militär ist längst wiedererstarkt und gibt mit jeder Silbe zu verstehen, dass man auf gute Ratschläge des Auslands gerne verzichte. Die Bundesregierung hat verstanden. In großem Stil werden seit Jahren wieder Waffengeschäfte mit Indonesien abgewickelt.
Einfluss auf den Wahlausgang
»Jokowi« gewann die letzten Gouverneurswahlen freilich nicht in erster Linie aufgrund seiner javanischen Herkunft. Inhaltliche Gründe und begründete Hoffnung auf Veränderung spielten bei der Wahlentscheidung sehr wohl eine Rolle. So wird es aller Voraussicht nach auch diesmal sein. Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich die Wählerinnen und Wähler in Jakarta in ihrer Entscheidung von Islamisten beeinflussen lassen und gegen den durchaus populären Amtsinhaber »Ahok« stimmen werden. Dazu ist Jakarta längst zu international, zu modern, zu aufgeklärt, bzw. nach Lesart der Islamisten: an den Satan verfallen.
Auch die Hardliner sind sich wohl darüber im Klaren, dass sie in Jakarta kaum Schnitte machen werden. Aber darum geht es vielleicht auch gar nicht. Jakarta mag man verloren geben, um die Stadt dann in den Provinzen umso mehr als ein »verkommenes Sündenbabel« darstellen zu können. »Lasst es in eurer Stadt oder Provinz nicht soweit kommen!«, lautet die versteckte Botschaft an alle mehrheitlich islamischen Regionen Indonesiens. Und dort – in Padang, in Makassar, in Bandung usw. – wird diese Polemik zweifelsohne auf fruchtbaren Boden fallen.
Wir erleben es zurzeit in Deutschland: wie oft werden in der Presse die Berliner »Brennpunkte« Nord-Neukölln, Rütli-Schule oder Kottbusser Tor und Görlitzer Park in Kreuzberg als Synonyme für die Auswüchse von – je nach Sprachwahl »Multikulti« oder »Überfremdung« – dargestellt. »Ach Sie Armer müssen in Berlin leben,« hört man in Dresden.
Wie passt das zusammen mit den letzten Wahlergebnissen in Berlin? Die Partei, die am lautesten gegen die dortigen Zustände anwetterte, die rechtspopulistische, ausländer- und islamfeindliche AfD, hat insgesamt ein (viel zu) gutes Ergebnis erzielt. Aber ausgerechnet in den Wahlbezirken rund um die o.g. »Problemzonen« hatte sie teilweise Probleme auf 5% der Stimmen zu kommen.
Die großen Erfolge erreichte die AfD in den Berliner Außenbezirken, wo der Ausländeranteil am geringsten ist. Bundesweit sieht es nicht anders aus. Die wehrhaften Brandenburger haben ja eigentlich nichts gegen den Islam. Aber zu viel ist halt zu viel. Dass in diesem ach so christlich-abendländischen Bundesland, wo die meisten Menschen Atheisten oder Karteileichen in der Kirchengemeinde sind, nun ÜBERALL Moscheen gebaut werden ist halt einfach zu viel.
Tatsächlich sind Muslime in Brandenburg auch nach der jüngsten Einwanderungswelle eine verschwindende Minderheit. Genaue Zahlen sind schwer zu finden. Die Anzahl von Moscheen lässt sich dagegen leichter zählen: es gibt genau eine in Potsdam. Wer allerdings im Internet nach Moscheen in Potsdam sucht, wird zunächst auf ein Gebäude im Stil einer Moschee mitsamt »kulturfremdem« Minarett stoßen, das dort seit halben Ewigkeiten steht: das von Persius erbaute Pumpwerk für die Fontänen von Schloss Sanssouci.
Diese Erkenntnisse lassen sich leider fast 1:1 auf Indonesien übertragen: abseits der Gegenden, wo unterschiedliche Kulturen und Religionen tatsächlich aufeinandertreffen, sind die gegenseitigen Vorurteile und Anfeindungen am größten. Und der Versuch aus Unkenntnis, Naivität, Zukunftsängsten und Vorurteilen politisches Kapital zu schlagen ist – egal wo auf der Welt – armselig. Aber leider fast überall erfolgreich.
Vordergründig verfeindete Lager wie die Islamhasser um den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, die AfD und Pegida in Deutschland und die islamistischen Kräfte in Indonesien und anderen Ländern wissen gar nicht, wie nah sie sich in Wirklichkeit sind.
Die heutige Großdemo wird den voraussichtlichen Wahlsieg »Ahoks« im Februar nicht ernsthaft gefährden. Für das friedliche Zusammenleben der Religionen, die Wahrung der Rechte von Minderheiten und eine auf persönlichen Freiheitsrechten basierende demokratische Zukunft ganz Indonesiens stellt diese Massendemonstration jedoch einen weiteren Sargnagel dar.
Bleibt nur zu hoffen, dass es heute wenigstens halbwegs friedlich bleibt.
Dumm und arm ist nicht schlimm – Dumm und Reich ist gefaehrlich .
Fahrverbote fuer Frauen, etc. zeugen von Dummheit. Wann besinnen sich Voelker auf ihre eigene Kultur und verzichten auf die Adaption einer Kultur reicher Dummkoepfe aus Saudi-Arabien?