Information und Analyse

Arbeitslose Intellektuelle stören Indonesiens Wirtschaft

Watch Indonesia! Information und Analyse, 13. Juni 2017

von Alex Flor und Yvonne Kunz

Enggartiasto Lukita, der indonesische Handelsminister, war außer sich: „Die EU muss den Beweis erbringen, dass Palmöl gesundheitsschädlich ist!“ (1) Die Äußerung des Ministers war nur eine unter vielen Reaktionen auf eine Resolution des Europaparlaments vom 4. April 2017. (2)

Indonesien reagiert nervös

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Trockenlegung von Mooren für Palmöl

Foto: Feri Irawan

Die sehr ausführlich begründete Resolution fordert die EU-Kommission dazu auf, den Import von Palmöl völlig neu zu reglementieren. Als Argumente nannte das Parlament die durch Palmölpflanzungen fortschreitende Entwaldung und die damit verbundenen Klimaauswirkungen, den Verlust von Biodiversität sowie einige soziale Kriterien wie Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Landraub und die Verletzung der Rechte von indigenen Gemeinschaften.

Unter anderem nannte das Parlament, „dass im Jahr 2015 in Indonesien und auf Borneo die schlimmsten Großflächenbrände seit nahezu zwei Jahrzehnten wüteten, die auf den globalen Klimawandel, Landnutzungsänderungen und Entwaldung zurückzuführen waren“. 54% dieser Brände treten auf Konzessionsflächen von Palmölfirmen auf, oft eine geplante Brandrodung um alte Bestände von Ölpalmen durch neue zu ersetzen oder aber auch um neue Flächen zu erschließen. (3)

Das Parlament stellt „mit Besorgnis fest, dass 46 % des gesamten von der EU eingeführten Palmöls zur Herstellung von Biokraftstoffen verwendet wird, wofür die Nutzung einer Fläche von etwa einer Million Hektar in den Tropen erforderlich ist,“ und forderte „die Kommission auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit nach Möglichkeit bis 2020 Palmöl und andere Pflanzenöle, die einer Entwaldung Vorschub leisten, nicht mehr als Bestandteil von Biokraftstoffen verwendet werden“. (4)

Allem Anschein nach hielt es Handelsminister Enggartiasto Lukita nicht für nötig, sich mit Text und Inhalt der Resolution auseinanderzusetzen. Denn dann hätte ihm auffallen müssen, dass die mutmaßliche Gesundheitsschädlichkeit von Palmöl in Lebensmitteln in der Resolution des Europaparlaments mit keiner Silbe Erwähnung fand. Zutreffend oder nicht spielt diese Sorge tatsächlich auch keinerlei Rolle, solange es nicht um den Verzehr, sondern um die Verbrennung von Palmöl zum Zwecke der Energiegewinnung geht.

Im Einvernehmen mit anderen Sprechern der indonesischen Regierung, interpretierte der Minister die Haltung des Europaparlaments als Verletzung des freien Handels und somit als Auftakt eines Handelskriegs: „Wenn Sie den freien Handel sichern wollen, dann sollten solche Dinge vermieden werden oder das ganze wird sich zu einem Handelskrieg entwickeln.“ Damit nicht genug, erklärte der Minister, im Gegenzug möglicherweise keine Flugzeuge der Marke Airbus mehr kaufen zu wollen: „Als ich meinen EU-Kollegen traf, sagte ich ihm, ich werde mit meinen Kabinettskollegen sprechen, um einen Plan auf den Weg zu bringen keine Flugzeuge von Airbus mehr zu kaufen, denn auch diese beherbergen ein Risiko Hautkrebs zu verursachen.” Der Minister aus Italien dürfte die Drohung leicht verschmerzt haben. Sein Land hält weder Anteile, noch verfügt es über Produktionsanlagen von Airbus. Wie die Vorstandsetagen der expandierenden Billigfluglinien Indonesiens auf den Vorstoß reagierten, ist bislang nicht überliefert. Die Einschränkung auf die amerikanische Boeing als einzig ernst zu nehmende Konkurrentin von Airbus dürfte dort auf wenig Gefallen stoßen.

