Konflikt fördernd: Palmöl aus West-Papua
In die Welt für die Welt. Magazin der Vereinten Evangelischen Mission 3/2008; Mai 2008
„Ihr habt kein Recht, uns unser Land wegzunehmen!“
von Marianne Klute
Alberth Moyouend zeigt auf ein großes Rechteck auf der Karte. „Hier sollen die Plantagen mit Ölpalmen entstehen. Mehr als eine Million Hektar!“ Alberth ist der Vorsitzende der Indigenen-Vereinigung im Distrikt Merauke in Papua, im östlichsten Zipfel von Indonesien, an der Grenze zum Nachbarstaat Papua-Neuguinea. West-Papua gehört erst seit 1969 zu Indonesien. Damals ließ Indonesien einige ausgewählte Stammesführer über die Integration in den Einheitsstaat entscheiden. Alle stimmten – unter Zwang – mit „Ja“. Seither herrscht Indonesien mit harter Hand in West-Papua.
In diesem entlegenen Teil des indonesischen Archipels, acht Stunden Flug von der Hauptstadt Jakarta entfernt, kaufen zurzeit Palmölkonzerne in großem Stil Land auf. Ihre Pläne beunruhigen Alberth: „Nicht nur hier im Süden , sondern auch im Norden und Westen will die Regierung Ölpalmplantagen anlegen lassen, insgesamt auf fünf Millionen Hektar.“
Nachfrage nach Palmöl steigt
Die Nachfrage nach Palmöl ist seit zwei Jahren stark gestiegen, da die Industriestaaten sich zum Ziel gesetzt haben, einen Teil ihres Energie- und Treibstoffbedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken. Dazu gehören auch Pflanzenöle für Blockheizkraftwerke und „Bio“diesel.
Schon heute ist Indonesien Weltführer der Palmölproduktion. Ausgedehnte Monokulturen bestimmen das Bild Sumatras und Borneos. Hier stand Urwald, hier lebten Menschen. Indonesien plant, zu den sieben Millionen Hektar vorhandenen Plantagen nun weitere zwanzig Millionen Hektar zu erschließen. Jetzt geben sich sogar im entlegenen Papua die Investoren die Klinke in die Hand, um das notwendige Land zu erwerben.
Auf dem Papier scheint Papua über genug Land zu verfügen, auf dem für unseren hohen Energiebedarf Palmöl produziert werden soll. Auf den 400.000 km2 leben nur 2,5 Millionen Menschen. Die Hälfte davon sind Fremde aus anderen Teilen Indonesiens. Mit dem staatlichen Transmigrasi-Programm sind arme Bauern aus Java nach Papua umgesiedelt worden, haben den Urwald gerodet und, oft vergeblich, Felder angelegt. Fremde Nicht-Papua bestimmen Verwaltung und Handel. Papua ist der „wilde Westen“ Indonesiens und hat für den Staat enorme wirtschaftliche Bedeutung, denn es ist reich an Gold, Kupfer und anderen Mineralien, an Öl, Gas und Holz. Die weltgrößte Gold- und Kupfermine des amerikanischen Konzern Freeport-McMoran ist Indonesiens wichtigster Steuerzahler.
Von den hohen Gewinnen spüren die Papua kaum etwas. Nirgendwo sonst in Indonesien hat die Bevölkerung so schlechten Zugang zu Schulen und Ärzten. Nirgendwo sonst herrscht so viel Angst und Gewalt, denn die Armee sichert die Ausbeutung der Ressourcen. Im Gebiet der Freeport-Mine sind permanent 1000 Soldaten stationiert, die den Goldabbau vor den von ihrem Land vertriebenen Einheimischen „schützen“. Militär findet sich bis ins letzte Dorf, nicht nur bei den für den Staat vitalen Großindustrien. Alberth erzählt nicht, dass die Militärs in seinem Heimatort regelmäßig „Gebühren“ einziehen. Die Dorfbevölkerung, die nur von Subsistenzlandwirtschaft und der Jagd lebt, weiß sich nicht anders zu helfen, als selbst zur Kettensäge zu greifen.
Im Vergleich mit den anderen Inseln Indonesiens besitzt Papua noch viel Wald. Doch der Kahlschlag hat hier seinen Tribut gefordert, besonders seit dem Jahr 2000 wird massiv abgeholzt. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, hat Papua in zwölf Jahren keinen Tieflandregenwald mehr. Täglich stechen Schiffe in Richtung China in See, beladen mit Merbau-Holz. Allein in der südchinesischen Provinz Hainan sind seit dem Jahr 2000 mehr als fünfhundert neue Holz verarbeitende Fabriken aus dem Boden gestampft worden. Hier wird das Merbau für den Weltmarkt zu Parkettböden und Gartenmöbeln verarbeitet. Internationale Konzerne, lokale Politiker und Militärs – alle sind in das Geschäft verwickelt.
Gewalt ist Alltag in West-Papua
„Wir wissen, dass die Plantagenfirmen nur den Wald vernichten. Dann bleibt uns nichts mehr“, sagt Alberth. Alberth hat Recht. Ein Trick der Holzmafia besteht darin, sich eine Plantagenkonzession zu verschaffen. Nur ein Bruchteil davon ist bisher tatsächlich bepflanzt worden. Noch gibt es wenige Plantagen auf Papua, und die Erfahrungen mit ihnen sind schlecht: Weil der Wald weg ist, kommt es häufig zu Überschwemmungen und Erdrutschen. Weil die Artenvielfalt durch Herbizide und Dünger zerstört ist, leiden viele Papua unter Mangelkrankheiten und Hunger.
Die Palmölindustrie versucht, über die Kirchen Zustimmung zu den Megaprojekten zu erhalten, indem sie verspricht, Schulen und Straßen zu bauen und einheimische Papua einzustellen. Genau das würde sich der Bischof wünschen. Pater Kees aus Boven Digul, wo ebenfalls eine Megaplantage entstehen soll, sieht diese Annäherungsversuche mit großer Sorge, denn die Papua könnten weiter an den Rand gedrängt werden. „Agroindustrie in großem Stil könnte all unsere Bemühungen um Frieden noch weiter gefährden“, heißt es in Kirchenkreisen.
„Ich sage den Unternehmen und der Regierung: ihr habt kein Recht, uns unser Land wegzunehmen!“, sagt Albert entschlossen. Das erfordert Mut, denn in West-Papua ist Gewalt Alltag. Mitte 2007 lauerten ihm zwei Schläger auf, nachdem Alberth in seinem Distrikt Protest gegen die Abholzungsvorhaben eingelegt hatte. Alberth ist wütend, dass die Verträge ohne Beteiligung der betroffenen Menschen abgeschlossen werden. Diese haben keine Ahnung, was auf sie zukommt. Er befürchtet, dass noch mehr Papua im Elend von AIDS und Alkoholismus enden werden.
Wer den Verlust der Lebensgrundlagen vermeiden kann, ist trotzdem nicht vor Verachtung und Rassismus geschützt. Das musste Rudi Pagawak erfahren, Arbeiter auf einer Ölpalmplantage bei der Hauptstadt Jayapura. In der Abenddämmerung des 1. November 2007 eilte er zum Telefonkiosk auf der Plantage des Konzerns Sinar Mas und versäumte, die dort stationierten Soldaten zu grüßen. Einer der Soldaten schlug Rudi zu Boden. Dann tauchte er ihn in ein Wasserbassin. Drei Stunden später war Rudi, erst 23 Jahre alt, tot. <>