Tausende Tote auf Sumatra befürchtet
Süddeutsche Zeitung, 01. Oktober 2009
Indonesien: Verheerendes Erdbeben
Bilder des Grauens im Paradies: Auf der indonesischen Insel Sumatra sind nach einem schweren Erdbeben mindestens 75 Menschen ums Leben gekommen. Tausende Opfer werden unter den Trümmern vermutet. Rettungskräfte sind verzweifelt: „Wir brauchen dringend Hilfe.“
Sumatra, Erdbeben, Reuters
Es sind Bilder des Grauens. Eingestürzte Gebäude, bergeweise Schutt, das Bein eines Menschen ragt unter den Trümmern hervor. Die indonesische Zeitung Jakarta Globe zeigt am Mittwochabend Fotoaufnahmen, die erahnen lassen, welcher Horror das Inselparadies heimgesucht hat: Ein schweres Beben erschütterte das indonesische Sumatra. Am schlimmsten betroffen ist Padang, die Hauptstadt West-Sumatras.
Eigentlich ein paradisches Eiland, nun ein Ort von Horror und Schrecken. Die Lage ist zunächst vollkommen unübersichtlich, das ganze Ausmaß am Mittwochabend noch keineswegs überschaubar. Berichte dringen nur sehr spärlich aus der Region, das Telefonnetz ist ganz zusammengebrochen.
Der Bürgermeister Padangs spricht von mindestens 75 Menschen, die in der Katastrophe den Tod gefunden haben sollen. Die Zahl der eingestürzten Gebäude soll in den Hunderten, vielleicht sogar in den Tausenden liegen. Unter den zerstörten Bauten sollen sich auch mehrere Hotels und Krankenhäuser befinden. Es könnten Tausende Menschen sein, die unter den eingestürzten Betonmassen noch eingeschlossen sind – zumindest rechnen die Behörden damit.
Viele Brücken und Gebäude stürzten ein, an etlichen Orten brachen Feuer aus. „Es ist noch keine Hilfe eingetroffen“, sagte ein Vertreter der indonesischen Gesundheitsbehörde dem Jakarta Globe, kurz bevor die Telefonverbindung zusammenbrach. Er könne Dutzende kollabierte Häuser sehen, die Menschen stünden in Panik auf der Straße.
Die Wohnungen die noch nicht zerstört seien, seien leer, berichtete der Mann verzweifelt. Denn die Einwohner seien auf die Straße geflüchtet, sie hätten große Angst vor weiteren Beben, berichtete der Regierungsvertreter. „Ich kann kleine Kinder erkennen, die Decken tragen. Manche Menschen suchen Verwandte, aber alle Lichter sind ausgefallen“, berichtete er der Zeitung.
Am Flughafen von Padang stürzten nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP große Teile der Ankunftshalle ein. Am Maninjau-See im Landesinneren löste das Erdbeben einen Erdrutsch aus, wie ein Augenzeuge dem Fernsehsender TVOne berichtete. „Brücken sind kollabiert, Telefonmasten zusammengebrochen, Hunderte Häuser brennen, Menschen sind verschüttet“, sagte der Arzt Ridwan Gustiana dem Hilfswerk Action Medeor nach AFP-Angaben. „Wir brauchen dringend Hilfe: Verbandsmaterial, Schmerzmittel und Antibiotika.“
Die Organisation hat nach eigener Darstellung bereits 28 große Notfall-Pakete mit Arzneimitteln und medizinischen Geräten für die Menschen auf Sumatra gepackt. Die Hilfsorganisation World Vision gab bekannt, sie werde am Donnerstagmorgen ein Katastrophenteam in die betroffene Krisenegion fliegen.
Das Erdbeben erreichte gegen 12.15Uhr eine Stärke von 7,6 und war sogar im 440 Kilometer entfernten Singapur und in Kuala Lumpur zu spüren, wo Firmen ihre Angestellten in Hochhäusern aufforderten, sofort aus den Büros zu fliehen. 22 Minuten später gab es noch ein heftiges Nachbeben der Stärke 6,2. Das Zentrum der Erschütterung lag vor der Westküste der indonesischen Insel, etwa 45 Kilometer nordwestlich von Padang. In der Region hatte Weihnachten 2004 ein schweres Seebeben eine Flutwelle ausgelöst – 230.000 Menschen starben damals.
In Südostasien lebt man in ständiger Angst vor Erdbeben, Tsunamis, aber auch vor Überflutungen und Stürmen. „Es gibt nur ein positives Element dieser Katastrophe – in Padang hat es keinen Tsunami gegeben, das wäre der Supergau gewesen“, sagt Alex Flor von der Menschenrechtsorganisation Indonisia Watch, die ihren Sitz in Deutschland hat. Zudem habe er die Hoffnung, dass die Menschen sich in dieser desaströsen Lage wie bei früheren Beben zur Seite stünden. „Die Leute in Indonesien rücken in solchen Situationen zusammen“, sagte Flor. Nach einer ähnlich heftigen Katastrophe vor drei Jahren habe er erlebt, wie die Regierung lange Zeit gebraucht habe, den Hilfsapparat in Gang zu setzen. Doch das habe die Menschen in Indonesien nicht resignieren lassen. „Die Eigeninitiative der Leute war damals beeindruckend“, sagte Flor. <>