In dieselbe Kerbe wie Minister Enggartiasto schlug auch Indonesiens Vizepräsident Jusuf Kalla: „Es sei eine Frage der Handelskonkurrenz.” Doch dafür würden Umweltaspekte vorgeschoben, sagte der Vizepräsident laut Enggartiasto Lukita, der Kalla zu einem Termin mit dem italienischen Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Carlo Calenda, in Jakarta begleitete. (5)

NGOs zeigen Wirkung

Seit vielen Jahren versuchen Nichtregierungsorganisationen (NGO) in verschiedenen europäischen Ländern bezüglich der Palmölproblematik in Brüssel und Straßburg Einfluss auf das Parlament und die Kommission der EU zu nehmen.

Die am 4. April vom Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit von 640 Stimmen bei nur 18 Gegenstimmen und 28 Enthaltungen verabschiedete Resolution darf als ein durchschlagender Erfolg dieser kontinuierlichen Lobby- und Informationsarbeit seitens der NGOs gewertet werden.

Wenngleich das Votum des Parlaments nicht bindend ist, sollte sich die Kommission doch immerhin damit schwer tun, in diesen Zeiten ihrer Legitimationskrise, eine mit solch klarer Mehrheit verabschiedete Resolution einfach zu ignorieren. Es wäre kein gutes Zeichen für die Zukunft der EU.

Nachhaltiges Palmöl

Indonesische und internationale NGOs stellten seit langem in Frage, ob es – über die Produkte von ein paar wenigen kleinbäuerlichen Betrieben hinaus – überhaupt so etwas wie „nachhaltiges Palmöl“ geben könnte.

Das Europaparlament fordert in seiner Resolution vom 4. April 2017 den Nachweis der Nachhaltigkeit und stellt gleichzeitig fest: „dass es weder bei RSPO, ISPO oder MSPO noch bei allen anderen anerkannten wichtigen Zertifizierungsregelungen den jeweiligen Mitgliedern tatsächlich untersagt ist, Regenwälder oder Torflandschaften in Ölpalmenplantagen umzuwandeln; ist daher der Auffassung, dass diese am meisten verbreiteten Zertifizierungsregelungen nicht in der Lage sind, die Treibhausgasemissionen wirksam zu begrenzen, wenn Plantagen angelegt oder betrieben werden, und sie folglich auch nicht in der Lage sind, Großbrände in Urwäldern und Torflandschaften zu verhindern.“

Weiter gehend stellt das EU-Parlament fest, „dass das Problem der Nachhaltigkeit in der Palmölbranche durch freiwillige Maßnahmen und Strategien allein nicht gelöst werden kann, sondern, dass auch für Palmölunternehmen verbindliche Regeln und ein zwingend vorgeschriebenes Zertifizierungssystem erforderlich sind“.

Nicht zuletzt bezieht sich das Parlament auf den jüngsten Bericht des Europäischen Rechnungshofs, in dem die bestehenden Zertifizierungsregelungen für Biokraftstoffe analysiert werden und festgestellt wird, dass in ihnen wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit fehlen, so zum Beispiel die fehlende Berücksichtigung mittelbarer Auswirkungen der Nachfrage, fehlende Verifizierung und die Tatsache, dass nicht garantiert werden kann, dass zertifizierte Biokraftstoffe nicht für Entwaldung mit negativen sozioökonomischen Folgen verantwortlich sind. (6)

Hassbotschaften und Verschwörungstheorien

Wie fast immer in solchen Zusammenhängen werden Nichtregierungsorganisationen im Inland und Ausland verdächtigt, Agenten ausländischer Interessen zu sein, welche die Souveränität des indonesischen Staates und seiner Wirtschaft zu unterminieren suchen.

Solche Argumente mögen in den Augen und Ohren westlicher BeobachterInnen absurd klingen. Nicht wenige LeserInnen werden sich fragen, wie etwa Organisationen wie z.B. Greenpeace in den Verdacht der Beihilfe zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen des „Westens“ geraten konnten.

