Wählt Indonesien das kleinere Übel?

Rundbrief Pazifik-Netzwerk, Nr. 96 ~ 2-14, Juni 2014

von Alex Flor

Pazifik_Netzwerk_logoZum vierten Mal seit Ende der Diktatur fanden in Indonesien am 9. April freie Wahlen zum Nationalparlament und den Regionalparlamenten statt. 12 Parteien stellten sich zur Wahl. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine stabile Mehrparteiendemokratie ist bei genauerem Hinsehen allerdings eher ein Schaulaufen der Eliten des Landes. Die breite Bevölkerungsmehrheit nimmt kaum am politischen Geschehen teil. Die meisten Parteien machen noch nicht einmal den Versuch, mit einem Programm fur sich zu werben. Es zählen allein Image und Herkunft der Politiker. In der laufenden Legislaturperiode verabschiedete das Parlament gerade mal ein Drittel der Gesetze, die auf dem Arbeitsplan standen.

Zur ersten freien Parlamentswahl nach der Diktatur waren 1999 nicht weniger als 48 Parteien zugelassen. Die großen unter ihnen sorgten fur immer striktere Parteien- und Wahlgesetze. Man wollte unter sich bleiben. Kleine, neue und finanzschwache Parteien haben kaum mehr eine Chance, zur Wahl zugelassen zu werden. Von den verbleibenden zwölf schafften nun zehn den Sprung ins Parlament. Keine Partei erreichte die 20 Prozent-Marke. Es bedarf also weiterhin einer Koalition aus mindestens vier Parteien, um eine einfache Mehrheit herzustellen.

Indonesiens nächster Präsident

Die öffentliche Diskussion dreht sich seit Monaten um die Frage, wer am 9. Juli zum neuen Präsidenten gewahlt wird. Der amtierende Prasident Susilo Bambang Yudhoyono darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Seine Partai Demokrat (PD) hat unter anderem aufgrund zahlreicher Korruptionsskandale bei den Parlamentswahlen die meisten Stimmen verloren. Als einzige im künftigen Parlament vertretene Partei entschied sich die PD fur eine neutrale Haltung. Sämtliche anderen Parteien erklärten mittlerweile ihre Unterstutzung fur einen der beiden im Rennen verbliebenen Präsidentschaftskandidaten: Prabowo Subianto oder Joko Widodo (Spitzname ≫Jokowi≪).

Prabowo Subianto, ehemaliger Schwiegersohn von Diktator Suharto, ist ein unehrenhaft aus der Armee entlassener General. Seine aktive Zeit als Militar endete wegen Vorwürfen schwerster Menschenrechtsverletzungen und eines Putschversuches. Er tritt als Volkstribun im Stile eines Hugo Chavez auf und vertritt einen ausgeprägten Nationalismus.

Seit kurzem muss er sich in Meinungsumfragen mit dem zweiten Platz zufrieden geben, nachdem Megawati Sukarnoputri, selbst von 2001 bis 2004 Staatsprasidentin, den populären Jokowi zum Spitzenkandidaten ihrer Partei PDI-P erklärte. Jokowi wurde erst vor einem Jahr zum neuen Gouverneur von Jakarta gewählt. Er ist das Gegenmodell eines Machtpolitikers und der Korruption unverdächtig. Er spricht mit den Menschen auf der Straße und macht gerne Überraschungsbesuche in Behörden. Seine Popularität ersetzt jedoch nicht den Mangel an politischer Programmatik. Über seine Ansichten zur Wirtschafts- oder Außenpolitik ist praktisch nichts bekannt. Fur viele Wähler mag er schlicht das kleinere Übel gegenüber Prabowo darstellen.

Wie viel Freiraum wird der politisch unerfahrene Jokowi unter der Führung Megawatis haben? Auch sie steht fur einen Kuschelkurs mit dem Militär. Unter ihrer Herrschaft wurde in Aceh der Kriegszustand ausgerufen. Jokowi geht mit einem Vizekandidaten der ehemaligen Staatspartei Golkar ins Rennen und wird von Hanura, einer nationalistischen Partei unter Führung des einstigen Rivalen Prabowos, General a.D. Wiranto, unterstützt. Auch Wiranto wird zahlreicher schwerer Menschenrechtsverletzungen bezichtigt.

Autor: Alex Flor, Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia!, Berlin.


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