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Neues Deutschland, 24. November 1994

Städtepartnerschaften des Berliner Senats weiter in der Kritik

von DIETER REINHARDT

Es kommt nicht alle Tage vor, daß im Roten Rathaus, dem Arbeitsplatz von Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen, ein Vertreter der Senatskanzlei mit Menschenrechtsorganisationen über die internationalen Beziehungen der Stadt diskutiert. Anfang dieser Woche hatten »amnesty international« (ai). »terre des hommes« und »Watch Indonesia!« zu einer Diskussionsveranstaltung über die umstrittenen Städtepartnerschaften mit Peking und Djakarta geladen. Aus Indonesien legte der Menschenrechtler Indro Tjahono Zeugnis ab.

Neues-DeutschlandAuf die Frage, warum Berlin gerade mit den Hauptstädten zweier Länder in denen systematisch Menschenrechte verletzt werden, Partnerschaften eingegangen sei, konnte der Leiter des Referats für internationale Beziehungen in der Senatskanzlei, Herr Fanselau, nur darauf verweisen, daß zum einen diese Städte ihr Anliegen an Berlin »herangetragen« hätten, und zum anderen, daß »selbstverständlich wirtschaftliche Interessen sich mit der Partnerschaft verbinden«. Und die sind nicht, von Pappe. Diese Woche unterbreitete die Essener Firma Ferrostaal zusammen mit AEG/Siemens Indonesien einen 1,3 Mrd. Dollar schweren Vorschlag für den Bau einer U-Bahn in Djakarta.

Bei der laufenden Bonner Lieferung von 39 ehemaligen Kriegsschiffen nach Indonesien führt Ferrostaal die Re­novierung der Schiffe für über 300 Mio. DM durch und ist verantwortlich für die Ausbildung von 1200 indonesischen Marinesoldaten auf dem Marinestützpunkt in Neustadt an der Ostsee. Siemens baut für über 100 Mio. DM hochwertige Navigationselektronik in die Schiffe ein. Auf diesem Hinter­grund kann eine Städtepart­nerschaft zumindest für eine angenehme Atmosphäre bei den Verhandlungen sorgen.

Der indonesische Menschenrechtler Indro Tjahjono, der sich auf einer von der Kampagne des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) gegen Rüstungsexporte in Bremen organisierten Rundreise in Deutschland befindet, sprach sich vehement gegen den Export von Waffen in sein Heimatland aus. So dienten die 39 Kriegsschiffe auch dem Truppentransport in Krisengebiete wie Osttimor. Die Stadtplanung in Djakarta bezeichnete Tjahjono als »anarchisch«, das sie von der Willkür des Militärs geprägt sei.

ai-Vortreter Peter Lange bat Herrn Fanselau zu erwägen, bei sich abzeichnenden innenpolitischen Krisen in Indone­sien einen Menschenrechtsbeobachter nach Djakarta zu schicken. Der Vertreter von terres des hommes forderte den Senat auf, ein Besuchs-Programm für indonesische Menschenrechtsgruppen zu organisieren. Und der Vertreter von Watch Indonesia!, Alex Flor, schlug vor, ein städtisches Dokumentationszentrum für Menschenrechtsverletzungen in China und Indonesien einzurichten.

Herr Fanselau berichtete, daß er bereits an das Goethe-Institut in Djakarta herangetreten sei mit der Bitte, ihm Vorschläge über die zukünftige Gestaltung der Partnerschaft zu unterbreiten. Zu hoffen bleibt, daß der dabei angestrebte »künstlerische Aus­tausch“ nicht auf einem Niveau stagniert, wie in dem Memorandum der Berlin-Peking-Partnerschaft festgehalten wird: »Um die Bürger Berlins mit der chinesischen Gartenbaukunst vertraut zu machen, ist angestrebt, einen chinesi­schen Garten zu errichten.


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