Eine ausführliche Erklärung dafür bedürfte dutzender zusätzlicher Seiten. In sehr verkürzter Form lässt sich nur sagen, dass Indonesiens Wirtschaft und Politik ideologisch noch immer so tun, als seien sie den Idealen der Revolution um und nach 1945 verpflichtet. Kaum ein sich sozialistisch nennendes Land verfügt jedoch über ein vergleichbares Portfolio an Staatsbetrieben wie Indonesien. Dennoch wird gerade hier die vermeintliche Dominanz ausländischer Unternehmen besonders kritisch gesehen.

Verbietet die Umweltorganisationen!

Aufgrund des geschilderten – und in Indonesien durchaus populären – Verdachts, dass nationale und internationale Umweltorganisationen in Wirklichkeit nur den verlängerten Arm fremdländischer Wirtschaftsinteressen darstellen, forderte eine Reihe von Parlamentsabgeordneten das Verbot bzw. die Ausweisung von Nichtregierungsorganisationen.

„Wenn diese unsere wirtschaftliche Souveränität beleidigen oder unterminieren, ja, dann wäre es das beste sie einfach rauszuwerfen. Wir sind ein souveräner Staat, da geht es nicht, dass andere Länder die Kontrolle über uns ausüben,“ sagte der Vorsitzende des für Landwirtschaft, Ernährung und Forste zuständigen Parlamentsausschusses, Edhy Prabowo. Ausschussmitglied Firman Subagyo ergänzte bezüglich der indonesischen NGOs: „Das sind für gewöhnlich arbeitslose Intellektuelle. Sie werden von Ausländern bezahlt, um ihren eigenen Staat und dessen Volk zu ruinieren.“

„Sie werden von Europa bezahlt, um [die] Palmöl[industrie] zu zerstören, nicht wahr? Weil die in Europa gepflanzten Sonnenblumen bezüglich ihrer Produktivität nicht mit Palmöl konkurrieren können,“ sagte Tolen Ketaren von Samade, einer Organisation, die von sich behauptet, 38.000 Ölpalmbauern zu repräsentieren. (7)

Werbeveranstaltung in Berlin

Im Rahmen der Reaktion und der Schadensbegrenzung auf die Resolution des Europaparlaments zog Indonesiens Regierung alle verfügbaren Register. Auch die Botschaft der Republik Indonesien in Deutschland wurde aufgefordert und dem Vernehmen nach mit entsprechenden finanziellen Mitteln bedacht, um in Berlin eine Veranstaltung zu stemmen, auf welcher das schlechte Image von Palmöl aus Indonesien widerlegt werden soll.

Die in diesem Punkt bemitleidenswerten MitarbeiterInnen der Botschaft verfügen weder über Kenntnis, noch relevante deutsche Kontaktadressen zu diesem Thema. Offenbar wurden die Adressdateien seit vielen Jahren nicht mehr gepflegt.

Letztlich entschied sich die Botschaft dazu, für zwei Tage die zentrale Bühne der „Mall of Berlin“ zu mieten. Schon einige Tourismus-Werbeveranstaltungen mit vielen Tänzen und Musikdarbietungen fanden hier statt. Warum also nicht dieses Mal unter dem Motto „nachhaltiges Palmöl“? Ganz zu Beginn wird es eine zweistündige Podiumsdiskussion zum Thema geben, die restliche Zeit gehört den kulturellen Darbietungen. Hauptsache es spült die von Jakarta versprochenen finanziellen Mittel auf die richtigen Konten.

(1) Jakarta Post, 19.05.1017, http://www.thejakartapost.com/news/2017/05/19/indonesia-mulls-campaign-against-airbus-planes-to-retaliate-against-eu.html
(2) http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2017-0098+0+DOC+XML+V0//DE(3) Zeit Online, 05.01.2016, http://www.zeit.de/2015/52/indonesien-borneo-umwelt-urwald-waldbrand
(4) aaO.
(5) Jakarta Post, 15.05.2017, http://www.thejakartapost.com/news/2017/05/15/kalla-calls-on-eu-to-stop-negative-campaign-on-palm-oil.html
(6) aaO.
(7) Sindo News, 20.05.2017, https://ekbis.sindonews.com/read/1206730/33/dpr-minta-lsm-pengganggu-industri-sawit-dibubarkan-1495282253


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